Dienstag, 24. Mai 2016

Islamabad اسلام آباد

Pakistan ist, wie sonst auch, friedlicher als gedacht. Als ich ueber die Grenze komme, von Amritsar nach Lahore, umgibt mich eine angenehme Ruhe, unglaubliche Hitze und die gewohnte respektvolle Begruesseung. Ich sage "Va aleikum assalam" und bin sehr gluecklich, meinen Fuss (wieder) auf dieses Stueck Erde zu setzen. It has been four years. Wenn ich alle vier Jahre nach Pakistan gehe, kann ich immerhin dieselben Saetze verwenden, die ich hier schon gelernt habe.

In Lahore wechsel ich Geld, zusammen mit Farhan aus Nepal, der mit mir ueber die Grenze gegangen ist. Den Bucheintraegen zufolge waren es nur eine Handvoll Leute an dem Tag, die die Grenze passiert haben. Ich glaube es immer wieder nicht: die einzige Grenze zwischen diesen beiden Laendern wird von den insgesamt 1400 mio Einwohnern beider Laender kaum genutzt. Nur nachmittag um fuenf, wenn die beruehmte Borderclosing Ceremony ist, wo die Soldaten auf und ab gehen in ihren Uniformen und zeigen, wer staerker ist. Von Indischer Seite her besteht grosse Skepsis (Its too dangerous!) und von Pakistanischer Seite kaum die Moeglichkeit, ein Visum zu bekommen - selbst wenn man wollte. Ich halte mich dezent zurueck bei solchen Gespraechen, weil ich nicht genau weiss, wie es sich anfuehlt, Teil dieser Geschichte zu sein. Aber wenn mir gesagt wird, dass es ist wie mit unserer Grenze damals in Deutschland, dann gebe ich die Hoffnung auch nicht auf, dass die Wagah Border irgendwann nicht mehr da sein muss. Und auch nicht der Zaun.

Ich wechsel also Geld und bin froh, einen Mann an meiner Seite zu haben, weil dann weniger Fragen, oder nur Fragen an ihn gestellt werden. Er regelt die Geschaefte, ich gehe. Meine Riksha bringt mich an den Stadtrand nach Roshni, wo ich empfangen werde, Tee bekomme und etwas zu essen. Es ist schoen, diesen Ort immer wieder zu sehen, wie er sich veraendert, wie die Leute sich veraendern und wie manches auch gleichbleibt. So wie ich. Vor allem mein Urdu ist besser geworden (glaube ich).

Jetzt bin ich in Islamabad, weil es meine einzige Moeglichkeit war, Zo zu sehen, mit dem ich hier viel Zeit verbringe. Er erklaert mir viel ueber die Gesellschaft, wo ich was machen und sagen kann und wo ich lieber mal still bin bzw. abwarte, was die anderen tun. Wie immer reg ich mich auf, wenn ich nicht frei sein kann, aber das ist ja genau, was ich auch liebe: Eine Kultur, die so anders ist als alles, was ich kenne, dass mir mein eigener Hintergrund erst richtig bewusst wird. Mit Zo kann ich viel ueber diese Dinge reden, das hilft. Die Welt waechst zusammen, wenn man so viele verschiedene Perspektiven auf einmal sieht. Ich freue mich auf die weitere Zeit mit Zo, auf ein paar Tage in Roshni und, ach, eigentlich will ich schon gar nicht mehr nach Indien zurueck. Pakistan ist so besonders geworden fuer mich.

Freitag, 20. Mai 2016

'Call any other Country'

"You can call any other country, not Pakistan", sagt der Shopkeeper zu mir, als ich versuchen will, in Roshni anzurufen. Warum nicht? Verbot vom ISRD oder so. Ich vermute das spricht nicht gerade fuer die Indisch-Pakistanischen Beziehungen. Alles andere schon. Die Leute sind aufgeschlossener als noch vor vier (oder vor acht) Jahren. "Oh, good you go to Pakistan!". Ich sage shukriya (danke) und dhuniavat (danke) und frage, mich was besser ist. "Shukriya is also a very good word", sagt der Taxifahrer lachend. Hach bin ich froh, wenn ich wieder Assalamu'aleikum sagen kann. Immernoch haengt mein Herz an Pakistan, reise ich nur durch Indien durch und freue mich daran, wieder ein bisschen Hindi zu reden. Aber auch ueber das Essen und darueber, einfach ueberall rumlaufen zu koennen. Ich erinner mich, wie ich zum erstenmal im April 2008 von Pakistan aus ueber die Grenze kam und mich gewundert habe, dass die Frauen hier Roller fahren. "We are an equal society", erklaerte mir ein Sikh heute Nachmittag, "60 % of our women work". Fein. Dennoch ist es ungewoehnlich, als Frau alleine zu reisen. Und mehr noch als in Europa wundert man sich hier darueber, dass ich nach Pakistan gehen moechte.

Ich schlafe in Amritsar im Golden Temple - nach Tipp eines uralten Lonely Planets, wo es andere Reisende, viele Schlafplaetze und Essen fuer alle gibt. Es ist eine riesige friedliche Angelegenheit. Tausende von Menschen essen hier jeden Tag und besuchen den Tempel, der mitten im Wasser steht. Keiner darf etwas bezahlen, viele arbeiten dafuer freiwillig. An der Strasse kaufe ich Litschis und freue mich darueber, dass ich das Essen so gut vertragen habe bisher. Meine Zimmernachbarin hatte 40 Grad Fieber und ich habe ihr plain rice gebracht. Mit einem anderen Zimmernachbar gehe ich Abendessen. Er ist Australier und sagt mir: Beim Reisen ist jeder Tag wie eine ganze Woche. Ich denke spaeter: wenn man reist merkt man erst die Bedeutung der Worte die man sagt, weil es vielleicht das Einzige ist, was zwischen dem Menschen und mir je gesagt sein wird. Und es stimmt: Es ist schon so viel passiert, dass es sich anfuehlt wie zwei Wochen - obwohl ich erst 2 Tage hier bin. Nachdem mir Delhi zu heiss und zu hektisch war, habe ich gleich den Zug nach Amritsar genommen. Vielleicht war es gut, den ersten Tag in einer 40 Grad Landschaft mit etwas Zugluft zu verbringen. Die etwas erfahreneren Leute haben Wasser in Thermosflaschen gekuehlt. Mit meinem Plastikflaschenwasser haeette man gut warm duschen koennen. Ich habe beschlossen, sobald es geht, in Indien in die Berge zu gehen, wo es kuehler ist. Aber erstmal will ich nach Lahore. "Don't you want to call any other country?" Fragt mich der Ladenbesitzer noch einmal etwas irritiert. Nein, sage ich bestimmt, ich will doch nach Pakistan gehen. Morgen.

Sonnenuntergang (Nachtrag)

18.5.1016 - So eine purpurrote Sonne wie ueber Istanbul habe ich noch nie gesehen! Eigentlich sollte sie untergehen, aber da wir aufgestiegen sind, ging sie immer wieder auf. Ein wunderbares Naturereignis: Meer, Wolken von oben, kleine Schiffe, Berge. Meer, Wolken von oben, kleine Schiffe, Berge.

Noch 30 Minuten bis zur Ankunft. Verschlafen schaue ich auf den Bildschirm vor mir, tippe auf "Deutsch" und auf "Mein Flug". Auf der Karte erscheinen die Namen Islamabad, Lahore, Amritsar und Delhi - alles Orte, wo ich sein werde. Unser Flugzeut befindet sich direkt ueber Lahore. Schnell schaue ich nach unten und erhasche noch einen Zipfel der grossen Stadt. Dann kommt ein komisch gezacktes Band - die Grenze. Lichter an der Wagah Border, Amritsar. Hier werde ich rueberlaufen (heute/ morgen/ uebermorgen?). Amritsar sieht wunderschoen aus von oben - wie ein grosser gezackter Stern.