Montag, 31. Dezember 2007

Wasep (Rückkehr)

Und das waren die Ferien. Und ich schreibe doch nicht erst in einer Woche wieder und auch keine neuen Wunder-Eindruecke. Obwohl man die Dinge der letzten 2 Tage durchaus auch von diesem Gesichtspunkt aus sehen kann.

Unser Zug hat gerade etwa ein Viertel der Strecke von Lahore nach Karachi zurückgelegt, als uns die Nachricht vom Tod der Oppositionsführerin und soundsoviel anderen erreicht. Die Leute im Zug bewegen sich langsam, stehen auf, Telefonieren – und wirken relativ emotionslos. Uns raten sie, nicht nach Karachi weiterzufahren, überhaupt nicht in den Sindh zu fahren, weil dies ja das Gebiet ihrer Heimat sei, weil das Volk einen Hass auf die Regierung, Hass auf Amerika habe und da alle Weißen für sie „Angreze“ sind und Angreze gleich wieder Amerikaner, sei es für uns schon unsicherer, als für die Einheimischen. Es ist schwer, klare Antworten zu bekommen. Die einen meinen, das Attentat sei in Karachi gewesen, nicht in Rawalpindi. Im Punjab, in Lahore seien wir jedenfalls einigermaßen sicher. Dann häufen sich die Nachrichten von außen, man sagt sich, jetzt geht es in allen Städten rund und die Pakistanis selbst organisieren sich auch schon eine andere Bleibe als Karachi, Handys klingeln wieder.
Der Zug fährt, erfahren wir später, auch gar nicht weiter nach Karachi, sondern kehrt nach Lahore zurück. als er schließlich in Khanewal hält (ich hör überall nur Karneval), steht sofort ein Mann vor uns (wieauchimmer er uns so schnell im Zug gefunden hat), uns abzuholen. Plötzlich sind wir in einem Krankenwagen, weil das sicherer ist, als zivil zu fahren. Es sind irgendwie etliche Menschen daran beteiligt, uns in dieser Nacht wieder nach Lahore zu bekommen. Aber ich will keine Geschichten erzählen, da komm ich mir komisch vor, angesichts der Dinge, die in dem Land passieren und mir nicht ganz greifbar sind. Nur kurz sagen, dass ich wieder in hier bin und vorerst auch bleiben werde, bleiben muss (und somit auch den geplanten Abstand von Roshni nicht habe um mit neuen Ideen und allem was dazugehört wiederzukommen).

Wann ist man eigentlich in Gefahr? Die Leute um uns sind alle so friedlich und freundlich und ich schaffs nach wie vor nicht, mir die Bösen darunter vorzustellen. Auch von der Religion her geht das eigentlich gar nicht klar. Von der Politik wisst ihr wahrscheinlich wieder mehr als ich!
Als wir z.B. in besagter Nacht morgens um 3 Station machen bei den Leuten, die uns holen und bringen (und schließlich um diese Uhrzeit noch was kochen, woraufhin ich wirklich nicht mehr weiß, was sagen – obwohl Englisch gesprochen wird), versuche ich vergeblich etwas über die Situation zu erfahren: vor dem Fernseher wird wie gewohnt von Sender zu Sender gezappt und als ich ganz entschlossen sage ich würde jetzt doch gerne mal „News“ gucken, bekomme ich nur einige Minuten, einige Satzfetzen und ähnliche Informationen wie schon zuvor mit – bevor wieder Kricket geguckt wird.

Mittwoch, 26. Dezember 2007

mehr Geschichten!

Das war Weihnachten in Pakistan - die Sonne scheint schon wieder und ich renne barfuß im Kreis um das Fußballfeld, dass sich Nachtwächter und Gärtner wundern müssen (oder lachen müssen). Morgen nach Karachi. Eine asiatische 14-Millionenstadt wie sie im Buche steht wahrscheinlich. Soll überhaupt nicht schön sein dort! Und der Zug dahin soll auch nicht schön sein. Ja, ich laufe gar nicht und fliege auch nicht, was viele hier tun würden und ich nehm auch nicht den Eselskarren, wie Sitar mir heute morgen angeboten hat, als er uns durchs Dorf zum Shop gefahrn hat und ich wieder mein Urdu nutzen konnte.
Hotennuuu. Soweit ich verstanden habe, hat er seine Familie dort unten - meine Tasche füllt sich gerade mit Adressen, die mir in Karachi weiterhelfen wollen. Aber keine Sorge, ich geh nicht allein! Matze und Helen sind dabei (obwohl uns Volus eigentlich auch Abstand voneinander guttun würde) und Das Zugunglück kürzlich war in der Gegenrichtung. Außerdem sind in Deutschland auch schon Züge entgleist!

Was ich eigentlich sagen will ist, dass wahrscheinlich einige Tage Ruhe in meinen Blog einkehren wird, bis ich ihn wieder aufmischen kann mit gemischten Eindrücken der kommenden Woche - falls mich der Schulalltag nicht gleich wieder einnimmt und nach all meiner Kreativität verlangt, mit der ich sonst gern die Worte neu zusammenstellen würde um Euch ein Bild zu vermitteln. Wenn dem so sein sollte, dann nehmt Euch ein Buch mit Erzählungen aus dem Orient und stellt euch die Figuren einfach vor, die hier ganz selbstverständlich über die Straße schlurfen in ihren weißen Tüchern und Turbänern, mit einem Zuckerrohr zwischen den Zähnen ab und zu in den Sand spuckend, oder auf dem Farrad so arg bepackt, dass man meint sie schaffen die nächste Kurve nicht. Aber sie schaffen alles, die Männer hier und es ist völlig normal, nur ich frag mich, wo die alle immer hinwuseln mit ihren vielen Sachen, die sie tragen, mit 5 Kindern und Frau auf dem Motorrad. Wo sind die Frauen überhaupt die ganze Zeit? Und dann wieder ein Kamel (So es das Eid-Fest überlebt hat), eine Tasse heißen Cae, ein Gespräch bei dem hauptsächlich Verwunderung und wiedergutmachendes Lächeln rumkommt, Hand schütteln und Hand nicht schütteln und sie wünschen mir Merry Christmas und manche sind dabei ganz stolz, "auch" Christ zu sein. Mit diesen waren wir gestern in einer echten Kirche. Aber das ist eine andere Geschichte, die von Kitsch und Glauben handeln müsste und schließlich wieder von Verwunderung. Ich lass sie also aus - ebenso wie die vom Din-A4 Fahrkartenkauf und die von der prunkvollen Hochzeit unseres reichen Nachbarsohnes (welche durch das Auftreten einer Rockband vor all den gesetzten Verwandten - hier der Frauentisch da der Männertisch - wirklich interessant, nein sogar sehr spaßig wurde) oder die vom Weihnachtslieder und Nichtweihnachtslieder singen, wie hier die Kulturen aufeinanderprasseln und wie sich die Unterschiede schließlich doch bei langem langem Reden am Feuer verarbeiten lassen.
Je nach Internet- und Zeithabbedingung in Karachi gibt es dann also in etwa einer Woche wieder neues von mir im Wunderland. Genießt den Schnee - so ihr welchen habt - und besten Dank natürlich an alle Schokoladenschicker!

Freitag, 21. Dezember 2007

Das große Schlachten

Ich nehme an, ihr habt nicht alle ein Kaminfeuer neben dem Pc. Ist bei uns auch eher selten. Das nur wegen gestern. Und heute das Eid-Schlachtfest. Die Straßen sind voller Blut. Überall liegen Ziegenfelle und Kuhfüße (gebündelt). Manchmal ein entleerter Darm, dann wieder ganze Tiere, die gehäutet werden. Als ich besorgt gefragt werde, ob es auch gut für mich ist, eine Kuh so sterben zu sehen sage ich passt schon, ich bin ja auf dem Bauernhof groß geworden. Beim Schlachten werde ich erst dieser Lüge gewahr und stelle fest, dass meine Gesichtsmuskeln sich verkrampfen als wenn ich in die Sonne gucken müsste. Ich wusste auch nicht, dass das Fleisch eine Stunde später noch immer vor sich hin zuckt. Und dann sehe ich schließlich auch keinen Sinn in dem vielen Schlachten und Fleischanhäufen heute. Für die Bettler, die nun aus ihren Normadenhütten kommen um in Plastiktüten ihren Teil des Viehs (1/3 den armen, 1/3 den Nachbarn und Freunden, 1/3 behalten) fordern, mag dieser Tag schön sein. Für mich nur eine weitere Verwunderung. Die geschmückten Tiere werden morgen und übermorgen nach und nach von den Schlachtern überrascht, die sich dann mit rostiger Klinge an die Kehle eines würdevollen Kamels machen. Das ist die Tradition. Seit Abraham statt seinem Sohn einen Bock opfern durfte. Würde ich diese Dinge verstehen, wenn ich mich endlich mehr um deren Hintergrund bemühte? Der Koran liegt angelesen neben meinem Bett, zuwischen drei anderen Büchern, in denen ich schon weiter gekommen bin. Dabei sollte er mindestens auf Augenhöhe in einem Schrank für sich allein stehen und nur mit reingewaschenen Händen und guten Gedanken (und eigentlich auch in Arabischer Sprache) gelesen werden. Doch auch wenn ich dazu nicht komme und schließlich sogar mein (nein Dein) „Islam verstehen“ verloren habe (das wirklich verständlich geschrieben war), so habe ich noch etliche Begegnungen mit den Leuten, in welchen all meine Fragen wieder auftauchen können. Plauderabende mit Anum z.B., über deren Inhalt ich grad nicht schreiben mag, weil vieles doch wieder Frauensache war. Gespräche aber, wo ich eine Idee davon bekommen konnte, warum die Dinge hier so sind wie sie sind, warum so wenig hinterfragt wird (denn so steht es im Koran und der gibt – im Gegensatz zur Bibel oder der Tora – Gottes Wort unverfälscht wieder), welche Kraft der Glaube hat und wie er den Menschen Sicherheit geben kann in allem was sie tun.

Donnerstag, 20. Dezember 2007

am Kaminfeuer zu lesen

Einmal mehr in einen Traum gefallen. Schnell schreiben, bevor mir alles abhanden kommt.

Ich hatte doch von den Gärtnern erzählt, von den Ungebildeten, und von den Villagers. Nach dem Fußball also gehen Matze und ich wie gewohnt joggen. Ich brauche einfach dieses bisschen Bewegung am Tag. Und der Gärtner auch, deshalb joggt er jetzt immer mit.
Meri ghar jãnã? (to my house?), ich mag eigentlich nicht, bloß weil ich eine alleine Frau und er ein mir im Prinzip unbekannter Mann ist, denken müssen, dass er mir doof kommen könnte (obwohl das hier so ist, wie man mir sagt), aber wir haben auch Farooq den Betreuten bei mir und ich bin nicht sicher, ob das ok ist. Ich sagte kal (morgen). Heute ist also besagtes Morgen und wir (jetzt Matthias, Manner – so heißt der jüngste Gärtner – und ich) befinden uns wieder am Dorfeingang. Meri ghar? Acca (gut), calo ji. Und schon sind wir durch einen Torbogen, über Lehmboden, Mäuerchen und wieder Tobögen in eines der niedrigen Zimmer gelangt, die man sonst nur durch einen Türspalt von der Straße her sehen kann. Wir sollen uns setzen (bait jao!), von einem der umherstehenden Betten (chapoi) werden die Kinder verscheucht, welche nun Alarm schlagen sodass die Nachbarskinder gelaufen kommen um einen Blick auf die Fremden zu erhaschen, einmal schüchtern meine Hand zu schütteln. Der Cãe wird vorbereitet. Ich frage, ob diese Kinder Manners Geschwister sind. Nein, lacht er, bacche chachi haen. Acca, wir sind also erst im Haus seiner Tante. Der Cãe ist fertig, ob wir denn auch etwas essen wollen? Nein, bohot shukryia, wir essen in Roshni. Einer der Jungs kann etwas Englisch und übersetzt ein paar Worte. Durch eine kleine Tür kommen wir in die nächste Wohnung.

Wo soll ich stehen im Raum? Nein danke, kein Tee, wir hatten gerade! Wie begrüße ich die Menschen, wie zeige ich Respekt vor dem Alten an dem wir uns vorbeiquetschen müssen, bevor wir uns setzten? Ich senke meinen Kopf. Er legt mir die Hand auf die Stirn. Das habe ich hier schon öfters gesehen. Die alten Frauen geben mir beide Hände, ich ihnen die Rechte. Den Männern eine zum Herz geführte Geste mit der Hand, der Blick wird gesenkt, wir sind schließlich auf dem Dorf! Die Frauen sind etwas stürmisch und wollen mich gar nicht mehr gehen lassen, Fragen über Fragen. Nein, ich habe noch keine Kinder! Erst jetzt erkenne ich Adnan, einen meiner Drittklässler, der ganz still auf dem anderen Bett sitzt. Ich lach ihn an und sage der Familie, dass er schon tori tori (wenig wenig) Englisch spricht (was er am nächsten Tag stolz in der Schule erzählt).

Im nächsten Haus wird Matthias eine Wasserpfeife angeboten, an der auch ich ziehe. Das ist hier eigentlich Sache der alten Männer, die mit ihren hennagefärbten Bärten und elegant gewickelten Tüchern um den Kopf tagein tagaus auf ihrem Chapoi sitzen. Ich möchte wissen, wie das schmeckt und was da drinn ist, das hier ist meine einige Chance vielleicht. Lachen. Wasser, sagen sie mir (pani). Es kratzt im Hals. Was ist oben drinn, frage ich. Agh (Feuer). Ich habe das Gefühl, eine Shisha ohne Geschmack zu rauchen. Was ist dazwischen? Chini (Zucker). Kya? Ja, Zucker, das was wir auch in den Cãe tun. Was noch? Tabak. Acca ji. Die Kinder kichern. Or (mehr)? Bas, das ist alles. Manner ist schon wieder aufgestanden, es geht weiter. Ich merke wieder einmal, wie tolerant die Menschen uns gegenüber sind, all meine Unpässlichkeiten werden mit einem Grinsen verziehen.

Draußen unter der Treppe brennt ein Feuer, eine Frau macht darauf Rooties und will mit gleich einen geben. Nein danke, ich esse in Roshni. Cãe? Auch nicht, ich muss weiter. Bleib! schau Dir doch unsere Ziegenbabys an! Acca ji. Eins liegt in der Ecke neben dem Feuer, eins unter dem Bett. Aber in der Nacht darf es nach oben zu den Kindern und der Chachi. Hier brauche ich eine Weile, bis ich verstehe, was die Frau mir sagen will. Die Ziege heißt Lelli. Lelli kann eigentlich froh sein, denk ich mir, die wenigsten Tiere im Dorf haben einen Namen.

Manner ruft, ich springe übers Mäuerchen,ernte verwunderte Blicke und bin in seinem Haus. Hier ist es sauberer als in den anderen Zimmern dieses Dorfes, wo ja ein Haus ins andere übergeht. Man munkelt, dass Manner Land besitzt und das bedeutet hier sehr viel. Hinter dem Türbogen steht sein Bruder Ehsan - einer meiner frechsten Schüler. In letzter Zeit habe ich ihn aber sehr lieb gewonnen. Ob das daran liegt, dass er Manners Bruder ist und dieser schnell rennen und mir Bambus schneiden kann, oder weil der Junge als einziger in der Klasse die Uhrzeit wusste, als ich die Zeiger auf viertel vor drei gestellt hatte (no, it’s not quarter past three!).

Wir sind wieder draußen, auch diesmal kein Cãe – wo kämmen wir denn da hin? Außerdem ist gerade Stromausfall und Manner muss das Notlicht holen. Wir wechseln die Straßenseite. 20 Kinder wechseln die Straßenseite. Pferdekutschen halten an, „angrezi angrezi“ hör ich jemanden rufen. Aber wir sind doch keine Engländer! Maria, ither ao! Oh, noch mehr Besuche. Kopf einziehen. Ich finde mich vor einer müden Frau wieder, die - ein Kind im arm - auf ihrem Bett liegt. Ist es ein paar Wochen (hafta) alt? Monate? Nei, hafta nahin, tin din! Was? Drei Tage? Ich senke die Stimme und komm mir plötzlich dumm vor, dass dem Kleinen das Neonlicht ins Gesicht scheinen muss wegen uns. Wir gehen wieder. Im Hof stehen Kühe und Manner zeigt uns das Futter, was sie brauchen um Milch zu geben. Ja, das kenn ich, Kühe gibt es in Jermani auch. Aber das hier ist die Milch, die wir in Roshni immer trinken. Acca, das wusst ich nicht. Und wusste auch nicht, dass ich mit meinem bisschen Urdu soweit kommen kann wie heute. Mit Händen, Füßen, mit Lächeln und Kopf senken, mit jungen und alten Leuten – nur mit den Männern nicht (Wie war noch mal der Name deiner Frau? Und sie unterrichtet Englisch?) Während die Frauen mir so viel sagen wollen, dass meine Sprach- und Mimikkapazitäten völlig überfordert sind. Wir sind wieder am Dorfausgang. Über uns hängt ein Banner, das ich genäht habe, auf dem die Eröffnung des Roshni-Shops angekündigt wird (zum Verkauf der in den Workshops produzierten Spielsachen und dass einige Betreute dort arbeiten und Kontakt mit den Villagers aufnehmen können). Was für ein Bild haben die Leute hier von Roshni? Wahrscheinlich wissen sie davon ebenso wenig wie ich vom Alltag meiner Schüler. Roshni, ein Ort wo wohlhabende Fremde ein und ausgehen, sich um „spezial people“ kümmern und in der Schule arbeiten. Die Schule kennen natürlich manche der Dorfkinder. Deren Mütter sehe ich heute jedoch zum ersten Mal. Und sie mich: Eine kleine weiße Frau, die in ihr Haus reinspaziert, rausspaziert und versucht recht höflich und herzlich zu sein. Außerdem hat sie heute, weil sie ja gejoggt ist, keinen Schal an (der doch zur sittlichen Kleidung gehört). Koi bath nahin (doesn’t matter) sagt Manner und lacht, schließlich bin ich ja ein foreigner.

Samstag, 15. Dezember 2007

wieso Deutschland?

Dieser Text ist so im Laufe der letzten Woche zustande gekommen und es mag sich einiges Stirnrunzeln meinerseits über das Leben hier darin angestaut haben. Das ist aber nicht zu schwer zu nehmen: Es sind bald Eid-Schlachtfestferien, die Tage werden neu, ich komm ein bisschen durchs Land, da ich mit Mtze und Helen über Sylvesternach Karachi fahre und ich freue mich wirklich aufs – nein, ich freue mich über das Leben. Ich hoffe es geht Dir manchmal genauso, zwischen Schreibtisch und Esstisch, zwischen Weihnachtsmännern und melancholischer Straßenmusik, zwischen Esskastanien und neuen Geschenkideen, oder in viel besseren Ideen (verschenk doch mal einen Tag)…

Hab viel mit Schule und Unterricht zu tun, bin eigentlich rund um die Uhr irgendwo in Roshni eingespannt, welches aber ein weniger brennendes Thema ist, weil es läuft... Brennt mir denn überhaupt was – ich habe lange nicht geschrieben? Meine Zweifeleien sind nochimmer nicht besser geworden. Und überleg mir öfter, ob das was ich tu Sinn macht, anstatt einfach etwas sinn-volles zu tun. Mein Visum für Pakistan wurde bis 21. April verlängert und der Botschafter wollt meine Fragen nicht anhören. Dann eben kein multiple Entry. Manchmal kommt man sich hier als Frau schon dumm vor (Und wenn man Mukhtar May liest und die überspitzte Version davon vor sich hat, kann man auch zornig werden). Auf der anderen Seite werden wir aber auch mit viel Respekt und Rücksicht behandelt...

Interessanter noch als Frausein ist aber das Ausländer sein hier. Als ich am Wochenende mit Philipp aufs Land raus gefahren bin, zu den Lehmhütten und Kamelen von Faisalabad, da war ich wieder der Fremde Mensch aus dem Westen – für die Leute dort vielleicht einer aus den Werbetafeln, aus dem Fernsehen, zum erstenmal „in echt“. Am eindrucksvollsten sind dann immer die Kinderblicke, weil sie nichts verbergen. Ich glaube manche waren wirklich erschrocken.
Im Bus nach Lahore zurück sagte meine Sitznachbarin (denn natürlich sitzt hier wieder Frau neben Frau) „You’re the first interesting person I met in this bus since three years!“ Hm, schade – sind die anderen Menschen in dem Bus denn nicht interessant? Doch doch, meint sie rasch, aber die seien ja alle nur von hier. Es folgt ein Gespräch über Gott und die Welt und schließlich doch wieder über Gott, bis sie versucht, mich zu bekehren. Denn der Islam gäbe auf alles eine Antwort und ich bräuchte eigentlich gar nicht mehr zu suchen. Ich such aber doch so gerne (haha, s.o.)! Ob sie sich denn vorstellen könnte, Christ zu werden? No way! Und weshalb soll ich Moslem werden? „’Cause we’re right!“ Welcher Mensch kann denn sagen, dass er Recht hat? Aber ich denke mir, dass sie nur eine Vertreterin dieser Religion ist und dass hier nicht jeder „Ihr werdet schon noch sehen“ denkt, wenn er es mit Christen oder anderen zu tun hat. Bin ich denn Christ? Wie oft ich hier vor diese Frage geworfen werde. Und nie gebe ich eine zufrieden stellende Antwort. Zunächst einmal bin ich Maria. Eine weitere Definition meiner selbst ist mir noch nicht gelungen. Bisher hab ich’s soweit auch nicht kommen lassen wollen.

Wir steigen aus dem Bus und verlieren uns aus den Augen. Das Versprechen, sie daheim zu besuchen, kann ich vermutlich nicht einlösen. Ich gebe es trotzdem – es gehört irgendwie doch zur guten Sitte (und wie würde sich denn ein Deutsches „Ich kann noch nicht sagen, wie mein Plan für die nächsten Wochen aussieht“ anhören?). Assalam unser Driver wartet schon auf mich, ich bin wieder in „sicheren Händen“ – schade eigentlich, dass die Selbstständigkeit immer nur so kurz währt hier. Bis zur Straße vor und nicht weiter. Und nicht alleine und nicht Nachts. Das ist zu gefährlich. Hier lauern Diebe und anderes Gesindel, sagt man sich. Wie naiv muss ich sein, die Dinge erst zu glauben, wenn ich sie erfahren habe? Trotzdem kann ich nicht anders. Wieso soll man denn als Frau nicht alleine einkaufen gehen können? Aber ich kam her, um die Kultur kennenzulernen und nun lern ich sie eben kennen und es ist auch nicht meine Art, mich quer zu stellen und zu sagen „Ich will aber!“. Naja, so häppchenweise bring ich das schon. Und sehe, dass ich doch den public bus benutzen kann ohne Mann. Mein Urdu reicht auch schon so weit, dass ich den neugierigen Frauen (die diesmal durch eine massive Eisentür von den Männern getrennt sind) erklären kann, was ich tu und wo ich lebe. Doch wo die Sprache ausreicht, stellt sich wieder die andere Denke in den Weg. Wieso ich denn kein Geld für die Arbeit verlange, ob ich in Deutschland keinen Job gefunden hätte, warum meine Familie nicht mitgekommen ist, wieder ob ich verheiratet bin, wie viele Kinder ich denn habe, ob ich Moslem bin, weil ich ja Shewarcamis trage? Ich merke, dass es mich anstrengt, den Leuten immer offen und mit einem Lächeln zu begegnen (In der Kurzversion bin ich dann Christ und verheiratet und als Deutschlehrerin hier). Aber ich muss mich an die Botschafterrolle erinnern und schließlich können die Frauen im Bus ja auch nicht wissen, dass ich gestern ebendieselben Fragen mit ebendemselben Lächeln beantwortet habe und mein Interesse an dieser Art von Unterhaltung stetig sinkt.
Und sie können nicht wissen , wie das Leben in Deutschland ist. Und wollen trotzdem alle mal nach jermani - woher kommt das? Für mich ist es natürlich ein prima Lebensraum und ich möchte auf Dauer vermutlich auch gar nicht woandershin. Aber dass hier einer sein jahrelang Erspartes (denn wie viel Geld das für diese Menschen sein muss, steht in keinem Vergleich zu uns) in den Flug verpufft um dann ein zwei Wochen oder Monate in Berlin oder Frankfurt zu leben, Europa zu sehen, vielleicht noch von schlecht frisierten Menschen als Ausländer doof behandelt zu werden – das will mir nicht in den Kopf. Es wird sich keine Traube von hilfsbereiten Menschen um ihn schaaren, wenn er allein an einer Straßenkreuzung einen U-Bahn Plan zu lesen versucht, es wird ihn keiner in sein Haus bitten oder mit einem heißen Tee auf die Straße herauskommen. Ich will damit nicht sagen, dass die Menschen hier oder da besser seien – es ist eben nur eine so andere Mentalität und ich denke mir ein Pakistani hätte mehr davon, mal nach Indien rüberzugucken und mit Hindus zu sprechen, auf gute Nachbarschaft trinken (das wär was!). Oder eben runter ans Meer (denn ein Indienvisum ist leider nicht allzu einfach für Pakistanis) oder hoch in die Berge; Ich glaube dieses Land birgt Wunder und viele der Menschen, die ich getroffen habe, kennen nur ihre eigene Stadt. Und dann ihren Traum einmal nach Deutschland zu gehen.

Sonntag, 2. Dezember 2007

aufgeräumt

Ich habe den Lycheesaft weggekippt, weil er alt war. Die tristen Gedanken habe ich weggekippt, weil sie unnütz sind (es sei denn ich habe ihren Nutzen noch nicht ganz verstanden). Die Sorge, nicht ganz da zu sein, wo ich bin, nicht alles zu tun, was ich tun könnte, die hatte ich auch früher schon, hatte ich auch anderswo. Während der Schulzeit, während der Ferien – im Abi und sogar auf Artabenfahrten, die ja nun wirklich so nah am Leben dran sind, dass man nicht ins Grübeln kommen müsste! Ja, an die Jugendgruppe denke ich noch am liebsten (am zweitliebsten, entschuldige) und das sind auch die Abenteuer, von denen ich erzähle, die Lieder, die ich hier singe. Ja videl divoké kuňe (ich habe wilde Pferde gesehen) – ist zwar ein Tschechisches Lied, habe ich aber trotzdem gern dem Sohn der mysteriösen Familie beigebracht, als wir gestern so vorunshingejamt haben. Und er hats gern gelernt, hat dazu improvisiert und schließlich habe ich mich geärgert, dass uns niemand aufgenommen hat. Was hätte ich das gern noch mal angehört. Bei Haider ist es nämlich so, dass er plötzlich aufhört mit der Gitarre und meint, er kann nicht spielen, wenn es jemand von ihm erwartet. Aber ich erwarte doch nichts! Und ich bin nur so selten da. Das war jetzt exakt zwei Wochen her, als ich gesagt hatte, ich komme auf alle Fälle wieder. Als ich dann gestern ganz unangemeldet zu Tür reinkam, saßen sie da alle auf dem Boden und haben gelacht und sich gefreut, dass ich da bin. Das sind wirklich die allernormalsten Menschen, die ich bisher hier gefunden habe. Die leben da einfach mit ihren Kindern und Ehemännern und Enkeln und Hausangestellten und man kann dazukommen und nichts ist komisch. Sogar der Hausvater, vor dem ich mich vielleicht benehmen sollte oder zumindest nicht vor seinen Augen gleichmal ins Zimmer seines Sohnes verschwinden (denn das geht in dieser Kultur unverheiratet eigentlich nicht), schafft es immer wieder, dass ich mich ganz normal fühle. Wie daheim eben.

Daheim habe ich mich heute morgen schon wieder gefühlt, als Helen Plätzchen gebacken hatte (ist doch 1. Advent, ne?) und echter Kaffee in meiner Tasse war. Verrückt, was für Bilder und Erinnerungen so ein bekannter Geschmack hervorrufen kann. Aber ich mag auch neue Geschmäcker. Manche jedenfalls. Gestern habe ich ein zähes verwürztes Hühnchen gegessen und überlegt, ob ich Vegetarier werde. Das überlege ich hier etwa dreimal am Tag. Auf den Straßen hängen die halben Ziegen und Rinder vor den Läden. Ihre Köpfe liegen rum, daneben die Füße – schön gebündelt wie Karotten oder Radieschen auf dem Markt. Wenn ich in den Kochtopf gucke, kann ich darin kein Fleisch erkennen, sondern Knochen, Fett und Fellreste. Magen und Gehirn sollen ganz vorzüglich schmecken, sagt man mir. Ich frag schon nicht mehr nach, was wir da gerade essen. Essen sollte ich überhaupt weniger – das steht in keinem Verhältnis mehr zu dem, wie ich mich bewege oder was ich schaffe am Tag. Manchmal kommt es vor, dass ich nach dem Fußball (inzwischen auch mit allen Gärtnern und Fahrern und Nachtwächtern, mit Hinundherpassen und Corner und Aus) noch joggen gehe, soweit ich eben kann ohne Gefahr zu laufen, dass mich jemand aus dem Dorf sieht und gefangen nimmt. Dann merk ich erst die Kraft in mir, und möchte die ganze Nacht weiterlaufen und auf Berge klettern und in Flüsse springen. Aber das schrieb ich ja schon. Klar sind die Gewässer – so es sie denn gibt – ohnehin nicht. In die Berge kann ich vielleicht wenn wir Ferien haben. Aber das weiß man hier nie. Verplant. Ich möchte eigentlich nicht verplant sagen – das ist doch wieder ein ewiges Urteilen über die ganze Kultur und über die Rolle der Frau und über die Handhabung der Religion.
Handhabung ist ein lustiges Wort dafür. Es ist nämlich ganz oft so, dass ich im Gespräch erfahre, sie (manchmal auch er) schämt sich, dass sie nicht streng nach dem Koran lebt. z.B. doch gerne mal daran denkt, mit einem Mann zusammen zu sein oder sogar die Hand eines solchen gehalten hat. Und auf den Straßen gehen die Männer dann Arm in Arm und Hand in Hand – es hat eben doch jeder Mensch ein natürliches Bedürfnis nach Nähe, woher und wozu diese oktroyierte Geschlechtertrennung?? Ja, sagt man mir dann, und bei euch haben alle Frauen in deinem Alter Kinder – unverheiratet. Das ist nicht ganz wahr, versuch ich mich zu verteidigen, und hier haben sie doch noch früher Kinder. Dafür trennen sich eure Paare immer wieder. Ja, manche schon. Wieso ich denn nicht heiraten will, wenn ich meinen Freund doch liebe. Heiraten, jetzt?

Mich beschleicht wieder einmal das Gefühl, von unserer Kultur, von meiner Religion mehr angetan zu sein. Dabei hat alles seine Plusse und Minüsse (ist es z.B. nicht so, dass die Menschen hier einfach fröhlicher sind im Ganzen?)! Ich arbeite weiter an einem neutralen Standpunkt! Vielleicht pendelt es sich aber auch nicht ein…



(bitte um Korrektur bei Mhz von Plus und Minus)

Freitag, 30. November 2007

Zeit zum Schreiben

Wahrscheinlich war ich wieder ein bisschen übereifrig sentimental. Basheer kommt noch oft zu uns (und ich mach trotzdem zu wenig mit ihm). Andere Leute haben wirkliche Sorgen. Die gehen dann bei all denen umher, die hier von der Hand in den Mund leben, Windschutzscheiben waschen, Chips zu 10 rupien verkaufen, ein Kind auf dem Arm und selber erst 16, sich verstümmelt haben (wie man mir sagt) um betteln zu können, an den Ampeln auf dein Geld warten...

Aber Maria, wenns dir nich gut geht hier, dann geh! Sagt Matthias heute morgen in der Schule. Watt?? Gehen? Daran habe ich kaum gedacht zur Zeit. Ans Unglücklichsein schon. Oder unzufrieden zumindest – denn Unglück muss, wie gesagt, einen anderen Rahmen haben. Ich bin müde. Bewege mich kaum den ganzen Tag – weil das keiner hier tut. Ich lehne mich zurück, werde passiv und es ist, als läge ein Schleier über dem Land und dem Volk. Wie der Nebel am Morgen. So ziehe ich mich auch innerlich zurück, beobachte die Dinge, kommentiere und beurteile sie - in meinem Kopf - wie das mit den Gästen, stelle Fehler fest und fühle mich so klug dabei. Aber agiere nicht. Und mache damit selbst den Fehler. Andere wissen es vielleicht nicht besser, machen nicht alles richtig übergehen und übersehen so manches – aber sie machen es! Das ist es. Das ist vielleicht auch schon das ganze Wahre, was ich immer suche – einfach nur tun. Nicht glauben Missverständnisse zu verstehen und Fehler aufzudecken mit dem eigenen Denken. Und immer nur darin im Kreis gedreht.
Das nagt etwas an mir. Aber es ist ja auch Herbst und Zeit zum Traurigsein. Nur dass mir mein Traurigsein etwas aus dem Boden gestampft vorkommt. Die Sonne scheint hier auf mich und die Kinder rufen meinen Namen (und ich weiß doch schon viele von ihren). Die anderen Lehrerinnen kommen noch später als ich zum Unterricht. Und während ich mit mir unzufrieden bin, weil ich nur das Nötigste vorbereite sind andere mit sich im reinen wenn sie in ihrem Unterricht ihr Motorrad reparieren oder ihre zehn Kinder wickeln (das kommt in der anderen Dorfschule vor). Ich verstehe immer mehr Urdu. Mein Platz in Roshni hat sich nun gefunden und ich bin nicht mehr abgelenkt davon, alles kennenlernen oder verstehen zu wollen/müssen. Leben sollte ich hier und Fröhlichkeit verbreiten, nichts anderes!

Und wieder zu schnell ins Sentimentalsein gestürtzt. Man muss nicht alle Gedanken von sich so ernstnehmen, wenn sie nicht guttuen. Und doch hält man sich daran so gerne fest. Ich versuch sie von mir zu schieben, ganz im Hier und Jetzt zu sein, wie man so hübsch sagt. Anum wohnt jetzt mit mir im Zimmer. Gossa betet doch zu laut in der Nacht. Und Anums Familie zieht in die Stadt. Wenn sie weiter unterrichten will, muss sie hier wohnen. Sie ist mit besseren Gründen traurig: Ihre Familie redet zur Zeit nicht mit ihr, weil sie sich entschieden hat, hier zu sein (wasndasfürnquatsch?!). Und im Dezember hört sie mit Unterrichten auf, wegen ihrem Examen. Was passiert dann mit der 1. Klasse? Aufgabe für Matze und mich? Silke geht bald mit Klara nach Deutschland. Wir werden Weihnachtsferien haben. Ich sollte mehr mit dem neuen Mensch aus Deutschland reden – er ist so froh hier wieder Deutsche zu treffen, weil das doch am ehesten Heimat für ihn war (7 Jahre hat er dort gelebt nachdem er im Afghanistankrieg seine Eltern verloren hatte). Und tue es nicht. Wer weiß, wielange er bleibt. Aber zurück zu dem was ist und was ich tue! ich merke, wie wichtig mir Veränderung ist – im Unterricht, im Roshnileben, in meinem Denken. Vielleicht muss ich nur lernen, anzunehmen, was gerade dran ist und mich darüber zu freuen (könnte ich das auch, wenn es gleichbliebe?). Es ist nicht die Zeit für verflochtene Gedanken. Jetzt ist Zeit zum Schreiben!

Und zum Lycheesafttrinken

Freitag, 23. November 2007

im Blaubeerwald

Mein Unterricht geht in die sechste Woche. Mein Aufenthalt hier in die achte. Ein Tag vergeht nach dem andern ohne dass ich ihn daran hintern könnte (was ich auch nicht wollte). Morgens liegen die Winternebel jetzt so dicht, dass ich aus dem Fensterraus nichts mehr sehe (das Haus bekommt gerade ein Dach). Wenn wir dann in die Schule fahren und der Dunst sich lichtet, erkenne ich zumindest einige Kinder, die mit Blumen auf mich zulaufen. Teacher Maria, teacher Maaria! Du musst gar nichts tun und sie mögen dich einfach. Warum ist das so bei Kindern? Und weil ich jedes einzelne nach und nach so lieb gewinn (nach und nach, weil ich es nicht schaffe, 18 Kinder gleichzeitig zu beachten – und kenn nichtmal alle Namen), fehlt mir oft die notwendige Strenge. Dann fühl ich mich wie Hänschen im Blaubeerwald – mit meinem Korb voll Kreide die an die Tafel gemalt werden will und einem Stimmengewirr von mir unverständlichen Worten, die an meine Ohren wollen. Wenn ich aufhör zu lächeln, verheißungsvoll Stift und Papier nehme um einzelne Namen aufzuschreiben, wird es mucksmäuschenstill. Leider passiert mir das zu selten. Kann ich denn bösen sein, wenn ein Mädchen mich mitten im Unterricht umarmt und tanzen will? Staubtrocken „ber jao!“ sagen und weitermalen?

Einem Jungen hätt ich auch gern mal mehr Aufmerksamkeit gegeben und das ist Basheer (Photo rechts). Er wohnt inzwischen wieder bei seiner Familie, auf der Straße sozusagen. Weil er lange mit den Hannesens zusammengewohnt hat, spricht er Deutsch. Die Sprachbarriere zwischen uns existiert also nicht – welche dann? Es gab bisher erst einen Abend, an dem ich mich ihm widmen konnte (oder er sich mir), da saßen wir in seiner Höhle aus Tüchern und Decken und ich hab ihn Portraitiert. Das war wie eine Fraundschaft. Jetzt sagen wir uns nur in der Schule kurz hallo und er fragt mich immer, wann ich ihm Fotos von ihm in Roshni geben kann. Aber ich komme nicht dazu, sie zu drucken und komme nicht dazu, mit ihm auf Bäume zu klettern - oder es kommt nicht dazu. Und in seinem Grinsen ist immer auch was trauriges.

Die Tage sind also bis zum Rand gefüllt, es wird früh dunkel und nach dem Abendessen gehe ich in die Bäckerei um Server bei den Broten zu helfen (neue Bestellung von der Metro). Wenn ich da bis halb zwölf stehe und mich noch ärger, weil ich die letzte Nacht wieder um vier wachgebetet wurde, und mich ärger, dass ich kaum richtige Zeit für mich habe oder nehme und mich ärger, dass man seinen Ärger hier verbirgt, muss ich mich fragen, wann ich halt sagen würde. Einfach schlafengehen. Ohne die Brote. Aber Server steht dann da bis eins. Ist ja auch nur ein Angestellter. Fast so wie der Nachtwächter, der alle zehn Minuten in die Pfeife pfeifen muss, damit wir wissen, dass er nicht schläft. Und der immer wartende Fahrer (der zudem allerhöchstens mal 60 km/h fahren kann wegs der Straßenbeschaffenheit). Aber vielleicht ist es ganz falsch, Mitleid zu haben – für die ist das alles so normal und wenn man darin aufwächst fragt man sich wahrscheinlich nicht, weshalb der Gärtner das Haus nicht betreten darf. Und wieso wir eigentlich nicht mit ihm reden sollen. Der ewige Gärtner…

Sonntag, 18. November 2007

Wenn einer auf seinen Auftritt wartet

Mein Herz ist so voll. Wie wenn man einen Strauch Rosen vor sich hat und daran riechen kann. Wie eine Schulter zum anlehnen. Und dann ein Kopf, der sich dagegen lehnt. Zurücklehnt sozusagen. Das war mit Anum auf dem Rückweg vom Ladenopening. Heute war ein Abend ganz für mich. Es kam so, dass Roshni in der Stadt einen Laden für die Produkte aus den Werkstätten eröffnet hat. Das war auch schon sehr bewegend und gab mir wieder einen Haufen Denkstoff und geredet wurde viel und sich bedankt, dass die Deutschen hier sind als Gäste, trotz der vielen Warnungen und dass es doch friedlich sei hier – ja, ist es und die Menschen sind freundlich und froh, aber solltet ihr euch nicht lieber bei denen, die das Brot mit den Behinderten backen bedanken und bei denen, die sie täglich waschen? Dann kamen auch schon unsere Blumen vom Minister der Industrie-und Handelskammer. Schuckria. Viele Reden also, anschließend Chai und dann das, weshalb ich heute überhaupt schreibe: Neben dem Laden wohnt eine Zauberhafte Familie. Zauberhaft auch im Sinne von mysteriös, neblig und fast düster. Die Geschwister tragen schwarz, das eine Kapuzenpulli und Jeans, das dritte wiederum ganz konventionell bunt im Chewarcamis. Beim ersten Sehen des zweiten wusste ich nicht, ob es Mann oder Frau ist. Dafür ist das Verhalten von allen aber auch sehr offen und echt. Und es sind Künstler! An der Wand hängen Bilder, die mich an Margritte erinnern, weil sie von Schatten erzählen, die man nicht sehen kann (seit wann können Bilder eigentlich erzählen?). Sie sind von der ältesten Schwester. Die singt und tanzt (und möchte alles über Eurythmie wissen), die andern beiden filmen und lachen – während sie abwechselnd Kinder auf dem Arm haben, von denen ich nicht weiß wer wessen ist. Und der jüngere Bruder spielt Gitarre. Das kann ich aber erst hören, wenn ich wiederkomme, sagt er mir, weil er nicht gern unter so vielen Gästen ist. Versteh ich. Ich zähl die Leute im Raum und komm auf knapp dreißig. Die Mutter aller Kinder, eine Dame gehobenen Alters mit langen grauen Haaren, hat einen Kulturaustauschenen Abend vorgeschlagen. Ein Lied aus Pakistan, eins aus Deutschland. Ein Tanz, ein Film, ein Gespräch über den Inhalt all dieser Dinge und schließlich auch über den Inhalt unseres Lebens und dessen Nichtigkeit angesichts dessen, was danach kommt. Wie wenn einer auf den Bus wartet und denkt, das warten ist schon alles. Dass aber nach dem Tod die Reise erst losgehen soll wollt ich nicht denken und Du wärst ja auch nicht einverstanden gewesen! So hat also an diesem Abend jeder seins gesagt und aufgeführt und Matze und ich (mit guter Dreaghtnutgitarre) haben noch ein kräftiges „we schuv ne ze“ gesungen und alle zusammen haben wir ein Liebeslied in Urdu gesungen und und und. Und das ist, warum ich schreibe, dass es mein Abend war. Wenn jemand einfach nur mit seiner Stimme aus dem Herz raus singt. Oder redet oder wasauchimmer, dann kann es mich fast weinen machen. Wenn sich jemand so richtig mit dem verbinden kann, was er tut. Es hat z.B. auch einer Kalkatta oder wie das heißt getanzt und alles perfekt gekonnt, hat mich aber kaum berührt. Und heute kam eins nach dem andern direkt von den Menschen, die da saßen und sich angeguckt und angelächelt haben und intensivste Kulturtauscher waren. Ich will wieder zu dieser mysteriösen Familie – auch ohne Ladenopening und Gäste – ich will doch noch den Bruder mit der Gitarre hören.

Montag, 12. November 2007

Mosaiksteinchen

11.11.
Puh, heut hab ich die Hefte vergessen und musste mein ganzes Wochenmaterial verbraten um die Kinder bei Laune zu halten. I am a little teapott!! In der 3. Fachstunde kann ich den Unterricht nachbereiten, weil ich da chuti hab („Ferien“). Das ist dann, wie wenn man aus einem Traum aufwacht und versucht, die Bilder wieder hochzuholen: Was haben wir gerade gamacht, worum gings, was ging gut, was ging daneben…

2. mal Lahore. Diesmal mit Bruder und Mann. Die Frauen, mit denen ich im vorderen Teil des Busses sitze, hätten nicht verstanden, dass ich mit zwei Freunden unterwegs bin. Oder sie hätten denken müssen, dass deutsche Frauen immer einen ganzen Harem haben. Ich werde angeguckt, manchmal wird gelächelt. Ich fühl mich auch reingeguckt und mich allein. Lös mich auf und im Hitergrund ständig die Bolywood Filmmusik. Im Vordergrund schaukeln bunte Fähnchen und Plastikblumen. Im Rücken keine Fensterscheiben. Ich greif hinein, um mich zu vergewissern und ernte nur neugierige, offensichtlich verwunderte Blicke von den Frauen (wieso tut sie su?!).
Im nächsten Bus sitze ich auf dem Dach mit Philipp und Matze und vielen vielen Männern, denen ich die Hand nicht geben soll. Man sagt, ich sei die erste Frau, die auf dem Dach mitfährt. Keiner hindert mich daran, dafür sind sie zu höflich. Narrenfreiheit! Ich sehe von hier aus das ganze Leben in den Straßen. Dahinter heulen die Schakale. Es ist so gut, dass ich hier bin. Mal denk ich wieder, warum herkommen – es ist, wie man sich die dritte Welt vorstellt. Lehmhütten und zerrissene Kleider – Nur scheinen die Menschen nicht traurig oder verzweifelt zu sein. Manche vielleicht, denen ich noch nicht begegnet bin. Vielleicht gibt es sogar unfreundliche, die nicht sagen würden thank you for visiting us – darauf warte ich nun seit etwa sechs Wochen.

10.11.
Ich werde gefragt, wie die Leute hier Ausländern begegnen. Gute Frage, ich habe bisher nur einen Chinesen und einen Mensch aus Amerika getroffen. Wir sind Raritäten. Und als solche werden wir auch behandelt! Mit dem bisschen Englisch, das sie können, machen sie uns Komplimente und fragen, wie uns ihr Land gefällt, ob wir uns wohlfühlen. Kurz, ich begegne hier einem Volk, welches sogar die Gastfreundschaft der Esten, Tschechen und Rumänen weit übertrifft. Nur Organisieren kann man nichts. Ein Treffen, ein Ausflug in die Stadt, ein Spaziergang oder gemütliches Chaitrinken wird am besten gleich durchgezogen, ohne voher darüber zu reden.

09.11.
Die Nachbarn, bei denen wir so reich zu Ead gegessen haben, haben einen Sohn, Assad. Heut Nacht warn Matze (den er eingeladen hatte) und ich (die ich mich eingeladen hatte) mit ihm in Lahore essen. Es fing damit an, dass wir nicht wussten, wie wir durch das mannshohe Tor zu seinem Haus kommen sollten. Anklopfen, rufen (was rufen), drüberklettern? Nach einer Weile sind wir drinn – wie üblich ein Getränk und ein Gespräch über Hitler. „I really like Hitler!!“ „Mom, wait!“. Es gibt hier educated und uneducated people (wieder das mit der Hirarchie). Assad gehört zu ersteren. „Is it the case, that many pakistani people like Hitler?“ Und beiß mir während ich das frage auf die Lippe, weil er sich jetzt für seine Mutter rechtfertigen muss. „Well, there’s a lot of hate because of Palästina. But people here don’t know much about it and in any case, our religion forbidds killing! So whats the importance of talking ‘bout Hitler – they all ask you about it whithout knowing anything – it’s the same as when I’m asked about terrorism, whenever they hear that I’m a Pakistani. It’s just stupid!” Der Abend mit Assad war spannend. Es ging viel um Geschichte und Kultur, um Verhütung und Schicksal, aber es war auch eine Menge Spaß dabei (und die richtige Portion Humor ist manchmal sehr hilfreich!), den ich besser nicht aufschreib, denn wenn man nicht hier ist, kann man das alles auch sehr falsch verstehen. Später in der Bar mit H&M Jugendlichen und ich im Chewarcamis. Mit Shisha und sitzen wie man (Frau diesmal auch) will. „It’s fine! I mean, pakistani women would never sit like this (Füße aufm Sofa und so) but you are yourself, you are relaxed, just do as you whish!” Gut, mach ich. Und ich spiel weiter Fußball, auch wenn der Gärtner uns filmt. Ich mag nicht immer nur misstrauisch sein den Menschen gegenüber. Was solls?

Hier wird alles in der Schule gelernte wahr. Oder ich nehm mir zumindest einen Haufen raus davon (muss ja auch nicht alles glauben, was wahr ist). Die colonial encounters (shortstories): A pair of Jeans und good advice is rarer than rupies. Das gibts hier alles. L’Etranger, K&L, Effi Briest (für die es auch ne kleine Revolution war, mit den Männern auszureiten) – es ist doch näher am Leben als ich dachre, wenn ich über den Büchern saß. Sogar die schnulzigen Bollywood und Lollywood (Lahore) Filme werden mit Begeisterung geguckt...

Donnerstag, 8. November 2007

Schnee und Schokolade

Das ham wir hier nicht. Und Rundmails auch nicht. Wie ist es, soll ich was verschicken, wenns auf dem Bloq Neuigkeiten gibt? Und wenn es nur ein kleines Gejammer über die nichtexistene Schokifabrik ist und keine bewegenden tiefen, gehaltvollen Worte? Oder kann man einstellen, wer informiert wird? Wir machen so: wer mir eine mail schickt (leer oder voll, gerne auch dicht) und damit sagt, informiermichwenndugeschriebenhast, der kommt auf die Liste. Hä? Ja, dem mail ich dann eben. Ach nein, das ist Quatsch! Es bleibt wies ist, ihr könnt ja trotzdem mailen oder ganz toll: anrufen (wieistdieaktuellelageinpakistan,Mariaberichtet): 0092425600909, oder - und das wär echt der Hammer - echte Post schicken. Das geht dann so:

Roshni Association (Miss Maria Jacobi),
PoBOX 11073, D.H.A.,
Lahore/Pakistan.

Ich freu mich immer ein Stück von eurem Leben mitzukriegen (und von meinem wieder was mitzuteilen, hähä). Schnee und Schokolade. Schreib und Druckschrift. Und nie wieder drei Stunden am Stück die Dritte Klasse. Ich habe versucht, mit ihnen Hefte einzubinden. Es endete so, dass ich am Nachmittag vor einem Stapel Hefte saß, die lustig durcheinander mit Papier beklebt waren oder auch nicht. So blieben der Waldorfrundbrief und der Musikunterricht für Sikandar auf der Strecke, damit ich basteln konnte...

Mittwoch, 7. November 2007

Zwei weiße Kamele sind zu wenig!!

Es ist zu lieb, was ich als Reaktion auf meinen Blog von einigen immer wieder ganz unerwartet bekomme!! Es werden schon Rundmails gewünscht. Aber die Karten sind gelegt. Es könnte höchstens vorkommen, dass ich doch noch einmal was versende, um auch die beschäftigsten und vergesslichsten in ihrem Alltag daran zu erinnern, dass sie ja nur einen Mausklick vom etwas anderen Alltag der Maria Jacobi entfernt sind. Und um zu sagen, dass ihr euch wirklich nicht sorgen sollt um mich, angesichts unseres „Notstandes“. Es hilft ja doch nichts. Als Deutsche und Ausländer sind wir hier auch am wenigsten gefährdet, sagt man (und sonst sagt man sich nichts über die Lage). Wir halten jedenfalls Augen und Ohren offen – nicht nur wenn wir uns gerade wieder auf dem alten Bazar zwischen Stoffen und Gewürzen verirrt haben.

So, und jetzt ab in die Schule, vielleicht habe ich gleich drei Stunden in der dritten Klasse, weil morgen Iqbalfeiertag ist. Was mach ich nur mit denen?? Die ganze Zeit Verse und Lieder aufsagen geht schon nicht. Schönschreiben. Und ich weiß immer noch nicht, ob Schreib- oder Druckschrift. Schreibschrift. Aber die Klassenlehrerin bringt ihnen nebenher noch Druckbuchstaben bei und versteht nicht, was ich mit cursive handwriting meine. Dafür nickt sie aber immer und lächelt dazu ganz lieb. Das ist ja auch was wert! Aber es ist doch schade, dass der Kontakt mit dem „Kollegium“ (5 Klassenlehrerinnen und Matthias) nicht so läuft, dass man sich über den Unterrichtsstoff verständigen könnte. Jetzt muss ich aber wirklich noch den Waldorfbrief fertigmachen (es ist ja bald Martinibazar) und dann ein paar Stichworte für meinen Unterricht und dann wieder vor den Kinder stehen und Sicherheit ausstrahlen.

Dienstag, 6. November 2007

Lahore

So, wieder im Netz. Das wurde noch nicht gekappt. Diverse Fernsehsender können nicht mehr empfangen werden, unserer englischen Mitarbeiterin wurde von der Botschaft empfohlen, nicht aus dem Haus zu gehen - vorgestern (vorvorgestern?) wurde der Notstand ausgerufen. Was das bedeutet, wissen wir auch nicht. Es kümmert wieder niemanden besonders. Das Leben geht weiter. Keiner fragt, was oben beschlossen wird und warum, keiner macht sich Sorgen oder recherchiert. Also machen wir hier auch weiter. Es heißt in Lahore gibt’s Krawalle – heißt vielleicht Demonstrationen, Streiks. Wir bekommen nichts davon mit. Was wirklich vor sich geht, kann man ja kaum wissen, aber zumindest beobachten, was offiziell in der Politik, im Volk geschieht, das sollte doch selbstverständlich sein, finde ich! Man sagt mir, das gehört auch dazu, dass es eben nicht so ist.
Na gut. Ich dusche morgens kalt. Mit den Schülern komme ich zurecht. Ich kämpfe nicht mehr so sehr mit dem Zweifel, ob es Sinn macht, hier zu sein. Schon hatte ich mir ausgemalt, nach Indien zu juckeln, in die Berge und in die Städte, dann nach Caspar (wo isn das?) – und heute denke ich wieder, wie dumm ich währe, von hier wegzugehen – wie viel ich hier lernen kann, erfahren kann, und in die Tiefe gehen (wie tief sind eigentlich … Tiefen?). Manchmal ist es auch ganz umwerfend schön, wenn die Kinder wieder etwas gelernt haben. Ich weiß wahrscheinlich auch gar nicht, was für ein Wunder es ist, dass ich wirklich hier unterrichten kann, Lehrerin bin. Mir mehr und mehr vorstellen kann, was dieser Beruf bedeutet, der gemäß Marichens-Freunden-und-Bekannten ja zu mir passen würde. Ich glaub das im Moment nicht. So viel Verantwortung…

Aber ich wollte von Lahore schreiben – das ist ja jetzt auch schon wieder her… Lahore ist ein einziges Märchen. Nicht immer und nicht überall, aber in der Altstadt kann man einfach nur staunen und sich darin verlieren, seine Sinne zu benutzen. Jede Ecke riecht anders, jede Straße klingt anders. Hier findet das ganze Leben statt. In den Geschäften, davor und dahinter oder auch darüber in den Moscheen. Die Menschen drängen sich durch enge Straßen, Männer versuchen, mich ja nicht zu berühren, Frauen sagen hingegen hello und how are you und you look so beautifull!! Danke, Du Du bist aber auch sehr schön! Hier herrscht ein anderes Kaufsystem, erklärt mir Philipp, der Märchenerzähler. Eine Straße ist voller Töpfe (auch ganz große, falls ich dann meine zehn Kinder habe), eine andere voller Spielsachen – alles Plastik. Dann kommt die Stoffstraße, in welche sich auch die bunten Armreifen schummeln. Hier klingelt der Eisverkäufer, da der Popcornmann. Ein anderer ruft, dass wir seine Früchte kaufen sollen, die ich doch noch nie in meinem Leben gesehen habe. Man sagt, sie wachsen im Wasser. Ziegeköpfe hängen von oben herunter, hier wird vom Tier alles verwertet, alles gegessen. Es riecht nach Verwesung, aber nicht wegen der Ziegen. Vielleicht eine tote Ratte im Staub. Oder ein Hai. „Frischer Fisch, Frischer Fisch!!“ Dann werden alle Gerüche, auch die, die aus den vollen Gewürzsäcken kommen, übertüncht von den Ölen. Kleine und große Flaschen, kostbare und billige stapeln sich und verstreuen alle möglichen Düfte. Sie erinnern mich an „Das Parfüm“. Ich merke plötzlich, dass ich eine Nase hab. Und Ohren. Und Augen natürlich, aber wenn ich mit denen zu viel um mich guck, verrate ich mich. Dann merken alle, dass ich nicht von hier bin und tuscheln und lächeln mich an und halten mich an. Es ist besser, so zu gehen, also wüsste man wohin, sagt Philipp, dann kann man unsichtbar werden. Und dann einen Sack voll Linsen, Frittiertes Gemüse, einen Kinderblick, ein Streitgespräch, ein Gebet aus dem Lautsprecher einfangen und mit sich nehmen. Alles kann man eh nicht mitkriegen – auch wenn man das manchmal so gerne wollte: alles auf einmal und davon ganz viel. Aber für das neu-gierige Mädchen aus dem Westen ist in diesem Moment alles da in der Altstadt von Lahore.

Dienstag, 30. Oktober 2007

Unterricht

Keine Worte im Blog sind ebenso eine Aussage, wie die vielen vorangegangenen: Ich habe genug zu tun. Jede Stunde und Minute gibt es Dinge, die ich „eigentlich noch machen“ will. Ist ja auch nichts Schlechtes. Das Unterrichten hat begonnen. Und damit die ganze Frage, ob warum und wie ich überhaupt eine Lehrerin sein soll. Vor ein paar Tagen habe ich darüber etwas im Blog geschrieben, wie ihr seht aber wieder verloren. Wie ist es also in der Schule, was mache ich dort? Es gibt ca. 60 Kinder, die auf die Klassen 1 bis 6 verteilt sind, wobei sie eher weniger „verteilt“ sind: die 2. Klasse z.B hat allein schon 20. Diese und die 3. Habe ich in Englisch zu unterrichten. Es ist mein Glück, dass sie alle lesen und schreiben lernen sollen. Damit haben sie etwas arbeitsames zu tun zwischen den vielen Nachsprechgedichten, Liedern und Versen, die ich mit ihnen mach. Ja und eigentlich sollten sie dabei auch zur Ruhe kommen. Tun sie aber nicht. In der dritten Klasse ist das etwas einfacher, die Zweitklässler hauen sich aber - kaum dass ich mich umdreh - wegen der Stifte und Blätter bis einer weint. Oder zwei oder mehr. Manchmal kommt die Klassenlehrerin rein, dann sind alle mucksmäuschenstill. Aber ich kann ja auch bald Urdu!! Kaleho jao, ber jao!


was zum Essen

Schließlich ist die Schule ja auch nicht alles. Wenn ich zurückkomm nach Roshni, ist wieder Leben mit den Betreuten angesagt, essen, spülen, spielen, singen. Und homelessons für Junus und Sikandar. Dann wieder essen. Die Tage gehen – wie gesagt – eher schnell rum (geht es denn darum, dass sie immer nur rumgehen?). Ich mag das Essen inzwischen wirklich – vielleicht auch deshalb, weil ich nie richtig satt werde und mich schon aufs nächste freu. Dabei gibt es sozusagen immer dasselbe. Sozusagen, weil es eben doch verschieden schmeckt. Rootis (so ne art vollkörnige Pfannkuchen) sind schon mal das Grundnahrungsmittel. Dazu gibt es immer ein – weil zu lange gekocht – undefinierbares Gemüse (ich habe gerade das dumme Gefühl, das alles schon einmal geschrieben zu haben), und dazu noch eins. Lady Fingers, Auberginen, Zucchini – schmeckt eh immer ähnlich, auch wegen der schärfe. Nein halt! Wir habendoch noch selbstgemachte Apfelmarmelade. Und Ziegenmilchjoghurt. Das ist wirklich was gutes!! Zum Nachtisch also für die hungrige Maria Rooti+Marmelade+Joghutr+Rooti+Marmelade... Ich wusste gar nicht, wie abwechslungsreich unser Essen in Deutschland ist.

Und das ist auch, wodrüber hier geredet wird: can you give me a rooti, pliiz? Bani (wasser) etc. Alltagssachen. Ist ja auch klar, mit den Betreuten. Aber worauf ich grad hinaus will ist die Teilnahmslosigkeit an der Politik unter den anderen. Von dem Anschlag auf Benazir Budtho oder wie sie heißt haben wir erst über den Newsletter von web.de ein paar Tage später erfahren. Als die Wahlen waren, wussten die Leute gar nicht genau, ob das Parlament oder das Volk gerade wählt. Es hat ja auch niemanden besonders interessiert. Man kann eh nichts ändern. So kümmert sich eben jeder um sein Grundstück und sein Leben (was auch Arbeit genug ist - überleben und so) und wartet ab, was damit passiert. Wahrscheinlich ist es dann auch gottgewollt. Insch Allah. Das ist auch so ne Sache. Ich purzel in diese Religion einfach rein, ohne viel zu wissen. Trage das Kopftuch, wenn das Gebet zu hören ist, oder in der Stadt, wenn die Männer zu sehr gucken – sonst nicht. Und es ist ganz anders, als ich daheim dachte, wenn ich Diskussionen über Kopftuchtragen gehört habe. Ich fühle mich nicht unterdrückt, wenn sich die Männer nicht mit uns an einen Tisch setzen, oder mir nicht die Hand geben. Manches finde ich vielleicht komisch, unverständlich, albern. Aber urteilen über etwas, das ich nicht kenne, wollte ich heute eigentlich noch nicht.

Jedenfalls bin ich bisher nicht gekidnappt worden oder einem Attentat zum Opfer gefallen. Entschuldigt, wenn ich diese Worte hier so lax daherschreibe, aber es macht mir schon viel Gedanken, welches Bild ihr von Pakistan habt und woher das kommt. Was die Medien da machen ist schon der Hammer, Afghanistan isn’t the most dangerous country of the world – Pakistan is! Mir sind bisher nur liebe Menschen begegnet. Ob die gefährlich sind weiß ich in meiner ganzen Naivität nicht zu sagen. Wahrmherzig und Gastfreundlich noch und nöcher sind sie. Offen und zuvorkommend. You're from jermani, a christian? Welcome to our country, We're glad that you visit us - if You need anything pliiz tell us!! Vielleicht sitzen in den Bergen die Dratzieher von allem Unheil, das es gibt. Vielleicht sitzen sie auch ganz woanders. Hier geht nicht jeden Tag eine Bombe hoch. Anderswo auch nicht, aber es kann überall sein. Attentate gabs auch schon in Europa - hab ich gehört. Wisst ihr, was ich meine? Wasauchimmer passiert, ich bin schon schon um der Dinge willen, die ich bisher mitbekommen habe vom Leben hier unendlich froh. Froher noch, weil ich gerade merke, dass man sich durchaus sein eigenes Bild machen kann. Soviel Freundlichkeit und Ruhe und Fröhlichkeit auf einem Haufen habe ich noch selten gefunden. Und keine Angst, ich werd nicht in den unsicheren Nordwesten fahren oder alleine reisen oder mit dem Hausmeister Fußball spielen - reicht ja schon, wenn der Gärtner mit mir auf dem Feld ist (zur Hierarchie unter den Leuten in der nächsten Folge).

Ich habe nun mit manchen von euch durch den Blog wieder Kontakt. Das freut mich! Aber bitte schreibt auch, wenn euch was doof kommt von meinen Worten. Es sind Dinge, die nicht leicht zu beschreiben und Gedanken, die nicht schnell zu greifen sind. Ich kenne nicht viel von der Welt außer mich ein stückweit und das, was ich erlebe, sehe, rieche, schmecke, höre... ...ach ja, der Lahoreausflug (mit Philipp in der Altstadt)! Auch das im nächsten Geschreibe. Nur soviel: es ist wirklich eine ganz unglaubliche Märchenstadt (fast hätte ich mich verkaufen lassen).

Samstag, 20. Oktober 2007

Augen auf

Nach drei Wochen Hiersein, komme ich nun langsam an. Ich habe den ersten Fuß aus dem Flieger gesetzt und versuche gleich zu schauen, wie die Luft schmeckt, alles zu sehen, was ich von hier aus sehen kann. Und ja, man kann wirklich auf sehr verschiedene Weise so etwas erleben. Ich hatte gestern das Gefühl, wenn ich mich richtig oeffne, birgt das ganze Leben hier, die Entscheidung fuer eine laengere Weile zu bleiben (laenger, als ich es in meinem bisherigen hin und her gehoppe tat), viel mehr Tiefen, in die ich gehen koennte. Oder auch nicht. Und gerade habe ich ein bisschen Sorge, an der Oberflaeche zu bleiben (obwohl allein die Zeit, die ich hier sein werde, das verhindert).

Manchmal habe ich geschrieben, dass es mir hier nichts als prima geht, und auch das gehoert zur Oberflaeche. Denn natuerlich muss ich mir auch ernsthaft ueberlegen, was es ausmacht, dass ich hier bin, warum ich hierbin, warum ich bleibe. Ob ich das will und ob es gut ist so. Obwohl es bis auf eins herzlich wenig Anlass zum Zweifeln gibt! Ich will ja auch eigentlich mal alles deutsche Denken ueber Bord werfen. In einer Welt leben, die mir eben nicht gehoert und nicht mich aergern muessen, wenn ich den Ellbogen beim Autofahren nicht aus dem Fenster, wenn ich nicht neben dem Fahrer sitzen, nicht selber fahren darf. Manchmal komme ich mir vor, wie so ein Kolonialherr. Ich meine die Denkstrukturen der Leute hier zu durchblicken und bastel in mir schon gleich einen Verbesserungsplan. Ich bin der Religion gegenueber verschlossen und finde manches davon Quatsch, ohne den Hintergrund dieser Kultur zu kennen. Ich glaube dass die ganze Bildung den Menschen hier verschlossen bleibt, bloß weil ich im Gespräch mit Anum merke, dass sie am Himmel keine Sternbilder sieht oder kennt oder weiß was das ist. Vielleicht weiß sie es ja auch!

Dann die Blicke der Männer. Die anderen Mädels ziehn in der Stadt das Tuch uebern Kopf und gucken boese. Ich will doch die Menschen anlaecheln und wie daheim mich an den Reaktionen freuen. Ich will nicht muerrisch gucken muessen. Und wenn ich dann doch so gucke und immer noch in die Augen, muss ich mich fragen, ob ich ueberhaupt das Recht habe, den Blick so lange zu halten wie die Maenner. Ist ja nicht meine Kultur! Aber woher kommt dann deren Recht? Wieder etwas zum Thema Menschenwuerde, aber das ist jetzt nicht anderzeit.

Jetzt sind Eselskarren an der Zeit und unreife Papayas. Ein Haufen Missverstaendnisse und viel an-Lachen. Neues sich-verstehen, auch mit etwas anderem Englisch. Von jedem Baji („Schwester“) genannt werden. 2 Euro zahlen wenn man sieben Leute zum Essen einladen will und ein einziger dreckiger Fluss. Am Himmel keine Wolken – dafuer taeglich staubig-gluehende Sonnenuntergaenge. Heute habe ich sie auch mal aufgehen sehen. Morgen faengt mein Unterricht an.

Sonntag, 14. Oktober 2007

Botschafter

Gestern wurde der Mond gesehen, heute wird Eid gefeiert. Der Fastenmonat Ramadan wird mit einem großen Fest beendet, und es darf wieder bei Tageslicht gegessen werden. Wenn die Männer morgens vom Beten zurueckkommen, umarmt man (und Frau!) sich dreimal und wuenscht sich Eid mubarik und wir Praktikanten fragen uns, ob die Leute dann ein Jahr lang auf die naechste Umarmung warten muessen.. Nach dem Fruehstück (es gibt zur Feier des Tages Nudeln in Milch und keine Bratas – aber zum Essen komme ich ein andermal) gehen wir Kaninchens Verwandten-und-Bekannten besuchen (nein, Kaninchen ist doch aus Winni the Poo).

Bei Anum
Ich finde mich wieder in Anams Haus, wo ich mich vor ein paar Tagen so dreist selbst eingeladen hatte. Es ist schoen, sie wiederzusehen und wir sind auch gleich mitten im Reden. Aber diesmal weiß ich wirklich nicht, was ich sie fragen darf. Sie erzaehlt, dass ihre Eltern und die Eltern irgendeines Mannes, an dem sie kein Interesse hat, miteinander so Agreements machen und ich weiß nicht, ob sie verheiratet wird, ohne es zu wollen und ich glaub, sie weiß es gerade auch nicht. Eigentlich hat sie gesagt, sie ist zu jung, aber zaehlt das fuer die Eltern? Nach und nach kommen immer mehr Cousins und Onkelse und Geschwister herein. Manche geben uns die Hand, manche schauen an uns Frauen vorbei. Eid mubarik.
Bei Kaptain Sirajul-din,
Das Essen fuer uns neun Ueberraschungsbesucher ist schnell gerichtet. Nach ein wenig Esserei und Plauderei komme ich aus einer art Stand-by modus heraus (der vor allem Wetterbedingt ist): Der alte Mann, bei dem wir uns hier eingeladen haben erzaehlt von seiner Zeit bei der Marine und von der Teilung Indiens und Pakistans. Die Leute, sagt er, wollten ein Gebiet fuer die Muslimische Bevoelkerung Indiens und eines fuer die Hindus. Nach und nach. Als aber ploetzlich von oben die Teilung kam, musste die Familie (er wohnte damals ca. 2 Stunden von Lahore entfernt) innerhalb von wenigen Minuten ihr Haus verlassen und in Langen Konvois gen Westen fahren. Ich kann ihm nicht immer ganz folgen, mein Englisch und meine Konzentration reichen nicht aus. Er spricht davon, dass Pakistan heute in keinem guten Zustand ist. Vor allem der Politik wegen. Ploetzlich fragt er, was ich dazu denke. Ich muss ueberlegen. „I’m not shure, for I haven’t seen very much of this country jet!“ und ich weiß wirklich zu wenig um mir anzumaßen irgendetwas zum Zustand Pakistans zu sagen. Er freut sich und meint, ich gäbe einen klugen Diplomaten ab.
Als wir gehen, legt mir der Kaptain die Hand auf den Kopf und gibt uns seinen Segen mit. „Nothing will change as long as we don’t stand up... Thank you for being here for You didn’t come for profit but to bring something in our country You can teach us. God would be pleased with you!” Gott? Mein Gott also auch?! Mich erinnert dieser Besuch an einen schoenen Satz, den ich ganz zu Anfang von Shahida gehoert hatte: Jeder von uns ist Botschafter seines eigenen Landes. Eid Mubarik

Bei den Nachbarn
Nun moechte ich eigentlich nur das Photo einfuegen und erwaehnen, dass wir auch hier nicht voher angemeldet waren. Aber zu Eid ist der Tisch anscheinend ueberall gedeckt. Ueberall, wo ein bisschen oder wie hier ein bisschen zu viel Geld vorhanden ist. Eid Mubarik auch euch!

Der Abend endet komisch. Nach dem Essen stehen die Leute hier plötzlich auf und gehen. Wir Deutschen sitzen noch versonnen am Tisch, essen hin und wieder eine Praline oder eins von diesen komischen sueßen Teilen und reden und gucken und staunen. Als wir von besagten Nachbarn heimkommen, machen uns die Tiere zu schaffen: Die Ziege, die gestern geboren wurde stirbt vielleicht morgen wieder – so wie die, die zwei tage voher kam. Eins der Hundewelpen ist bis zu den Innereien durchwurmt und wir koennen ihm nicht helfen, die Mäuse muessen wir eh erschlagen, die Katzenbabys zeigen sich nicht, die Gänse sind abgehauen, die Cipchigis sind unerwuenscht (auch wenn ich sie huebsch finde), die Fledermäuse kriegen wir nicht, Frösche im Haus werden seltener, Muecken stören. Gleich setze ich mich wieder mit zwei drei Liedern, die nach der Roentgenaufnahme am Flughafen noch auf meinem (nein Deinem) Mp3 player geblieben sind aufs Dach, wo ich ziemlich ganz fuer mich bin und guck in die Sterne und ueberhoer die Lautsprecher und lass mich stechen. Ein Stückchen Regelmäßigkeit am Tag, das ich mir hier gebastelt habe.

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Fußball geht!!!!

Es zerreissen zwar die schoenen Kleider dabei, die ihr auf den Bildern seht, aber sonst haelt mich nichts davon ab, mit den Jungs hier Fußball zu spielen (und ein paar praktische Kleider hab ich ja auch von daheim). Endlich wieder Sport. Das ist so verdammt wichtig eigentlich. Sich auspowern, schwitzen, rumrennen, Kopf aus tanzen!!

Gestern war ich bei Anam (der 19 jährigen 1. Klasslehrerin) daheim und sie hat auch gesagt, dass Frauen hier eigentlich keinen Sport machen. Auch Musik ist eher selten. Sie hat mit großen Augen einige Töne auf der Blockfloete von mir gelernt ("Is it an Instrument which is very hard to learn?"). Und ueber Frauen haben wir viel geredet. Ein bisschen auch ueber Maenner. Aber was kann ich sie fragen? Ob sie nein sagen darf, wenn einer sie heiraten will? Wir sind sehr offen zueinander, und es kommt mehr beim Reden rum, als ich dachte. Einfach fragen! und ein bisschen sensibel sein. Sie will von Zivi/Bund alles wissen - wie das bei uns ist und warum. Als ich mit den Weltkriegen anfange muss ich erstmal ueberlegen, ob ihr das ein Begriff ist. Einfach fragen! Natuerlich weiß sie, was da war. Und Sie sagt am Ende jedes Themas "It's a question of education". Ich bin froh, sie als "Leherrkollegin" und Freundin kennenzulernen.

Es ist spaet. Ich koennte noch viel schreiben, vom Beten mit den vielen Frauen und wie sie uns alle gedrueckt und geweint haben, nachdem Shahida von Roshni erzaehlt hatte und dass sie sich zuerst das Recht unter den Menschen erfuellen will und dann das Gesetz Gottes. Ich bin nach wie vor sehr beeindruckt von dieser Arbeit hier. Aber es ist spaet habe ich ja gesagt. Ich mag doch Caspar noch anrufen und es ist schon ein paar stunden her, dass ich ueber die Wiese einem Ball hinterhergerannt bin, bis ich zum Haftari-essen geholt wurde, weil die Sonne am staubigen Himmel schon untergegangen war.

Fuer heute: Schabbachel (oder wie man das auch immer schreibt)

Mittwoch, 10. Oktober 2007

Sodelidodeli, die ersten Bilder.... rechts von mir: Helen, die hier mit den Behinderten hier arbeitet.
Unerlässlich: das typische Volunteerbild... Die Kleinen sind ganz stolz, fotographiert zu werden. manche.
Das sind die drei Jungs vpn Shahida und Helmut. dem ältesten bringe ich Gitarre bei und bald gibts auch home lessons in Mathe und so, da sie in der Schule unterfordert sind.

Tut mir leid, dass ich zur Zeit wenig schreibe, Internet ist bissl schwierig. Ich denk an euch (ist ja auch was) und vielleicht morgen mehr. Es geht mir jedenfalls immernoch prima :)

Freitag, 5. Oktober 2007

Handstand

Eigentlich ist meine Internet Zeit zuende. Das sagt die Uhrzeit, das sagen die Muecken, das sagen mir die lauten Lautsprecher von der Moschee gegenueber, in denen die Gebete langsam so monoton werden, dass man meint sie hoeren irgendwann auch auf.

Ich habs vergeigt und niemandem von Euch gemailt, weil mein ganzes Geschreibe Caspar gilt und galt - werimmer das nun wieder ist... Aber wirklich, wenn ich schreiben will weiß ich gar nicht wem und wo anfangen. Andrea, Ron, Lara und Moena Gross, Bene (gibts da noch was zu erzaehlen..?), der BZ, Dir, der Familie (meiner Schwester die vielleicht noch in Indien ist), Sini, Benja bzw. Zeitung, Muri und Bertil, deren umwerfende Einladung ich so niedertraechtig verschmaete...
Das beste ist, ihr schreibt mir einfach, wenn ihr Zeit und Lust zum Wortetauschen habt zwischen Pc und Leben, dann schreib ich gern zurueck!!
Ich denke oft an alles daheim, aber zum glueck auch an das was hier ist, deshalb versuche ich (wenn sich das mit den Photos schon so hinzieht) nochmal ein Bild zu vermitteln:
Ich wohne in einer Wohngemeinschaft von etwa acht Betreuten (Behinderten wie man auch sagt), zwei Betreuern, der Familie Hannesen (die das hier gegruendet haben) und ein paar anderen deren Aufgabe ich noch nicht ganz verstehe, in einem großen Backsteinhaus am Rande vom Lahore. Tagsueber kommen etwa 40 Betreute um in einem weitern Backsteinhaus mir weiteren Betreuern sinnvolle Dinge zu tun, zu arbeiten. Naehen, Backen, Holzarbeit usw. Dann gibt es, wenn man sich einige hundert Meter hinfahren laesst, noch eine Waldorfschule, die zu Roshni gehoert (mit etwa 60 "normalen" Kindern, Klassen 1 bia 5). Wenn ich vorhin schon von Aufgabe gesprochen habe: meine habe ich hier auch noch nicht so ganz klar gekriegt und das muss ich erstmal alleine machen (Shahida hat wirklich genug zu tun, fuer Helly: Vendana Shiva vielleicht). Immerhin scheint es so als sollte ich in der Schule arbeiten. Wenn der Ramadan zuende ist, bekomme ich vielleicht sowas wie einen Stundenplan und kann mich dann auch darauf vorbereiten, ploetzlich vor 10 bis 20 kleinen Kindern zu stehen, die mit großen schwarzen Augen erwarten, dass ich sie unterhalte in einer Sprache, die sie nicht verstehen. Wenn ich eine Klasse betrete, geht der Lehrer zu Seite und laesst mich tun was ich will. Als Europaeer wirst Du hier echt komisch uebergeordnet. So ein Quatsch!! Naja, ich werde mich schon reinfinden, da bin ich ganz optimistisch. spaetestens wenn Eid (Fest am Ende des Ramadan - groeßenmaeßig wie unser Weihnachten vielleicht) rum ist.
Ansonsten habe ich hier viel Zeit und kann nur als Frau leider nicht sagen tschuess, ich geh mal eben spazieren - sondern lebe eben zwischen und in diesen beiden Gebäuden und den vielen Menschen hier. Aber es gibt noch genug zu entdecken und die Tage sind recht kurzweilig. Heute habe ich meine ersten Kleider genaeht bekommen, mit Stoff, den ich in Lahore ausgesucht habe. Wenn wir dafuer in die Stadt fahren (ca. eine halbe Stunde von hier), dann zieht man sich schon gerne das Tuch ueber die Haare, welches sonst um Schultern und Brust liegt um nicht mit etwaigen Reizen zu spielen. Ich mag die Kleider hier. Ich mag auch den Respekt und die Freunlichkeit, die mir hier entgegenkommt. Ich wuerde nur gerne auch mal wieder etwas unnatuerliches (was fuer mich das natuerlichste ist) tun. Bloedsinn machen. Handstand oder so.

Donnerstag, 4. Oktober 2007

Vor deinem Fenster ist eine Baustelle

...aber ich hoffe, das macht Dir nichts! Nein, das macht mir nix. Wenn ich aufwache und rausschaue, dann stehen sie dort schon mit ihren weißen Gewändern + Turban tief in der Erde und graben fuer das Fundament eines großen Gebäudes. Alles von Hand. Auch mittags, wenn die Sonne ca. 30 Grad macht. Nur Nachts nicht, da hoer ich sie dann in der Moschee neben der Baustelle beten - denn es ist ja Ramadan und da gehts um 3 h morgens richtig los mit Beten und essen...

Verhaeltnismaeßig zur Arbeitsweise (einer graebt, andre beten) geht es wirklich schnell voran vor meinem Fenster. Und "Baustellenlaerm" gibt es da auch nicht. Es ist ganz komisch, an die Bagger und Kraene von daheim zu denken wenn ich aus dem Fenster schaue und diese (koerperlich) harte Arbeit sehe...

Dienstag, 2. Oktober 2007

angekommen

Vom Flughafen holen mich fuenf Menschen ab. Der Sicherheit wegen sagen sie. alle laecheln und sind von Anfang an total lieb zu mir. Ich bin jetzt seit einem Tag in Roshni und komme aus dem Staunen nicht heraus. Morgen werde ich versuchen, Bilder in den Blog zu stellen, aber Internet ist Mangelwahre. Deshalb nur soviel: es geht mir wirklich gut und ich freue mich auf alles, was kommt! Morgen gehts erstmal in die Schule, dann muss ich mein Englisch meine Lieder und die Kreativität (Basteln) wieder herauskramen. Das Essen, die Menschen, das Haus - alles was ich bisher gesehen habe ist fremd, gleichzeitig aber auch nicht unvertraut. ich hab noch nicht die Worte dazu, fuer heute ersteinmal: wunderschoen.

Sonntag, 30. September 2007

Flughaefen

Frankfurt Flughafen. Irgendwie steht hier ein Laptop mit Internet, ohne Geld zu wollen. aber dafuer macht er auch lauter Quatsch. Ich schreibe lieber nur wenig... Ich sollte meinen Blog so machen, dass man versteht, um was es geht, hab ich gehoert. Na gut. Ich hab an der Waldorfschule Schopfheim dieses Jahr Abi gemacht und geh jetzt von Oktober bis März nach Pakistan, um dort ein Praktikum an einer kleinen Schule/Camphillgemeinschaft zu machen. Dort werde ich - wenn es gut läuft - mit den Kleinen Englisch und Kunst machen, d.h. malen, basteln, singen etc. Wie die Arbeit dort genau aussieht weiß ich noch nicht. warum ich das mach? weil ich vielleicht Lehrerrin weden will?! Weil ich an meinem Weltbild bastel? weil ich (meine) Grenzen kennenlernen will? Vielleicht. Aber eigentlich eher um... hm... Weil der Kontrast erst sichtbar macht, wuerde Phillip sagen. Wieder sowas unverständliches. Aber mal ehrlich, es ist wirklich nicht so interessant, was ich mach, oder was die "Gruende" dafuer sind. Ich wuerd lieber wissen, was ich erlebe, wies mir dabei geht. z.b. Flughafenkontrollen und aufgeschlossene Inderinnen, die mit mir fliegen. Muede sein vom Leute verabschieden und muede vom so viele Menschen auf einmal sehen. Kurz vorm Abflug und jetzt erst realisieren, dass es wirklich geht (das Ticket kam am Freitag,Versicherung Samstag, heute fliege ich). Soviel fuer heute, danke fuer alle lieben Wuensche von Euch gestern!!

Dubai. Die haelfte der 15 Wartestunden sind etwa rum. Aber was heisst es schon zu warten. Fuer mich bedeutet es, ganz unerwartet eine menge Zeit zu haben, mit der man vieles tun kann. Hier laufen wirklich die Scheiche umher, wie mir gesagt wurde und alles ist bunt und durcheinander. aber auch ruhig: viele schlafen am Boden, sitzen da in ihren schoenen Stoffen, warten. Nur bei einigen wenigen, da gehen die Stoffe bis ueber die Nase und sind schon nicht mehr schoen, sondern schwarz und schwer. Ich kann mich in diese Frauen nicht reinversetzen, aber ich finde es traurig, das Gesicht - was doch so wichtig ist am Menschen - verhuellen zu muessen...

Dienstag, 25. September 2007

Der Hammer!!

Ich komme aus dem Basislager, Karlsruhe Mitte (wo ich ein Moskitonetz und giftiges mückenspray gekauft habe), schlender durch die Straßen und ueberlege, an was ich noch denken muss bis Sonntag. Heute morgen hab ich den Flug gebucht. Warum jetzt schon? Warum später. In Dornach wird es noch viele Tagungen geben, in Artaban und Free und Regiogeld hab ich kaum noch Verantwortung und so sehe ich euch und Dich auch frueher wieder.

Effect insurance hab ich gesagt. genau, versichern muss ich mich!! Neben mir ein Reisebüro, ich werd reingezogen, setz mich, höre dass ich einen Versicherungsmakler vor mir hab. Sein Geburtstag heute, andauernd das Telephon. Als ich ihm meine Lage schilder schaut er auf, lacht, schaut mich an, schuettelt den Kopf und murmelt "der Hammer!!" ... "das ist mutig"...."gut gut gut" ....."Junge Leute sollten viel mehr Unterstützung bekommen." usw.
Nach einer knappen Stunde bin ich versichert.

Es ist so verrueckt, wie die Leute reagieren. Auch wenn ich schon gar kein Bock mehr hab auf die Frage zu antworten "und, was machst du jetzt eigentlich?", lohnt es sich immer wieder.
Ich bin froh, jetz zu gehen. Jetzt, wo ich mich hier richtig wohl fuehle, viele Dinge habe, die ich gern tun wuerde, viele von euch, die ich gerne mal laenger sehen wuerde. Aber ich weiß auch, dass dieser Zustand nur davon abhaengt, dass ich eben nicht bleibe. Wuerde ich das Jahr und den Tag hier weitervertun (ohne konkrete Vorstellung von näherer und fernerer Zukunft), waer ich bald unzufrieden, unausgefuellt, koennte das nicht schaetzen, was ich hier "daheim" alles habe. Weist Du, was ich mein? hm...

Ich weiß nicht, wie es dort mit Internet ist, wann ich wieder schreibe. Am Sonntag fleig ich, am Samstag verabschied ich mich gebuehrend von allen die abends in mein geliebtes Free Cinema und dann etwas spaeter in die Hans-Vetter-Str. 12 zur Gnujo kommen. Das wird jedenfalls der Hammer : )

Freitag, 21. September 2007

For You have waited so long...

I sent one of these hatered mass-mails to all of You, hopefully that it will be the only one and that you aren't disappointed for I didn't wirte something more personal...
the header of this mail says "Dawn of my journey", which means - outside the grammar - that I'm going to book my flight right now, effect insurance etc. - preparing everything and me for six months Pakistan, working in a small waldorf-school (www.roshni.org.pk), living in a muslim counry, knowing at the beginning no one but me (which is questionable as well).

Phonecall with the ambassador of Pakistan: "This is Maria Jacobi. I must know what's the matter with my Visum!!" (wide wide interval) "ok, I'll post it today - for you have waited so long..." Thank You.

Mittwoch, 19. September 2007

Nach der Schule, vor der Reise

Selten habe ich bisher so viel im Jetzt leben koennen wie heute. Ich habe fast das Gefühl, das erste Mal in meinem Leben steht die Gegenwart im Vordergrund, da Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen nebenherfließen und mich eher selten beanspruchen. Mit dem Abi hat auch eine gewisse Art zu denken in mir aufgehoert, die immer von mir erwartet hat, den Tag moeglichst effektiv zu nutzen, alles zu tun, was kraeftemaeßig geht und wenn ich schon in in der Schule bin, dann aber richtig! Vor mir liegt nun auf lange Monate (wahrscheinlich 6) ausgebreitet die Reise nach Pakistan. Liegt also da und braucht mich bisher nur fuer organisatorisches. Im Moment folgt ein Tag auf den naechsten, ohne dass ich weiß, ohne dass ich wissen muss, wie er verläuft, was kommt. Und es kommt viel mehr als ich erwarte, solange ich die Freiheit habe alles zuzulassen, was JETZT dran ist.