Freitag, 27. November 2015

Schon gezahlt?

Ich versuche, so unauffällig wie möglich zu sein. Mit meiner Gitarre, der Kapitänsmütze für Gigi und meinem Handgepäck, das gleichzeitig auch mein Reisegepäck ist.

„Schon gezahlt?“ Fragt eine autoritär anmutende Dame beim Check-in mit einem Kopfnicken gegen meine Gitarre. Sie befestigt ein rotes Band an meinem Rucksack. Ich schaue in eine andere Richtung und gehe weiter.

Die Hauptsache ist, dass die Gitarre nicht im Bauch des Flugzeugs landet, wo sie kaputtgeht. Es ist wie bei Meinfernbus: man muss Glück haben oder im richtigen Moment zur Seite schauen. Bei Eurolines zahlt man 10,- – und dann wird sie trotzdem irgendwohin gepackt, wo man nicht weiß, was passiert. Für Bolivien habe ich damals die Gitarre zuhause gelassen und schon nach einer Woche wieder eine neue gekauft.

Es ist immerhin nicht das erste Mal, dass ich mit Gitarre fliege. Es gibt keine Regel, aber es geht meistens so: Erst kommt der Check-in, wo man am besten ohne Fragenstellen (und gestellt bekommen) durchgeht. Falls doch Fragen kommen, kann man sagen: das geht normalerweise immer so. Dann kommt die Passkontrolle – kein Problem. Dann die Handgepäckskontrolle. Hier ist nur wichtig, dass die Gitarre auch eine Gitarre ist. Mit einem merkwürdigen Papierchen wird Sprengstoff an meinem Körper gesucht. Die letzte Hürde ist dann direkt beim Gate. Hier könnte die Besatzung noch sagen: Gitarre hier hin, Gitarre dort hin oder: Gitarre ganz weg. Aber das passiert nicht, wenn man sie an die Seite klemmt und so tut, als wäre sie ein Kleidungsstück. Das einzige Problem ist, dass man keine zwei Handgepäckstücke mitnehmen darf und ein rotes Band hat meine Gitarre schon gar nicht. Ich habe auch schon gehört: "You have to clear that with the person at the Ticket-counter". Ich nickte grinsend und ging weiter. Es wird einfach solange jemand anders zuständig gemacht, bis keiner mehr zuständig ist. Sobald man die Flugzeugtür betritt, muss man nur noch freundlich lächeln (die anderen haben mich ja schon durchgelassen) und die Gitarre schnell in den Fächern über den Sitzen verstauen (wenn da nicht schon die anderen riesigen Koffer der Sitznachbarn wären). Schuhe aus, auf den Sitz klettern, Rucksack rein, Gitarren drüber, fertig.

Während der Sicherheitsansagen höre ich den Rich Folks Hoax vom wunderbaren Rodriguez und rolle langsam raus aus Berlin. 15 Minuten sind es mit dem Bus von der Stockholmerstraße, ein paar Stunden nach Istanbul und dann ein Nachtflug nach Kenia. Im Morgengrauen bin ich da.

Schon gezahlt? Was denn?

Donnerstag, 26. November 2015

Zwischen Chiasamen und Chirimoya

(Nachtrag von Bolivien, 23. August 2015)

Was ist das alles? Was ist das, was ich esse, das, was ich sage? Früher war alles Neue spannend, enthielt Farben und Wunder. Jetzt ist es anders. Ich bin zaghafter geworden, mehr mit Vorurteilen und so. Hier gibt es unglaublich viele tolle Früchte, die ich gerne esse und ich liebe es, Unterhaltungen in Spanisch zu verstehen. Aber es ist nicht mehr wie damals mit Urdu, dass ich so neugierig bin, was das alles ist und heißt. Ich bin voll von meinem Leben in Berlin, habe mein Studium, meinen Praktikumsbericht, soo viele Länder, die ich gesehen habe, es ist, als wäre meine Festplatte voll.

Dabei gibt es hier so viel verschiedenes, so viel Neues, so viel entdecken - allein die Früchte. Ich habe gedacht, dass ich die meisten Früchte dieser Welt schon kenne. Es stellt sich heraus, dass ich die meisten Früchte der Welt noch nicht kenne. Ich probiere also alles, was meine Schwester zuhause hat und was wir auf dem Markt kaufen. Rafael liebt z.B. Chrimoya und ganz große Schoten, in denen Kerne sind, die wie von Zuckerwatte umhüllt werden. Es gibt Chiasamen in großen Mengen und gar nicht so teuer. Komisch ist nur, dass meine Schülerinnen und Schüler am Colegio Aleman kein Interesse daran haben, als ich beim Abschiedsfrühstück Chirimoya mitbringe. "Iiiih, das ist doch vom Markt". Wir essen also wieder Weißbrot mit Nutella. Vielleicht wegen der vollen Festplatten.