Dienstag, 11. November 2008

Die Wüstenpolizei

"Hai hai hai.... hai hai hai, hier ist die Wüstenpolizi, hai hai hai..." sagt er wieder und wieder, einfach so vor sich hin. Außerdem schwankt er und es riecht verdächtig. Die Leute in der Münchner S5 sind plötzlich alle sehr beschäftigt. Einer liest, der andere schreibt, daneben unterhalten sich welche übereifrig. Wenn der bloß nicht zu mir kommt... "Osama bin Laden Osama bin Laden Osama..." Quatscht der alte Mann weiter. Es riecht nach Alkohol. Jetzt geht er vorbei. Sprich mich bloß nicht an!! Ich bin auch ganz arg beschäftigt, ich spiel schließlich mit dem Handy. Ich pack es lieber weg, vielleicht klaut ers mir noch.

Was uns doch für komische Gedanken kommen, wenn mal einer, der etwas aus der Spur ist, zu uns in die Bahn steigt. Ein bisschen ist es doch wie im Zirkus: Hoffentlich sucht er sich nicht mich für seine Späße aus. Und außerdem weiß man ja auch nicht, was mit so einem los ist. Aber was ist mit uns eigentlich los? "I'm from South Afrika, I'm from South..." hör ich ihn von ferne sagen. Ich hol mein Handy wieder aus der Tasche. Und wenn er da aussteigt, wo ich aussteig? Bloß unters Volk mischen, man weiß ja nie. Die Türen schleißen, ich bin allein am Bahnsteig. Gott sei dank, den wärn wir nochmal losgeworden....

Sonntag, 2. November 2008

Wieder auf dem Hügel

Draußen ist es nassgrau, drinnen bunt. Die Idem-Klausur geht dieses Jahr nur ein Wochenende und kaum hat man alle Leute gesehen, sind sie schon wieder davon. In Dornach passiert eben immer alles ganz arg. Was in der Schule noch als Marias Hippie Tagung abgetan wurde und so aus dem Alltag völlig rausstach, ist von München aus gesehen wieder mein Zuhause und ein Ort, wo ich im Prinzip auch hingehöre. "Goetheanum" ist zwar ein Wort, das manch einen erstmal erschlägt, aber für mich ist es einfach so, dass sich hier immer wieder ein Haufen spannender, lustig-lieber Menschen trifft, die einfach als Konstante in meinem Leben auftauchen (ich bin also machtlos). Was Idem, Captura und Projektzeitung für eine Rolle bei mir spielen wird mir erst langsam klar und noch langsamer beginne ich dann, mich zu ärgern, dass ich mich nicht voll und ganz in eine solche Sache stürze und auf den rest pfeiffen kann. Aber jetzt hab ich gerade eine große Uni vor mir und da sagt man dann, bei mir ist alles voll. Nur was man noch alles machen könnte. Wenn Dir also mal langweilig ist oder Du was anderes tun willst... Am konkretesten für mich ist momentan Connectivity 2010 in Kapstadt. Aber auch im Sommer 09 solls wieder ein Workcamp in Südafrika geben. Mehr dazu unter www.idem-network.org.

Samstag, 25. Oktober 2008

fürs erste

Das kommt eben davon, wenn man eine Rundmail schreibt. Dann ist das Postfach ganz gefüllt, dann ist man selber überfüllt. Als hätte nicht schon der Studienanfang gelangt. Ofiziell bin ich nun bei Mathe und Deutsch ganz dabei und bei Philosophie ein bisschen (LA Gymnasium). In Echtheit geh ich heimlich zu den Indologen, als Ausgleich sozusagen, bin Donnerstags in Hindi 1 und Dienstags beim Bollywoodfilm und außerdem kenn ich da schon mehr Leute, als von der Mathematik. Ja, es sind schon wieder Klischees, die sich bewahrheiten. Natürlich gibt es auch gemütliche Mathematiker und Zielstrebige Indologen. Aber allein von den Räumlichkeiten her ist es bei letzteren heimeliger und dann auch persönlicher, während ich in der Mathevorlesung eine von vielen (von etwa 400) bin. Sowas wurde uns an der Waldorfschule nicht beigebracht. Da war noch jeder ganz besonders eigen. "Du bereust also nicht, an dieser Schule gewesen zu sein?" Nein, ganz und gar nicht und ja, ich würde auch meine Kinder dort hinschicken, aber soweit müssen wir ja gar nicht denken.

Ich verzettel mich schon ein wenig: im Kopf eine Idee vom nächsten Artabanlager bei den Capturisten, dann zur Arbeitsgruppe "Hindi als Unterrichtsfach", dann raus auf die Strasse - es ist mal wieder dunkel geworden und ich weiß auch nicht mehr, ob ich nach rechts oder nach links gegangen bin. Zum Glück gibts auch dafür eine Weisheit: Du kommst immer dort an, wo Du wolltest - egal welchen Weg Du wählst! (Sagt man so) Na dann. Dann kann ich ja ganz getrost gleichmütig sein (danke Insa für das schöne Wort!). Und außerdem sind die Münchner ganz außerordentlich nett und halten einem die Türen auf und laden auf einen Cae ein und haben großes Nachsehen, wenn ich mal wieder im falschen Kurs gelandet bin. Fürs erste bleib ich wohl noch ein bisschen hier :)

Montag, 13. Oktober 2008

Munich

Wie aus einem alten Grammophon kommt plötzlich von ferne Musik. Unter der Erde spielen die Lautsprecher der Münchener U-Bahnstationen Klassik. Wie schon in Pakistan, nur kein Mullah. Wie im Film nur kein Regisseur. Oder war ich das? Jedenfalls bin ich jetzt hier zu finden, wo sich die Leute einzureihen wissen: links gehen, rechts stehen. Stehen auch bei roter Ampel. Den Kindern ein Vorbild! Rolltreppen und Untergrundbahnen, Ampeln und viele viele Menschen sind also meine neue Umgebung. Am Ende vom Tag zieht manchmal alles nur noch vorbei und ich kann meine Konzentration nicht auf den Moment lenken. Die Stadt ist eine Herausforderung. Das Studium wahrscheinlich auch. In einer Stunde beginnt meine erste Vorlesung in LinAlg1. Ich bin aufgeregt wie ein Schulkind. Aber das verfliegt sicher bald und all die neuen Worte werden normal für mich. Was dann?

Ich habe noch nicht das Gefühl, dass ich lange hier bleiben werde, aber das muss ich ja keinem verraten ;)

Sonntag, 3. August 2008

Schon wieder die Scheiche

wieder Dubai wieder Scheiche. Was ist da los? Ich weiss es auch nicht. Da ich den Blog Buchschreibenderweise vorruebergehend geschlossen hatte, ist er wahrscheinlich nur schwer aus dem winterschlaf zu holen. Muss er auch nicht. Nur eben so: Die Pakistangeschichten sind in Form eines sehr schoenen Buechleins gerade bei projektzeitung erschienen und unter gleichnamiger seite .org als neue Ausgabe oder bei mir per e-mail zu bestellen.
Fuer Suedafrika wirds vielleicht mal tatsaechlich eine Rundmail geben, dann verfasse ich erstmal alles von Hand - andere Qualitaet im Text - und therapieren muss ich mich da wohl auch nicht so sehr durchs Schreiben, ist ja nicht lang. alles weitere landet bei Dir im Postfach.

Samstag, 5. April 2008

danach und davor

Ich vermute mal - denn wissen kann man ja nur so wenig, dass dies vorerst der letzte Blogeintrag wird; sozusagen das Requiem fuer die Pakistanreihe. Denn auch wenn ich von einigen "Du schreibst wirklich gut!" Komplimenten ganz stolz geworden bin, habe ich zurueck in Deutschland eigentlich keinen Anspruch mehr auf diese "ich erzaehl jetzt aus meinem Leben" - Texte.

Seit einer geschaetzten Wochen bin ich nun wieder daheim (heißt eigentlich bei Caspar) und natuerlich noch immer nicht richtig angekommen. "Natuerlich" deshalb, weil ich mich auch mit Haenden und Fueßen dagegen wehr, noch absichtlich mit dem Kopf wackel statt anstaendig zu nicken, was jeder als ein "ja" verstehen wuerde und jedes Nachfragen ("was meinstn jetzt damit?") ersparte. Fehlt nur noch, dass ich im Chalwar Kameez durch die Straßen gehe, aber das ist auch schon wieder so ein "Ich komme gerade frisch aus Indien". Auch mein Urdu kommt mir abhanden, rinnt mir gleichermaßen durch die Finger: Wenn nun ein Anruf aus Pak- oder Hindustan kommt (was ich daran merke, dass bei meinem Namen die Betonung auf dem ersten a liegt, das r gerollt), werd ich ganz klein, weil ich fast nichts davon verstehe und schon gar nicht sinnvolle Antworten geben kann. Die Verbindung ist aber auch verdammt schlecht! Und dann noch die Hinterkopfgedanken, was die fuer ein Geld ausgeben muessen fuer diesen Anruf.

Dabei ist Deutschland gar nicht so kalt, wie ich befuerchtet hatte. Schon gratulieren mir viele liebe Leute, dass ich 21 geworden bin (was ja nicht mein Verdienst ist) und heil wieder da. Und ich freu mich noch auf so viele Wiedersehen. Wenn das dann vorbei und gaenzlich ausgekostet ist, die Geschichten erzaehlt und wenn ich im Free mit "moechten Sie ein Bier?" begrueßt werd, dann geh ich zurueck nach Pakistan!
Und obwohl ich schon wieder gelernt wurde in Minuten, nicht in Stunden zu denken, gibt es eigentlich nichts, ueber das ich mich hier aergern muesste. Warten z.B. kann ich gerade richtig genießen. Leuten beim hin und hergehen zusehen, bekannte Gerueche (ganz toll: alte Damen Parfum) und klare Luft einatmen, pfeiffen duerfen - ja, eigentlich gibt es gar kein Warten mehr - genauso wie es keine Langeweile gibt und wenn doch, dann sind wir eben selber schuld (wie meine Großmutter zu sagen pflegte).

Was steht denn da oben von zurueck nach Pakistan? Das auf jeden Fall (wennmoeglich), aber vermutlich nicht in naechster Bälde (heißt es denn die Baelde?)... Frag lieber nicht nach meinen Plaenen! Wenn ich denn welche mit Koepfchen gemacht habe, riskiere ich vielleicht doch wieder einen Blogeintrag. Fuer jetzt mag ich nur noch danke sagen, dass Du mit Deinem Lesen meinen Worten immer wieder den ein oder andern Sinn gegeben hast und der Rest kommt ins Tagebuch.
- obwohl -

"Don't write diary, Maria! You must not read tomorrow what you've done yesterday. We are living now!"

Donnerstag, 27. März 2008

Boarding now at gate nr. 9

Ich bin muede. Aber soweit ich weiss ist das gar keine schlechte Vorraussetzung zum Schreiben (vielleicht weil man dann in weniger klaren Saetzen denkt). Und endlich wieder ganz ruhig im Internet. jetzt komm ich zum Maillesen: Jonas, der ein gutes Stueck mit mir gereist war, schreibt von Deutschland "Bleib wo Du bist!", Ulli hat etwas Geld auf seinem Konto rumliegen, das er mir gern zu diesem Zweck leihen wuerde - lese ich in der naechsten Mail. Und Caspar sagt schliesslich, ich solle mich bei meinen Entscheidungen bloss nicht nach ihm richten und als Maripar oder was zurueckkommen. Aber jetzt bin ich schon in Dubai. Wahrscheinlich war ich einfach nur zu doof, den Flug umzubuchen, mich ums Geld und sagen ich komm paar Wochen spaeter zu kuemmern - andre Verpflichtungen hab ich wirklich nicht (soweit ich weiss). Es macht mir ein bisschen so das Gefuehl von einfach machen ist selten so leicht wie jetzt im Leben. Ich kann theoretisch tun, was ich will (wie ich bei der Pakistanideeumsetzung gemerkt habe) und habe nur eine Sorge: Ich weiss gar nicht was ich will. Jaha, das ist nicht komisch! Manche wollen Taenzerin werden oder Lokomotivfuehrer. Andere wollten schon immer mal in Ghana unter einer Palme gesessen haben (so es die da gibt). Ich habe mich nie so nach was hingefuehlt. dann bin ich nach Pakistan gegangen, jetzt komm ich zuerueck. Und? Veraenderung? "gehoert das irgendwie zu deiner Ausbildung, Studium hm?" Hmmm, ja!

Nehmen wir mal Dubai, wo ich mich gerade so schoen aufhalte: Da frag ich mich nicht mehr wie vor sechs Monaten, ob das denn nun Delhi ist oder wo ich denn nun gelandet bin. Auch fallen mir keine dunklen Maenner in weissen Gewaendern mehr auf, sondern viele viele weisse Gesichter in Jeansgewaendern, die mir irgendwie so bekannt vorkommen. Ganz zu schweigen von den verschwundenen Traurigseigefuehlen, wenn ich eine Frau in Burka seh. Da hat sich ein Haufen Sympathie bei mir angesammelt in den letzten Monaten. Eigentlich wuerde ich gern mit ihnen in die kleine Flughafenmoschee gehen und ein subhan Allah, Allah hu akbar und Allham dullilah beten...

Wie schnell man aber auch aus einer Kultur gerissen werden kann, das ist wirklich unverschaemt! eben war ich noch besonders, weil weiss und gleichzeitig Pakistani. Bald denken die Leute nur was das Maedchen fuer komische Kleider anhat und warum sie bloss acca und thik hae sagt. Dann will ich wieder zuerueck! Wenn nur die Deutschen ein bisschen Indisch oder Pakistanisch waeren und nicht so verschlossen und steiff. Sich mal auf der Strasse anrufen mit "hee Bruder, wo faehrst Du hin?" oder im Bus, im Cafe, immer wie eine Familie, nicht mit dem Blick "warum sprichst Du mit mir, wir kennen uns doch gar nicht!". Wo kommt das her? die denken im Orient echt, wir sind nur "selfish". Aber ueberleg mal, Du bist in so einer Famielienkuemmerkultur aufgewachsen und dann kommt eine aus Europa und erzaehlt Dir, dass sie da ihre Eltern einfach alle in ein Heim stecken wo sich dann Aertzte und Pfleger drum sorgen sollen. Hallo, ein Artzt kann meiner Mutter doch gar nicht die Liebe geben, die sie jetzt braucht (hat Ravi darauf ganz erschuettert gesagt). Du machst das aber nicht Maria, ok? thik hae.
Die naechste Enttaeuschung fuer ihn war, dass ich so viel aufschreiben musste. "Was macht denn das fuer einen Sinn? Willst Du etwa morgen lesen, was Du gestern gemacht hast? hey, wir leben heute, hoer jetzt auf so mit deiner Denkerei!"
Ja, so verschieden ist das alles. So verschieden bin ich geworden in mir und versuch einfach nur das Lachen und "don't worry" mitzunehmen und aufzuheben. Ich glaub, das koennen wir ganz gut gebrauchen. Ich hab gehoert bei uns schneits...

Freitag, 21. März 2008

jetzt, am Ende der Reise, bin ich dort, wo ich anfangen wollte: Darhamsala. bzw in der Stadt darueber, wo alles Tibet ist, denn hier wohnt der Dalai Lama. Von den Aufstaenden drueben habe ich gerade erst gehoert und sehe nun draussen die Moenche sitzen mit der Flagge. Auf ihrer Stirn "free Tibet" geschrieben. Indien ist nicht nur voll von verschiedenen Religionen (hier sind auch viele Israelis, die fed up with military sind) sondern auch Kulturen - ja sogar sprachen. Hier gilt mein Hindi nix mehr. Als ich mit dem Zug aus Rajastan fuhr, ging die Sonne noch in der Wueste unter, mein Fuss tat weh, weil ich so unforsichtig schnell durch die Duenen gerannt bin und da Kakteen und alles war. Und dann wach ich auf und bin am Fuss des Himalaya. Ausversehen kam ich nicht sehr tief in die Berge, weil ich den falschen Bus genommen hab in Shimla, aber ich war ja auch net weit in der Wueste und so passt es ganz gut. Meine Tour ist eigentlich eh viel zu durch. Jetzt bin ich mit Ravi dem Touristenfuehrer unterwegs, der immer wieder lacht, wie ungeplant ich hier rumreis. Dafuer lern ich von ihm aber auch sanskrit und eine Menge ueber die Dinge hier im Land, dass ich sie besser versteh... Aber jetzt ist mein Geld alle und reicht net mal mehr fuer ien ordentliches Bloggeschreibe. Bald bin ich wieder in Lahore, trinke vielleicht noch einen Tee in Roshni und dann ist alles gut :)

Freitag, 14. März 2008

Varanasi

Und schon bin ich da: bunte Saris, Drachen ueber dem Ganges, langsam vorbeiziehende Hippies und blumenverkaufende Kinder - es ist wieder, wie man sich Indien vorstellt. Da ich nun wirklich mitten im Land bin, komm ich mir schon so wie ein Sightseer vor und wuensche mir manchmal einfach in Ruhe bei einer Familie zum Chae eingeladen zu sein, statt von einem Shop in den naechsten gerufen zu werden "Madam, you like? very cheap prize, I love the people, you know.." Dann lasse ich mir eben vom Seidenhaendler einen Tee geben und die uebliche Pakistan-Befragung kann auch hier stattfinden und interessant sein. Vor allem dann, wenn sich die Security-dienste um uns schaaren, die Wachmaenner und Keksverkaeufer um mein "Pakistani log bahaat acca haen!" zu hoeren und zuzustimmen oder eben auch nicht (denn das heisst Pakistanis sind gute Leute). Aber die meisten von ihnen haben wiklich keine Idee vom Leben in Pakistan und denken nur an Terror und Crime, wenn wir darueber reden. Das ist noch ein Haufen Arbeit...

Freitag, 7. März 2008

Same same but different

Mir gehts wieder prima. Leider bleibt kaum Zeit und Moeglichkeit fuer Internet/Telephon schon gar nicht, da ich grad mit Medizinstudenten der IPPNW unterwegs bin, den Atomkrieg zu verhindern. Jetzt beginnt der Kongress in Delhi und wenn ich nicht immer so muede waer, waere alles superinteressant (vielleicht doch ein Medizinstudium, Maria?). Beim Botschaftsspiel war ich diesmal nicht so gut, aber ich denke, es klappt. Wenn ich das habe, gehe ich wahrescheinlich nach Rajastan in die Wueste, wo uns einer Kamele organisiert - oder doch in den Norden? Am 22 ist hier das Farbenfestival, danach geh ich wieder ueber die Wagah Border und bin noch ein bisschen in Lahore, weil das ja doch meine Heimat geworden ist! Hier vertrete ich Pakistan mit Shalwar kameez und Hindi, was eigentlich Urdu ist (aber das darf man nicht laut sagen) und versuche die Pak-Indien Beziehungen zu verstehen. Eine Studentin meinte schon, die Pakistanis haetten kein gutes Herz, aber das halte ich fuer ein Geruecht...

Als ich mit Sophia ueber die Grenze lief (ganz schoen arg mit Stacheldraht und allem), hatten wir erstmal einen Kulturschock der anderen Art: nicht die Armut oder der Muell, was uns erschrocken haette, sondern die ganze Multikultur, Auslaender in Miniroecken, dass ich gedacht habe "koennen die sich nicht richtig anziehen?". So schnell gewoehnt man sich eben an einen Zustand. Als ich die erste Frau mit Roller gesehen habe, war ich richtig froehlich und musste gleich sagen "guck mal, guck mal Sophia, da faehrt eine selbst!!" Da lachte sie nur und meinte "sag diesen Satz mal in Deutschland, Maria!"
So und Jetzt muss ich wieder zum naechsten Workshop, weil ich ja doch nichts verpassen will. Namaste ji (allah gilt hier ja nicht)

Samstag, 1. März 2008

Allah hafiz

Das Leben in Roshni hat sich, bis auf die Tatsache, dass die Jungs nun mit uns an einem Tisch essen, warhscheinlich kaum geändert in den letzten fünf Monaten – aber meine Wahrnehmung davon.
Abschied ist etwas komisches und dauernd kommen einem Gedanken, die man für wichtig hält. Dann wieder gemischte Gefühle, geschüttelt, nicht gerührt.

Gerührt bin ich, als das Puppenspiel in der Schule fertig ist, die Schüler alle hochgucken und warten, was nun passiert, und da ich keine großen Worte mehr zu sagen hab und meine drei Urdu Sätze schon raus sind, sag ich „I am a little Teapott“, was mein absolutes Lieblingslied mit der 2. Klasse war. Und dann stehen sie alle auf, wie im Club der Toten Dichter und singen es noch einmal. Bei „lift me up and pour me out“ machen sich die Kinder ganz krumm und kichern (denn dann wird der Tee ausgeschenkt). Die Muffins sind verteilt, die in aller Eile gebastelten Papiergeschenke der Schüler in meinem Rucksack verstaut, die Puppen sind von der Bühne. Dass es so ein runder Abschied wird, hatte ich Anfang der Woche nicht geglaubt. Weniger noch vor zwei Monaten, als ich mir dachte, ich werd einfach irgendwann gehen. Und jetzt umarmen mich alle Kinder, sagen geh nicht, teacher und ich versinke in einem Meer von Armen und Händchen, schließlich auch Küsschen ins Gesicht und kann gar nichts mehr tun. Geht jetz! Bas, weg mit euch. Ich schiebe sie zur Türe raus, drück mich schnell in den Bus und winke nach hinten. Die Kinder rennen in alle Richtungen über die staubigen Straßen jeweils in ihr Dorf, lachen und winken dabei, bis ich wieder in Roshni bin, wo der Abschied von den Betreuten schon wartet.

Donnerstag, 28. Februar 2008

Pakistan tanzt doch...

...wenn man den Stimmen der wenigen glauben darf, die plitisch angagiert sind. Da haben nun alle große Hoffnungen für das Land, welches - laut ihnen - wegen Musharraf seit sieben Jahren den Bach runter geht. Daran liegt es auch, dass nicht alle Pakistanis gute Menschen sind und manche ihre Frau mit Kindern sitzenlassen um auszuwandern, erklärt mir unser Bäcker, dessen Familie ich gestern besuchen durfte. Islamabad 2. Teil: Diesmal sehr viel erfahrungsreicher, da ohne Hotel und M2 (Motorway), sondern bei einer eher armen pakistanischen Familie zu Gast und auf dem Rückweg durch die Berge mit dem Local Van. Den Dubatta geschickt gewickelt, dass man nur die Augenpartie sieht und auf den ersten Blick nicht, dass ich Ausländer bin. Der Fahrer hat gemeint, ich sei aus Afgahnistan. Zum Glück konnten hier alle kein Englisch, so habe ich auch erfahren, wie schnell man eine Sprache lernen kann, wenn man keine andere Möglichkeit hat, mit den Menschen zu kommunizieren. Nur hats nicht gereicht, um auszudrücken, wie ergriffen ich war von der Herzlichkeit und Freude, mit der ich überall begrüßt wurde, wo mich A. B., "mera barra bhai jaan" (mein großer Bruder) und seine Schwägerin Schakila mit ihrer Lebensgeschichte hingebracht haben. Ich glaube am Ende haben sie mir geglaubt, dass ich das einfache Leben mag und dass es mir nichts ausmacht, dass sie mir kein Bett bieten können und kein großes Auto. Wenn mich doch die kleine Klapperkiste an Orte bringen kann, die von Mercedesfahrern noch nie gesehen wurden... Islamabad von oben, Verwandtschaft in der "rural area", ein Chae nach dem anderen und bei den Nachbarn nochmal Rotis essen, dann das Hospital, in dem sie 12 Stunden am Tag 7 Tage die Woche arbeitet, jedem Mitarbeiter vorgestellt, ein Gebet aufgesagt (ja, mein Gast ist dabei Moslem zu werden), Hände geschüttelt und manchmal auch nicht, Segen bekommen und wenig Zeit, dem gerecht zu werden. Ich muss doch vor Sonnenuntergang in Lahore sein! da hab ich mich schlecht gefühlt - nicht, weil ichs nicht mehr geschafft hab, die rote Moschee anzuschauen, sondern weil ich zu hektisch war im Kopf, mir die Menschen richtig anzuschauen und das ham sie gemerkt. Dabei war ich lange nach der Sonne dann endlich in Lahore - was gar nicht so lustig war, weil hier gerade ein Festival ist und die Leute dementsprechend verrückt auf der Straße rumtanzen, trommeln, an Rickschas rütteln und durchnanderrufen, dass man nicht mehr weiß, was sie meinen. Frauen sieht man um diese Zeit auch keine mehr. Vor allem in der Altstadt nicht.

Und dann war ich plötzlich wieder in Roshni. Es lief alles so, wie der Plan, den ich nach Deutscher Manier in meinem Kopf gemacht hatte und sogar die Botschafter haben mitgespielt. Erst etwas wiederwillig, aber als ich dann sagte, ich bin nur heute hier und in meinem Blick die ganze Schwierigkeit lag, die damit verbunden war, noch einmal selbst nach Islamabad zu kommen, wurden mir die Pässe schließlich ausgehändigt. Und jetzt stehen Indiens Türen offen. Über die Wagah Border werde ich am Sonntag nach Amritsar gehen um von dort mit einigen Medizinstudenten einen "Marsch" nach Delhi zu machen, wasimmer das heißen mag. Sobald ich dort das Botschaftsspiel wieder gewonnen habe, gehe ich in die Berge zu den Menschen, die keine großen Autos haben.

A. B.s Familie wollte mich am Ende gar nicht gehen lassen. Meine Schüler lassen mich nicht und in Roshni ist es jetzt auch am allerschönsten. Das ist gemein, aber das gehört dazu. So viele Orte und Menschen hier, mit denen man am liebsten mal eine unbeschränkte Zeit verbringen würde. Aber wahrscheinlich ist das genau richtig so!

Samstag, 23. Februar 2008

Jumerat rathko (Donnerstagabend)

„Now You have fullfilled your task in Lahore!“, sagt Sahid und hat recht: was Lahore betrifft kann ich heute ein Häckchen machen. Jeden Donnerstag versammeln sich hier die Menschen, will sagen Männer an den „Sufi Shreins“ und tormmeln und rauchen und schütteln die Köpfe bis zum Morgengrauen (es heißt zu dieser Zeit tanzen sogar einige). Dann ziehen sie mit bunt geschmückten Eselskarren wieder raus aus der Stadt hin zu ihren Feldern, wo sie Orangen und Grüne Sachen aufladen, was vielleicht manchmal Spinat ist oder so, um diese am Tag mit lauten Stimmen wieder zu verkaufen. Und dann sind die Karren so überladen, dass mir die Esel leid tun, wenn sie auf meinem Weg zur Schule vorbeischlurfen, immer wieder geschlagen von kleinen Jungs mit Stöcken und rauhen Rufen.

Nein, aber für seine wöchentlichen Drumfestivals ist Lahore berühmt. Und ich machte mir schon Sorgen, dass ich hier war und doch nicht dort sein konnte in meiner ganzen Zeit. Dann sind wir also alle ins Auto gestiegen und hin zur Sher Janan Mosqe, was eigentlich einige Gräber sind, aber davon war nichts mehr zu sehen, so eng standen und saßen sie. Immerhin muss man noch die Schuhe ausziehen, wenn man auf einem Grab sitzt (und Gulzar der Fahrer weist mich gleich zurecht). Zwischen den ganzen Männern sind wir nicht nur die einzigen Weißen (Gora Gora), sondern auch die einzigen Frauen. Nach einer Weile Trommenlmusik sehe ich erst die Einheimischen Frauen, die zusammen hinter einem Gitter sitzen. Aber wir sind angreze, wir können hier bleiben - zum Preis von etlichen Blicken, Köpfedrehen bis hin zum Handykamera zücken und schließlich wieder das alte Lied „Where are you from?“. Mae eek pattan (die etwas helleren Pakistanis aus den Bergen) hun. Nei, ham pardese (Ausländer) nei hae! Auf Urdu irgendeinen Quatsch erzählen ist am lustigsten. Mit Gärtnern und Fahrern reden wir nur lachenden Unsinn. Aber das sollen wir eigentlich nicht, weil diese Leute ja kein guter Umgang sind. Ich hab schon lang kein Fußball mehr gespielt. Aber jetzt kommt ein Altsaxophon zu den beiden Trommlern und fängt ganz melancholisch an zu spielen. Die Leute rufen und singen immer wieder und nach dem traurigen Sax stellt sich einer hin und singt. Die meisten kennen seine Lieder und summen mit. Schade, ich nicht. Wenn ich nur ein bisschen grins oder so mit dem Kopf hin und her geh, gehen die Blicke wieder zu uns und wundern sich. Guck mal, sie kann lachen. Sie sagt Acca und Thike. Where are you from? Aber wir haben ja unseren Fahrer und Sahid und Jabba mit und so sind wir auch vor sämtlichen Ansprechungen sicher – bis auf einen Belgier, der froh ist Ausländer zu treffen (guck mal, die Frauen geben ihm die Hand! Ja, das macht man glaub so in Europa…). Und überall riecht es nach Gras. In der Menge tauchen immer wieder Hände auf, die fünf Tütchen auf einmal halten. Wahrscheinlich liegt die Tanzerei im Morgegrauen dann auch eher daran. Aber wir bleiben nicht so lang und wir bleiben bei Zigaretten. Morgen ist Schule, ich hab erlebt, was ich sehen musste und Lahore ist für mich mehr als erfüllt.

Das schöne daran, wenn man sich nicht so viel frei (nicht so viel frei?) bewegen kann in einem Gebiet ist, dass alles was man dort tut, ganz wertvoll wird. Oder zumindest seht besonders Jetzt müsste ich eigentlich vom Dienstag erzählen, als ich mit Matze in die Moschee gegangen bin und wir den das Mittagsgebet sehen konnten (mitmachen ging natürlich nicht). Wenn Du erlebst, wie viele Menschen so gemeinsam beten (jeden Tag und manche fünf mal) und dir denkst, was sie dabei verbindet und für was jeder einzelne beten mag (es ist bestimmt etwas gutes), dann verändert sich sich auch gleich das trockene Bild von Religion, das du dir zuvor aus Gesprächen und Schlagzeilen und „Islam verstehen“-Büchern gemacht hast.
Noch einmal können wir die Gastfreundschaft, das Interesse und die Herzlichkeit einer pakistanischen Familie erleben, als uns der Moscheeaufseher zum Essen bei sich einläd. Ich rede zunächst mit Tochter und Frau und sie will mir gleich zeigen, wie man Dal (Linsen, die es immer zu den Rotis gibt) kocht, während Matze sich mit den Jungs über Politik und Kultur unterhält. Da hab will ich dann doch zuhören und weil ich denke, sie sind eine modernere Familie, sag ich sogar was zu dem Männergespräch. Da sind sie aber doch zu sehr verwundert und so wende ich mich wieder dem Dal zu, gesellschaftskonform sozusagen (das hab ich hier erst gelernt).

Pakistan tanzt, heißt es in Deutschland, wegen der Wahlergebnisse. Ich hab jedenfalls noch keinen tanzen gesehen (heute sind wir ja auch zu früh nachhause), es ist ähnlich wie am 27 Dez oder bei dem Attentat am Anarkali Bazar. Die (in diesem Fall positive) Nachricht kommt an und das Leben geht weiter. Keine Euphorie. Aber froh sind sie doch, dass die Wahlen so verlaufen sind und dass es nicht noch mehr „Trouble“ geben muss.

Montag, 18. Februar 2008

wieder die Altstadt

Freitags sind wir wie üblich beim Filmabend des Punjabclub mit anschließender Übernachtung bei Lukas (dem österreichischen Volu beim Kulturveranstalter Dankar). Das war nun zwar erst das 3. Mal, aber dafür auch in Folge und so darf ich schon von einer Regelmäßigkeit sprechen – vor allem wenn man bedenkt, dass wir in Pakistan sind. Das geht dann so, dass wir uns zu viert in Assalams klappriges Auto drücken, in Defence aussteigen um uns eine Rickscha anzuhalten, die erstmal auf 120 Rupies (etwa 1,3 euro) runtergehandelt wird (Do sao! Eek sao, bas! Eek sao paccas Usw usf) und dann wird losgerattert. Am Burkatmarket wird ausgestiegen, Samir hat die Tür in der Hand und gibt sie dem Fahrer. Ein anderer zahlt. 100 Rupies sind inzwischen richtig viel Geld! Wir holen uns eben noch ein viel zu süßes Fruitshake und einige geröstete Kichererbsen oder Maiskörner, um diese während dem Film zu knuspern. Mit dem Aschegeschmack vom Warmmachen und den Pakistanischen Gewürzen ist das mehr als eine Alternative zum Popcorn der Kinos daheim. Die Filme sind gut, das merke ich daran, dass ich richtig drinn bin und würde nicht draußen die Moschee beten oder vor dem Fenster eine Ansammlung von Menschen sein, die für die Fahrradpartei (Musharraf) demonstrieren und unter „Insh Allah“ Rufen ein Feuerwerk veranstalten als gäbe es eine Hochzeit, dann hätte ich fast vergessen, dass ich in Pakistan bin. Es folgt ein Gespräch mit dem Filmvorführer (der das ehrenamtlich macht) über Kultur in Pakistan, über den Lehrberuf und schließlich wieder über Politik, was mir ganz gelegen kommt. Ein paar Dinge habe ich nun schon verstanden: Trotzdem kaum einer wählen geht, bleibt es spannend. Wenn nämlich die Fahrradanhänger die Wahlen gewinnen, so müsste es Aufstände im ganzen Land geben, weil hinter Musharraf nicht mehr als 20 % der Leute steht. Benazirs Partei (mit dem Tieger) hat dafür 60 oder manche sagen auch 80% hinter sich und so wäre alles andere Manipulation der Wahlen, was zu erwarten ist. Am ärgsten ist aber noch die Propaganda: riesige ernste Männergesichter mittleren Alters schauen von den vielen grünen Plakaten zu einem her, dass man den Blicken gar nicht mehr ausweichen und sich höchstens noch an den lustigen weißen Zeichen der Parteien freuen kann. Wenn das Geld mal in die Bildung fließen würde… Da bin ich schon wieder beim Lehrersein und erzähle dem Filmzeiger von denen, die während dem Unterricht ihr Motorrad putzen. Yeah, thats pretty often the case, meint er und Anum sagt später noch: being a teacher is for most of them only a matter of killing time in Pakistan and für some women it’s the only possibility to be outside the house. Das erklärt mir einiges.

Der Besuch beim Chan-bhai wird heute ausgelassen, da es schon spat ist und wir morgen früh in die Altstadt wollen. Im Motorrad-Rickscha Corso geht es quer durchs nächtliche Lahore. Ich wunder mich, wie Lukas sich hier zurrecht findet und wickel den Schal enger, sodass ich nur an roten Ampeln von einzelnen als Ausländer registriert werden kann. Den Dumatta (Kopftuch) mag ich inzwischen wirklich – wie so viele Dinge, die ich Anfangs für nichts als unpraktisch hielt.
Um halb sieben machen Helen und ich Cae um die Jungs zum Aufstehen zu bewegen. Die Sonne ist schon aufgeganngen, sagt mir eine Frau vor unserem Haus, zeigt dabei aber irgendwie nach Westen. Die Straßen füllen sich schon von Eselskarren mit Krotten und Limonen und viel zu vollgeladenen Trucks, die Zement oder Steine bringen. Vereinzelt sieht man einen Achsenbruch und die Ladung verteilt sich schön auf der Straße, dass das Rickscha-Fußgänger Chaos sich steigern kann. Da musst Du eben früher aufstehen, Maria, denk ich mir auf dem Weg in die Altstadt – immerhin ist es noch etwas neblig und die Sonnenstrahlen fallen ganz lang auf die staubige Straße. In der großen Moschee ist der Morgen am schönsten zu spüren. Hier finden wir völlige Ruhe zwischen den riesig wirkenden Kuppeln und dem kalten Steinboden (Die Schuhe werden natürlich vorher ausgezogen). Außerdem sind die Gebetsteppiche leer, sodass ich mich hinknien und 2 rakaat beten kann, wie ich es in Roshni gelernt habe. Sub han Allah, Ala hu akbar, Alham dulila. Und fühle mich fast religiös, weil ich nur gute Gedanken dabei habe. Aber was man Religös nennt ist eine andere Geschichte. Außerdem haben wir Hunger. Vor der Moschee treffen wir den Touristenführer Assif, einer von Lukas zahlreichen Freunden in der Stadt. Er bringt uns zu dem leckersten Naan ever eaten mit knochenlosem Fleisch und würzigem Dal. Dann kommt Frittiertes mit süßem Halva. Den zweiten Cae haben wir auch schon hinter uns. Pappsatt und mit vielen neuen Geschichten von Assif, der etwa 22 Sprachen kann (gelernt von Touristen, die es hier vor 9/11 noch gegeben haben soll), wie er sagt, gehen Matze, Helen, Samir und ich nun auf eigene Faust in die Altstadt.

Wiedereinmal bin ich von den Sinneseindrücken völlig weg (will eigentlich sagen geflasht). Außerdem muss ich fast nicht mehr unsicher sein, wo und wie ich gehen kann. Ich verstehe nun, was die Leute hinter mir sagen und wunder mich nicht mehr über ihre Reaktionen. Ich erschrecke nicht, wenn die Vorbeigeher von „welcome in Pakistan“ bis „I love u“ alles rüberwerfen, was sie an Englisch gelernt haben. Vorbei an den vielen How are you’s geht es in die Papierstraße, wo ich hinter den Eisentüren kleine Kinder sitzen sehe, die unsere Schulhefte falten und nähen. Ich habe noch den Maschienenölgeschmack vom Zuckerrohrsaft im Hals, den ich voher so unvorsichtig genossen habe. Kinderarbeit, oder? Die einen stellen sie her, die andern benutzen sie. Matze und ich gucken uns an. In der nächsten Stoffstraße geht unser Einkauf los. Was ich Euch alles gerne mitbringen würde! Dann sind wir auch schon wieder in einer der breiteren Essenstraßen (breit heißt, dass zwei Rickschen aneinander vorbeikönnen), in der es wieder überall nach runterhängendem Fleisch riecht. Wir fragen uns durch zum Anarkali Bazar (einer der ältesten Märkte Lahores) und ich bin schon wieder stolz auf mein Urdu (und gleichzeitig unstolz, weil ich denken muss, wie ich sprechen könnte, wenn ich mich mal regelmäßig drangesetzt hätte). Hier finde ich ein echtes Schreibwahrengeschäft, mit Dingen, die man auch im Alltag verwenden kann. Aber eigentlich habe ich den ganzen Kitsch, die Armreifen (Bangels), die gllitterstickereien und Plastikkörbe inzwischen richtig lieb gewonnen. Das ist eben auch Teil der Kultur.
Dann ein schönes Umtauscherlebnis: Ich finde denselben Schal wie eben gekauft, nur an den Enden versorgt. Samir nimmt mich zum alten Geschäft zurück, spricht mit ihnen und ich habe meine 200 Rupies wieder in der Hand. Als ich mit I’m sorry und so anfangen will, winken sie ab und sagen, ist doch selbstverständlich. Samir und ich spielen einen Rücktausch in Deutschland durch (Nein, Frau Tacker, da muss ich erstmal meinen Abteilungsleiter suchen – wieso wollen sie diesen Artickel denn zurückgeben?). Das ist lustig. Wieviel Zeit vergangen sein mag, seit wir in das Altstadtmärchen mit seinen vielen Händlern und Farben, Gewürzen und Rufen, Gerüchen und fremden Blicken eingetaucht sind? Als wir mit Assalam-bhai, einem Auto voller Sachen und einer Maria voller Bilder wieder nach Roshni kommen, denk ich mir schon extrem lange nicht mehr hier gewesen zu sein.

Außerdem wird es hier schon Sommer und ich gehe wieder Barfuß!

Freitag, 15. Februar 2008

Das lustige Botschaftsspiel

Wieviele Tage sind schon wieder vergangen? Wochen? Entschuldige, dass ich so wenig schreibe – das bedeutet nur, dass die Zeit intensiver wird, dass ich nun alles auf einmal wahrnehmen will und nichts davon runterschreiben kann in klaren Sätzen. Ich weiß, dass ich schon dabei bin, mich zu verabschieden von diesem Ort – obwohl es noch zwei Wochen sind (aber wir wissen nun ja auch, was zwei Wochen sind!). Das merke ich daran, dass mir auf einmal alles unheimlich wertvoll wird, dass ich Ideen hab, was ich noch alles in den Unterricht bringen könnte, dass ich mir denke „wieso eigentlich gehen?“. Aber ich erinner mich auch gut an meine Zweiflerzeiten und wie ich mich für Indien entschieden habe. Außerdem habe ich mal gehört, wenn man einen Entschluss gefasst macht man das auch so (hä?).
Das letzte Mal, als ich wieder dachte, das geht doch alles gar nicht, war am Dienstag, als ich in Islamabad vor der Indischen Botschaft stand mit der Botschaft, dass mein Pass nicht mehr reicht (Haltbarkeitsdatumstechnisch) für das Visum. Aber das schöne am Leben ist ja, dass die Wege, die zu gehen sind, meist ganz offensichtlich da liegen und man sich nur noch dafür entscheiden muss. Ich verstaute also meinen gesunkenen Mut in der guten Chwarcamistasche und machte einen langen Spaziergang bei Vogelgezwitscher und Sonnenschein (übrigens mein erster echter Spaziergang seit über vier Monaten, wie meine Beine später meldeten) durch das Botschaftsviertel zu den Deutschen. Mit meinem Urdu hatte ich es relativ leicht bei den Beamten, weil sie gleich begeistert waren, dass ich sie in ihrer Sprache anspreche (später merkte ich, dass sie froh waren, dass ich sie überhaupt anspreche und hatte es gar nicht mehr so leicht, weil sie dann - um länger mit mir zu schwätzen - meinten, ich könne hier nicht durch) und so war eigentlich jede Sicherheitskontrolle eine lustige Begegnung. Als ich die Tür zur Visaabteilung der Deutschen Botschaft öffnete, wurde aller Sinkemut von einer enormen Heimatswelle überspült. Ich wusste ja gar nicht, wie Deutsch ich im Grunde bin. Oder um es anders zu nennen, Wie sehr das Land, in dem ich aufgewachsen, eigentlich auch meine Familie ist. Natürlich hatte ich die Botschafterinnen und Botschafter zuvor noch nie gesehen, doch ich kannte ihre Sprache, ihre Gestik, ihre Reaktion, ihre Denkweise. Und weil mir das alles so sehr vertraut vorkam, und die Frage groß war, was ich denn hier ganz alleine täte, wurde ich richtig fröhlich. Am Abend ging ich mit einer Tasche voller Pässe aus dem Botschaftsviertel um einen davon, der bis nächstes Jahr noch hält, am nächsten Morgen den Indern zu geben. Ich kam mir vor, wie in einem dieser Spiele, wo es immer bestimmte Dinge erledigen muss, um vor der nächsten Aufgabe zu stehen. Auf diese Weise bekam ich nicht viel von Islamabad zu sehen, aber ich denke mir, es ist eben auch eine Stadt. Im Unterschied zu Lahore ist die Luft sehr viel besser, man sieht um sich herum die Vorläufer des Himalayagebirge (ist das richtig?), ein wenig mehr Ausländer (das mag an den Botschaften liegen) und etwas weniger Frauen auf den Straßen. Das Essen ist scharf und fett wie immer und die Gastfreundschaft nimmt gegen Norden sogar noch zu, sagt man sich.

Am ärgsten ist für mich wahrschienlich der Abschied von der Schule. Es ist so merkwürdig, weil ich das Gefühl habe, dass meine Umgebung, die Lehrer, die Sprache, die Mentalität, sogar die Religion, die von der Gesellschaft zum Moralrohrtstock geflochten wurde (geht das?), das „thike“ sagen und das Willenzurückschrauben, die Fröhlichkeit („why do you worry, Maria, there is nothing to worry about!“) und Herzlichkeit Teil von mir geworden sind. Inzwischen bin ich jedes meiner Kinder, bin Muqqadaz, die immer nur grinst und Sajid, der weint damit man nach ihm schaut, bin Shehbaz, der schon auf Englisch fluchen kann und Ehsan, der alles versteht aber lieber Blödsinn macht als mit. Vielleicht sollte ich eher sagen, ich find mich in jedem von ihnen wieder. Und schließlich denke ich sogar, ich möchte doch Lehrer werden, weil es so schön ist. Dann habe ich aber die Momente vergessen, als ich vor der Klasse stand und merken musste, dass niemand aufgepasst hat in den letzten fünf Minuten. Als ich innerlich die Wände hochging, weil man es ja doch persönlich nimmt, wenn einem nicht zugehört wird. Und dann von “Teacher Pencil!” zu “Teacher raise” (Eraser!! There is no raise, only the Sun raises) zu „Teacher likliah” (I have finished) bis der Kopf wehtut. Schließlich muss ich mir dann sagen, dass die Kinder ja nicht aus bösem Willen ständing durchnanderrufen und rumblödeln, sich hauen und Aufmerksamkeit wollen. Und dann hatte ich es auch schwer, zwischen Unterricht und chuti (off) zu trennen und die Kleinen liefen in manchen Stunden genauso zu mir um mich zu knuddeln, wie heute morgen vor der Schule. Da hatten sie irgendwie erfahren, dass ich nach Indien gehen werde, hingen an meinen Kleidern (dazu eignet sich Chewarcamis übrigens prima, sehr zu empfehlen!) und jammerten „nei jane, nei jane“ (geh nicht, geh nicht!). Und nun fragen sie mich jeden Tag, wann ich denn gehe und warum ich denn gehe. Was soll man denn da sagen? Noch besser ist es bei den Erwachsenen, die mit vorwurfsvoller Miene fragen, ob ich ihr Land denn nicht mag und wenn ich ihnen dann mit tiefer Verbeugung sage Pakistan sei wunderbar, dann sagen sie gut, wieso bleibst Du nicht hier, heiratest, kaufst Dir ein paar Büffel und lebst mit uns? Und das meinen sie auch so. Ich sage, ich muss erst noch studieren und viel lernen. Aber dann kommst Du doch wieder, oder? Ja, vielleicht, es ist halt auch ein bisschen weit von Deutschland nach hier! Ja? Wie weit denn? So weit eben, dass man nicht wissen kann, ob man diese Reise noch einmal macht. Dass ich auch gerne noch andere Länder dieser Erde sehen würde, wenn es mir möglich ist zu reisen, sage ich in dieser Unterhaltung besser nicht, denn mir geht es ja gut in Pakistan, wieso sollte ich woanders leben wollen?

Ich habe gehört, dass eure Schlagzeilen sich gerade ausgeschlagen haben, über dieses Land. Ich weiß auch nicht, ob es in der Politik oder bei den Leuten zur Zeit viel Veränderung gibt. Am Montag und Dienstag ist chuti wegen Wahlen aber ich habe noch niemanden getroffen, der hingeht - und ich frage beinahe jeden!

Samstag, 2. Februar 2008

Nur zu Besuch

Vielleicht etwas spaet zum Schreiben, aber was soll man machen um die Zeit in Lahore? Und dann ist es ja auch so, dass es sich am besten schreibt, wenn einem danach ist. Steht da unten eigentlich, dass ich net mehr schreiben koennte? Na gut. Es was also so, dass ich letztes We bei Simi der Viertklasslehrerin zu Besuch und von der Gastfreundschaft dieser Familie wieder so verwirrt war, dass ich schon saemtliche Saetze fuer den Blog ausformuliert hatte in meinem Kopf - dann aber unter der Woche wieder so sehr beschaeftigt war mit dem was man Alltag nennt dass nichts davon in die Tastatur gelangen konnte. Das mit den Photos muss auch noch nachgeholt werden! Da ich aber kein allzugrosser Fan von Nachholen in diesem Sinne bin, kommt was ich gestern und heute erlebe zuerst.

Wir sind Mit Lukas, einem Volu aus Oesterreich (Mentalitaet ganz dementsprechend*) in Lahore unterwegs. Matze, Samir und ich, auf dem Motorrad sind das also vier. Oder zwei und die zwei andern in der Rikscha. So gehen wir seit Freitag von a nach b, schauen einen guten Film aus dem Iran, hoeren ein Sitar-Taba Konzert (traditionelle Musik) und im Anschluss ganz untraditionelle Musik an einem wiederanderen Ort, bis wir bei Hotel California sind und ich mit einem Cappuccino in der Hand (wer hat mir den eigentlich bestellt?) schon denke, das koennte auch Europa sein - oder Amerika oder woimmer.
Woran ich dann merke, dass ich doch in Pakistan bin ist, dass ich beinahe die einzige Frau im Raum bin und entsprechend ueberraschte Blicke ernte. Das ist aber auch alles. Angesprochen werde ich kaum und das ist vielleicht ganz gut so - ich habe mein Bekanntschaftsinteresse hier etwas runtergeschraubt, weil es meistens doch nur darin endet, dass man erzaehlt, wies der Familie (die der andre ja gar net kennt) geht, dass ich nicht zu Wort komme, weil der/die Gegenueber so sicher im Reden ist, oder dass ich eh ich mich verseh irgendjemandes bester Freund bin, und dass ich mir ueberlegen muss, ob ich diese Unterhaltung ueberhaupt fuehren sollte oder lieber mich umdrehn zu meinen Jungs um deren Reden folgen und meine eigenen Gedanken zu machen... So geschieht es also, dass nicht nur jeder Deutsche, den ich hier treffe irgendwie familiaer wirkt, sondern auch jeder andere Auslaender. Mit dem Australier habe ich nur ein paar Worte wechseln muessen und schon gemerkt, wie anders sich das anfuehlt, weil er es gewohnt ist, mit Frauen, mit Reisenden, mit jedem eben zu reden. Zuhoeren. Aber darin kann ich mich ja nun ueben. Und dann (wenn man das kann) werden auch die Gespraeche mit den Einheimischen superinteressant. So waren wir gestern beim Chan-bhai (Talat Bilal Achmet Khan oder so mit ganzem Namen, aber jeder kennt ihn als den Mondbruder) zuhause und haben lange Saetze ueber Das Pakistanische Volk, seine Geschichte, die Gruende fuer den Hass auf bestimmte Gruppen usw usf gehoert, was ich hier nicht ausfuehren moechte, weil das spannende wieder nicht blogtauglich ist (wir koennen ja mal telephonieren). Aber das war wirklich jemand, der hier leibt und lebt. Chan-Bhai hat um die Ecke einen Laden und ist also einer der vielen Shopkeeper, die ich sonst im Vorbeifahren an der Strasse sitzen sehe und mich frage, was fuer ein Leben dahinter ist. Jetzt habe ich immerhin eine kleine Idee davon. Auch, weil ich lange mit seinen Frauen gequatscht habe. Nicht, dass er mehrere Frauen haette - das weiss ich nicht, aber wegen der Bharda (Abstand von den Maennern) waren Frau und Mutter und Oma und Tochter und Hausmaedchen und und und im hinteren Teil des Hauses versammelt, welchen unsre drei Jungs nun nicht betreten durften. Aber ich darf doch, oder? Ja, endlichmal was, was ich darf eben weil ich Frau bin! Und obwohl es wieder die anderen waren, die mich unterhalten haben (dabei bin ich glaube ich gar nicht redefaul oder so) und sich die Frauen ironischerweise noch bedankt haben, dass ich ihnen von meiner Kultur und meinem Leben so viel ins Haus gebracht habe (wo ich doch gar net dazu kam), war ich wirklich geruehrt und habe mich nach laengerhierbleiben gefuehlt - zumal die 18 Monate alte Tochter mich ganz strickt dazu angehalten hat (deutet auf den Stuhl, und sagt ich solle mich bitteschoen wieder setzen). Und dann das Hausmaedchen Muqqadaz vom Dorf, die den guten Tee gemacht hat und mit mir Tiddeli hun mae Tiddeli hun gesagt hat, was ein wirklich suesses Gedicht aus der Schule ist. Schliesslich hat sie mich umarmt (in der Kueche, wo es die anderen nicht gesehen haben), die alten Frauen haben mir ihren Segen gegeben Und die Jungs im Vorderzimmer mein Abendessen, Naan und Kabab was scharf aber echt gut ist.

Und nun sind die Konzerte vorbei, wir sind bei einem eher reichen und gut englischsprechenden weilinUSAundAfrikaaufgewachsenen Freund von Lukas gelandet, haben heute wieder eine Menge verschiedener Caes getrunken und sind dementsprechend muede. Dabei glaube ich, es sind eher die Erlebnisse, dei Muede machen. Muede und wach. Und schreibfreudig.

*bist Du hier eigentlich reise- oder krankenversichert oder so? - ja, ich hab da was, weiss aber nicht so genau wofuer, ist irgendwie Berufsrisiko!

Samstag, 26. Januar 2008

Bloggeschichten

Ich glaube, ich kann hier nicht mehr richtig schreiben! Von Pizzahüten und frechen Kindern vielleicht. Nicht aber von Pakistan, von Kultur, Religion, Gesellschaft (was für Schlagworte!), von meinen Gedanken, meinen Erfahrungen, meinen Gesprächen. Es ist doch zu arg für einen Blog (habe ich gestern Nacht auf dem Dach denken müssen) und wer mich kennt hat bemerkt, dass die letzten Einträge sehr gefiltert waren, um nach außen zu gelangen - dass ich nicht mehr wirklich ausmirrausschreibe. Bis auf Caspar wird kaum telephoniert und wenn, dann, weiß ich nicht was sagen, wie ich ein Bild vermitteln kann. Aber ich habe die meisten Bilder ja in mir (und manche auch in einer kleinen Digicam :)) und freue mich damit umso mehr auf die Begegnung mit Dir in Deutschland oder woauchimmer. Ich werde trotzdem weiterschreiben, Fotos laden, sagen wie und wo ich bin, aber das ist eben lange nicht alles...

Dienstag, 22. Januar 2008

Neues aus dem Pizzahut

Inzwischen kenne ich meine Westen – bzw. meine Chewarcamistasche weitaus besser als Lahore. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich sie selbstgemacht habe (und meine Schüler machen mich jeden Morgen darauf aufmerksam, wie ungewöhnlich eine weibliche Hosentasche ist „Teacher, Pocket, Pocket“). Wahrscheinlich ist es auch kein Ding der Unmöglichkeit, sich in dieser Stadt zurechtzufinden – nicht für einen der vielen Rikshafahrer, die uns immer übers Ohr ziehen mit dem Geld weil wir Ausländer sind. Aber für mich als (fremde) Frau scheint es hier doch keinen Zugang zu geben! Ich habe bisher weder einen klaren Stadtplan gesehen noch könnte ich sagen, in welcher Himmelsrichtung Roshni liegt. Da blutet meine Artabanseele schon ein bisschen! In die „lokal Vans“ steigt man ein und wieder aus und verlässt sich auf Nummern und Nachfragen und Frau sollte alleine besser gar nicht damit fahren. Und ich muss mich dann fragen, ob die Männer denn wirklich alle solche Schelme hier sind, dass sich keine Dame frei bewegen kann, oder ob die Familien das bloß nicht so wollen (und dann höre ich Sätze wie „wozu studieren, ich werde doch Heiraten und Kinder bekommen!“ willst Du das so? Darum geht es hier nicht!).

Dass wir Deutschen es immer schwerer haben, am öffentlichen Leben teil zu nehmen, lässt sich natürlich auf die Situation im Land zurückführen, die immer was neues bereit hat, wenn gerade wieder ein Plan entstanden ist, wie wir etwas von Pakistan sehen könnten. Aber da man sagen kann, die Lage ist ernst (so steht es schließlich auch in den Medien), ist es wirklich vernünftiger, daheim zu bleiben (was sagt Tocotronic nochmal zur Vernunft?!).
Angesichts des ganzen Attentatblödsinns kann ich es keinem der Menschen hier verdenken, wenn er ein riesen Misstrauen hat gegenüber allem was außerhalb seiner zehn Wände abläuft. Wählen geht deshalb auch keiner, mit dem ich bisher gesprochen hab. „There is no party worth to vote for“, sagen sie. Und schämen sich für ihr eigenes Volk…

Leider bekomme ich diese Gespräche hauptsächlich dadurch mit, dass ich eben doch ab und an mit anderen Leuten spreche - z.b. meine Freundin Anum in der Stadt besuche. Das war letztes Wochenende und was ich eigentlich schreiben wollte. Vom Pizzahut, dem einzigen Restaurant, in dem sie sich sicher fühlt mit mir, von Ihrer Radiosendungsschwester und der Kullum Kalli Show, in welcher ich 2 Stunden der tolle Deutsche Gast war und in welcher meine Lieblingsfrage immer wieder kam: „How do you feel in Pakistan?“. Vom Gol Gappey essen und Passfotos machen, von ihrem Mädchen College und wie am Abend alles wieder im Pizzahut endete, wo wir schließlich in Sicherheit waren.

Aber das ist ja nun vorbei, eine weitere Schulwoche ist vergangen und die erste Klasse ist nach wie vor nicht unter Kontrolle ihrer neuen Lehrerin (Anum ist in die Stadt gezogen und kann nicht mehr unterrichten)t. Meine ganze Laune hängt davon ab, wie effektiv, wie ruhig der Unterricht war und meine freie Zeit verbringe ich mit Heftarbeit für die erste. Oder mit Gitarre und unseren Betreuten, für die Helen ja nicht allein die Verantwortung übernehmen soll. Außerdem bin ich jetzt die Ziegenmama und wannimmer etwas mit den kleinen „Lellys“ ist, holt mich der Nachtwächter (ein großer fast unheimlicher Patane mit einem Revolver) und sagt mir mit unserer Zeichensprache, was ich tun soll. Gestern wollte er, dass ich Feuer mach für das Neugeborene. Sag ich, er kann doch selber Feuer machen. Sagt er nein nein, dazu braucht es zwei Leute. Alles klar! Und als ich es zu seiner echten Mama bring um es trinken zu lassen, sag ich es braucht zwei Leuts, damit einer die Ziege festhalten kann. Sagt er nein, ich soll weggehen, dann kann der Fahrer sich drum kümmern. Ich bleibe, um zu sehen, wie es trinkt und mache wahrscheinlich wieder einen Kulturfehler mit diesen Leuten in einem Raum zu sein. Wie beim Fußball ohne Dubata. Aber ich möchte ja auch mitmachen bei dem Leben hier – das hab ich erst gestern wieder gemerkt, als wir zu Besuch bei der Familie eines anderen Fahrers auf dem Dorf waren. Da warn die Kinder barfuß und haben uns ihre Tiere gezeigt und wie üblich die ganze Familie. Da wurden die Rotis überm Feuer gebacken und auf dem Boden gegessen. Und bei jedem kleinsten Feuerdraußengeruch spielen sich in mir lauter 4 oder 5d Filme meiner Artabanfahrten ab - weißt Du, was ich mein?

Ich werde nun Anfang März nach Indien gehen (wenn ich bis dahin, insh Allah, das Visum bekomme) um dort noch etwa drei Wochen reisen zu können – Eigenverantwortung und so. Das ist mit Sicherheit schade für meine Arbeit hier, aber es muss glaub so sein (diese Würfel sind schon seit einer Weile gefallen). Vielleicht kann ich von dort aus auch reflektieren, was ich hier gemacht habe und warum und wie und was es mit mir gemacht hat. Oder eben in Deutschland - hier gelingt es mir nicht ganz, mir auf die Finger zu schauen. Im Prinzip würde ich auch gerne festhalten, was ich alles gearbeitet habe mit den Schülern, Unterrichtsübergabe und Praktikumsbericht, aber diese Worte klingen hier merkwürdig fremd. Zu Deutsch vielleicht.

Donnerstag, 10. Januar 2008

Und ständig betet der Lautsprecher

Das Allabendliche Brotpacken ist inzwischen richtig meditativ für mich. Ich bin dann noch mehr in Gedanken als sonst, trödel in meiner Vergangenheit umher und versuch mir ein Bild von meinem Leben zu machen (vielleicht find ich so ja raus, was es mit mir noch vorhat – oder ich mit ihm). Dann bin ich wieder hier, Tacker rechts, tacker links (und morgen führen wir nach Tatakedona, wenn nicht schon wieder...) und will die Gesellschaft begreifen mit all ihren Gründen für was sie tun und lassen. Warum die Frauen nichts machen können, ohne die Erlaubnis ihres Vaters, Mannes, Bruders oder sogar des Sohnes. Ob die Leute wirklich so stolz auf ihr Land sind wie es scheint, oder ob es nur so scheinen muss für uns Ausländer. Und dann immer wieder die Frage nach den Anschlägen. „Keine Sorge, hier geht nicht jeden Tag eine Bombe hoch“ hatte ich geschrieben (alte Bloggeschichten). Inzwischen kann ich mir dessen gar nicht mehr sicher sein. Vor wenigen Stunden hat es auch die ruhige Kulturmetropole Lahore erwischt – und mit ihr 20 Menschen, nicht ich, „andere“ eben. Keine Benazir, keine Namen. Vielleicht waren es auch mehr. Diesmal wird sich darüber unterhalten – schließlich war es in unserer Stadt. Ich würde immer noch sagen, macht euch keine Sorgen. Jedenfalls nicht um mich. Aber doch um die, die das Leben nehmen, nicht wissen was tun damit und schließlich es sich (und anderen) weg-nehmen müssen.

Ich habe gehört, dass die Gebete auf Arabisch sind. Dann bin ich zumindest nicht die Einzige, die nicht versteht, was da gesagt wird! Die Baustelle vor meinem Fenster ist eine Moschee geworden. Wir warten jetzt auf die Mikrophone (weil unsere Bitte, diese nicht anzubringen, vermutlich in den Wind oder in ein Lachen umgeschlagen wurde), während ich auf einen guten Nachrichtendienst warte, der mir sagen kann, wo wann was passiert ist und weshalb…

Inzwischen unterrichte ich auch die erste Klasse in Englisch. So ist der Vormittag für mich recht rund geworden: Ein Satz ins Heft mit der 3. Klasse (11 h), mit der 2. ein Wort (12 h) und mit den Erstklässlern den nächste Buchstaben im ABC (12:45 h). Dann bis Schulschluss (13:30 h) wie auch im Hautunterricht Schönschreiben mit den "weaker students", Khana kane, Leben mit den Betreuten, Homelessons, Fußball (jetzt sogar schon Volleyball), Khana kane - im rotibacken mache ich mich auch schon ganz gut - und der Abend wird schließlich den Broten gewidmet...

Samstag, 5. Januar 2008

Wissenslücken

Die Schule hat wieder begonnen und wird einfach immer besser. Nicht, dass die Kinder ruhiger würden, aber ich werde es. Dabei werfe ich ab und an einige Wörter Urdu in die Klasse und die Sicherheit, dass ich nicht so sehr ankämpfen muss gegen alle Zurückhaltung, die Man uns Frauen hier lehrt. Trotzdem ein bisschen traurig, wenn Verantwortung und Initiative kleingeschrieben werden und "thike", was soviel heißt wie "ok, passt!" das meistbenutzte Wort hier ist. Auf der anderen Seite scheinen die Frauen sich gar nicht so sehr über ihre Rolle zu ärgern, wie man als Außenstehende denken mag. Sie lachen bei dem Gedanken, dass die Burka aus Europa gesehen Zeichen ihrer Unterdrückung ist. Außerhalb ihres privaten Lebens tragen sie gerne die schwarze Tracht, die mich am Flughafen in Dubai noch so traurig gemacht hat, weil ja "nur" die Augen rausgucken können (in einem meiner ersten Posts zu lesen). Für sie ist das nur ein besserer Schutz vor den Blicken der Männer und Zeichen dafür, dass sie eine religiöse und somit achtbare, zu respektierende Person sind. "It's not a question of like or dislike, you just feel more secure, more comfortabel in it!" sagt die 5.Klass Leherinnen zu mir, als sie nach dem Unterricht ihr buntes Chewarcamis unter der Burka verschwinden lässt.

Die Gespräche sind immer wieder offener, als ich erwartet hätte. Manchmal überrumpelt es mich, wie sich Vorurteile und klischees bestätigen, manchmal bin ich fröhlich, eine eigene Wahrheit rausfinden, erfragen, erraten zu können. Da dieser Blog auch einen Teil des öffentlichen Lebens darstellt, ist es euch leider nicht vergönnt meine ganze Meinung hier zu finden. Und mir nicht, so locker flockig alles runterzuschreiben wie zu Beginn. Die Zeit fliegt wieder über alles weq. Haben wir denn schon 2008? Werde ich 21, wenn ich wieder in Deutschland bin? Habe ich später eine Lücke im Lebenslauf...