Donnerstag, 12. April 2012

Meine letzten 10 Rupees

Schnelle glatte Straßen, leichte verständliche Unterhaltungen, Obst und Gemüse. Ich bin wieder daheim. Und Berlin fühlt sich schon wie ein Zuhause an. Nur bin ich mir nicht sicher, wie ich eigentlich war, als ich gegangen bin, welche Maria die Leute kennen. Es ist viel schwieriger, zurückzukommen, als zu gehen. Mein Kopf ist noch voller Bilder von Indien, mein Herz noch in den Bergen Nordpakistans. Wo war das Pferd, mit dem Zo kommen und mich davon abhalten sollte in den Flieger zu steigen? Als niemand kam, drückte ich dem Taxifahrer mein letztes Geld in die Hand. Ich hatte 10 Rupees zu wenig und er gab mir 10 zurück - als Erinnerung. Dann fragte er nach meiner Nummer. Ich habe keine Nummer. Ich habe nur ein Lied in den Ohren. Ein Lied, das mich an Hunza erinnert. Mir kommt dieser Ort plötzlich so fern und märchenhaft vor und ich kann meine eigene Geschichte nicht ganz glauben. Das Gepäck ist abgegeben, das Flugticket in meiner Hand - ein Fensterplatz immerhin. Ich checke ein und reise aus. Je näher ich Deutschland komme, desto verwunderter bin ich. Es sieht alles danach aus, als würde ich wirklich heimgehen, denke ich beim Umsteigen in Istanbul. Und jetzt, wo ich tatsächlich da bin, verstehe ich es noch weniger. Was mache ich hier? Wieso spricht keiner mehr Urdu? Wieso guckt mich keiner an? Ach so, weil ich aussehe, wie alle anderen auch. Hier gehöre ich anscheinend hin. Also gehe ich wieder in die Uni, bereite meine Bachelorarbeit vor und versuche die Reise so gut es geht bei mir zu behalten. Heute war ich dafür in einem Kurs über Frauen in Pakistan. Das ist wie das Buch zum Film, die Theorie zur Praxis. Gleichzeitig lese ich Nachrichten über Gilgit: 14 Tote letzte Woche und Ausgehverbot über der ganzen Stadt. 120 Ausländer wurden ausgeflogen, darunter 2 Deutsche, vielleicht weiß ich auch wer. Es ist nicht nur, dass die Nachrichten ein schlechtes Bild von Pakistan zeichnen - es passieren tatsächlich schlechte Dinge dort. Das tut mir so leid für die Leute. Sie sagten mir, sie warten nur auf friedliche Zeiten - aber es geht immer weiter. Zum Glück habe ich davon außer der angespannten Situation in Gilgit nichts mitbekommen. Mein Bild von Pakistan ist immernoch das blühende Hunzatal, die unzähligen Essenseinladungen, das Urdu, die Unbeschwertheit, das ständige Willkommenheißen und das viele Lachen. Den Lonely Planet, meinen Reiseführer, habe ich lediglich gebraucht, um nachzuschlagen, wo ich überall war. Der Rest war Pakistanische (/Indische) Gastfreundschaft und Herzlichkeit.

Dienstag, 3. April 2012

Dilli

Auf der einen Seite warten Lasterweise Steine, auf der anderen Hühnerfutter. Drei Schritte hinter der Grenze spreche ich ploetzlich wieder Hindi - obwohl sich nichts veraendert hat. Ich muss nur "Assalamu'alaikum" durch "Namaste" und "shukriya" mit "dhuniavat" ersetzen, schon bekomme ich das bekannte "you speak Hindi very well" als Antwort. Diese beiden Länder... Ich habe Lativ vorher tschüss gesagt und den ganzen Officers mit ihren neugierigen aber immernoch scheuen Blicken. Meine bisher größte Sorge, der doppelte Eintritt nach Indien war kein Problem. Stempel hier, Stempel da, fertig. Jetzt bin ich drüben und werde wieder ganz offensiv angequatscht. Madam you like? 50 Rupees - only for you! Ich vermisse Pakistan auf einmal. Aber ich sehe auch wieder Frauen auf der Strasse - autofahren und Roller. Ein Mädchen fährt Fahrrad und ich bin ein bisschen stolz auf sie. Man muss dazusagen, dass die sportlichste Frau, die ich in Pakistan getroffen habe (eine echte Sportlehrerin), sich nicht getraut hat, draußen Fahrrad zu fahren, weil keine Frau das macht und sie meint, die Maenner wuerden sie anhalten. Nach all diesen Erlebnissen ist es eine echte Freude fuer mich, all die huebschen kecken Maedels da draußen zu sehen. Ein ganzes Drittel der Delhi'schen Metro ist fuer Frauen reserviert. Ach ja, Ubahnfahren in Delhi! Hier ist die versprochene Geschichte:

Ersteinmal werden wie auf dem Flughafen alle Leute abgetastet und die Handtaschen durchleuchtet. Dann gelangt man mit einem coolen Kartensystem auf den Bahnsteig, wo die Leute schon in kleinen Schlangen anstehen, fuer die naechste Bahn. Völlig ordentlich, könnte man meinen. Doch kaum dass der Zug hält, löst sich die ganze Ordnung auf und man muss seine Ellebogen einsetzen, um einen Weg in die Bahn zu finden. Dort sind dann im Handumdrehen alle Plätze besetzt. Wenn jemand aufsteht, sitzt im selben Moment schon jemand anderes da, der anscheinend auf genau diesen Platz gewartet hat. Doch weil ich Frau bin und oft die einzige Bleiche im Zug, werden mir staendig die sonst so begehrten Plaetze angeboten. Ich stehe aber gerne. Dann muss ich nur aufpassen, dass mir die Maenner nicht zu sehr auf die Pelle ruecken, was in Indien öfter mal passiert. Deshalb geh ich lieber ins Frauen Abteil. Dort sind die Sitze ausdrücklich fuer Alte, Frauen und Behinderte reserviert. Eine nette Gruppe. Schilder und Lautsprecheransagen weisen darauf hin, nicht auf dem Boden zu sitzen, nicht zu spucken und verdaechtige Gegenstaende wie Brieftaschen, Thermoskannen und Spielsachen nicht anzufassen, weil es Bomben sein koennten. Beim Aussteigen stehen dann rechts und links zwei Officer, die Acht geben, dass die einsteigenden Maenner den Frauen genug Platz zum Aussteigen lassen, bevor das Gedränge und Platzgesuche wieder von vorne losgeht.

Ich bin also wieder in Delhi, rechtzeitig einen Tag vor meinem Abflug. Da ist wieder der Balkon, da ist die suesse Luft und da sind wieder die lauten Fahrradverkaufer. Ein Franzose hat mich von der Grenze bis hierher mitgenommen und mein Sprachenhirn hat sich gewunden vor Qual, als ich vergeblich versucht habe, französisch zu sprechen. Gerade war ich in Urdu so weit, dass ich auch Randunterhaltungen mitbekommen konnte, aber wielange hält das an? Kann man immer nur zwei Sprachen auf einmal, oder drei? Ich will auf jedenfall weiterlernen! Nach einem etwas sang- und klanglosen Geburtstag in Pakistan bin ich ploetzlich 25 geworden. Da macht sich ein Maedchen Gedanken, wuerde Helly sagen. In meinen Emails habe ich dafür ganz brauchbare Wünsche gefunden, darunter: "tütenweise frische Neugier", "intensive Begegnungen" und "das kleine Glueck am Strassenrand". Ich freu mich auf Zuhause, auf Obst und Gemuese, unfrittiertes Essen, Sommeranfang und darauf, mit Männern wieder sprechen zu können, ohne darueber nachdenken zu müssen, ob wir nicht vielleicht bald heiraten sollten.

Sonntag, 1. April 2012

Shopping-wopping

Wie ein kleines Voegelchen erschien das Flugzeug ploetzlich zwischen den Bergen, flog ein zwei Schleifen und setzte sich auf der kurzen Landebahn von Gilgit nieder. Ich stand zuvor im Rosengarten und fragte den Officer voller Erwartung: "Von wo wird es kommen, kann man es sehen?", "Es kommt von dort, aber es ist schwer zu sehen!", "Warum?", "Weil es nur 2 mal im Monat fliegt, haha". Awawa. Awawa ist Burushewski und heisst so viel wie "ja ja", oder "sicherlich" und wird sorgsam in jede Konversation eingestreut. Genauso wie chai-shai, pani-wani oder shopping-wopping. Das ist grossartig: man kann an jedes Wort eine Wiederholung mit m, w oder sh anhaengen und macht dadurch die ganze Unterhaltung fluessiger und niedlicher. So als wuerden wir staendig Tuete-shuete und Muetze-wuetze sagen. Zum Glueck wird auch in den Bergen Urdu gesprochen. Ueberhaupt ist in den Bergen alles in Ordnung - zumindest hinter Gilgit. Gilgit war durch den Streik und die vielen Waffen etwas ungemuetlich geworden und ich war froh, als das Flugzeug an diesem dritten Morgen endlich anzwitscherte. Auch wenn ich mich dafuer von Zohaib verabschieden musste. Doch auf den Strassen Gilgits kann man sich ohnehin nicht groß verabschieden und so fand ich mich im Handumdrehen wieder auf meinem linken Fensterplatz, auf den ich so lange gewartet hatte. Und dann wusste ich, warum das alles so wetterabhaengig gemacht wird: vor der Landebahn ist eine Felswand. Das Flugzeug, das ohnehin schon winzig ist, muss superschnell beschleunigen und flitzt wie ein abgeschossener Pfeil los. Sogleich wird gewendet und am Berg entlang aus dem Tal geflogen. Dann kommen die hohen Schneelandschaften und wir sind auf Augenhoehe mit den 7000ern. Eis, soweit mein Auge sieht. Hier koennte man wie wild snowboarden! Nur ein Berg steht ueber allen wie ein Koenig - das muss Nanga sein. Ich will zurueck und noch einmal vorbeifliegen. Aber schon fliegen wir ueber Felder und Doerfer und setzen zum Landen in Islamabad an. Ein Bus bringt mich nach Lahore, ich bin wieder im lachenden Punjab, im Altstadtgewimmel, 2 Naechte im Regal-Inn mit Miri und schliesslich zurueck in Roshni um auch hier auf Wiedersehen zu sagen.