„Now You have fullfilled your task in Lahore!“, sagt Sahid und hat recht: was Lahore betrifft kann ich heute ein Häckchen machen. Jeden Donnerstag versammeln sich hier die Menschen, will sagen Männer an den „Sufi Shreins“ und tormmeln und rauchen und schütteln die Köpfe bis zum Morgengrauen (es heißt zu dieser Zeit tanzen sogar einige). Dann ziehen sie mit bunt geschmückten Eselskarren wieder raus aus der Stadt hin zu ihren Feldern, wo sie Orangen und Grüne Sachen aufladen, was vielleicht manchmal Spinat ist oder so, um diese am Tag mit lauten Stimmen wieder zu verkaufen. Und dann sind die Karren so überladen, dass mir die Esel leid tun, wenn sie auf meinem Weg zur Schule vorbeischlurfen, immer wieder geschlagen von kleinen Jungs mit Stöcken und rauhen Rufen.
Nein, aber für seine wöchentlichen Drumfestivals ist Lahore berühmt. Und ich machte mir schon Sorgen, dass ich hier war und doch nicht dort sein konnte in meiner ganzen Zeit. Dann sind wir also alle ins Auto gestiegen und hin zur Sher Janan Mosqe, was eigentlich einige Gräber sind, aber davon war nichts mehr zu sehen, so eng standen und saßen sie. Immerhin muss man noch die Schuhe ausziehen, wenn man auf einem Grab sitzt (und Gulzar der Fahrer weist mich gleich zurecht). Zwischen den ganzen Männern sind wir nicht nur die einzigen Weißen (Gora Gora), sondern auch die einzigen Frauen. Nach einer Weile Trommenlmusik sehe ich erst die Einheimischen Frauen, die zusammen hinter einem Gitter sitzen. Aber wir sind angreze, wir können hier bleiben - zum Preis von etlichen Blicken, Köpfedrehen bis hin zum Handykamera zücken und schließlich wieder das alte Lied „Where are you from?“. Mae eek pattan (die etwas helleren Pakistanis aus den Bergen) hun. Nei, ham pardese (Ausländer) nei hae! Auf Urdu irgendeinen Quatsch erzählen ist am lustigsten. Mit Gärtnern und Fahrern reden wir nur lachenden Unsinn. Aber das sollen wir eigentlich nicht, weil diese Leute ja kein guter Umgang sind. Ich hab schon lang kein Fußball mehr gespielt. Aber jetzt kommt ein Altsaxophon zu den beiden Trommlern und fängt ganz melancholisch an zu spielen. Die Leute rufen und singen immer wieder und nach dem traurigen Sax stellt sich einer hin und singt. Die meisten kennen seine Lieder und summen mit. Schade, ich nicht. Wenn ich nur ein bisschen grins oder so mit dem Kopf hin und her geh, gehen die Blicke wieder zu uns und wundern sich. Guck mal, sie kann lachen. Sie sagt Acca und Thike. Where are you from? Aber wir haben ja unseren Fahrer und Sahid und Jabba mit und so sind wir auch vor sämtlichen Ansprechungen sicher – bis auf einen Belgier, der froh ist Ausländer zu treffen (guck mal, die Frauen geben ihm die Hand! Ja, das macht man glaub so in Europa…). Und überall riecht es nach Gras. In der Menge tauchen immer wieder Hände auf, die fünf Tütchen auf einmal halten. Wahrscheinlich liegt die Tanzerei im Morgegrauen dann auch eher daran. Aber wir bleiben nicht so lang und wir bleiben bei Zigaretten. Morgen ist Schule, ich hab erlebt, was ich sehen musste und Lahore ist für mich mehr als erfüllt.
Das schöne daran, wenn man sich nicht so viel frei (nicht so viel frei?) bewegen kann in einem Gebiet ist, dass alles was man dort tut, ganz wertvoll wird. Oder zumindest seht besonders Jetzt müsste ich eigentlich vom Dienstag erzählen, als ich mit Matze in die Moschee gegangen bin und wir den das Mittagsgebet sehen konnten (mitmachen ging natürlich nicht). Wenn Du erlebst, wie viele Menschen so gemeinsam beten (jeden Tag und manche fünf mal) und dir denkst, was sie dabei verbindet und für was jeder einzelne beten mag (es ist bestimmt etwas gutes), dann verändert sich sich auch gleich das trockene Bild von Religion, das du dir zuvor aus Gesprächen und Schlagzeilen und „Islam verstehen“-Büchern gemacht hast.
Noch einmal können wir die Gastfreundschaft, das Interesse und die Herzlichkeit einer pakistanischen Familie erleben, als uns der Moscheeaufseher zum Essen bei sich einläd. Ich rede zunächst mit Tochter und Frau und sie will mir gleich zeigen, wie man Dal (Linsen, die es immer zu den Rotis gibt) kocht, während Matze sich mit den Jungs über Politik und Kultur unterhält. Da hab will ich dann doch zuhören und weil ich denke, sie sind eine modernere Familie, sag ich sogar was zu dem Männergespräch. Da sind sie aber doch zu sehr verwundert und so wende ich mich wieder dem Dal zu, gesellschaftskonform sozusagen (das hab ich hier erst gelernt).
Pakistan tanzt, heißt es in Deutschland, wegen der Wahlergebnisse. Ich hab jedenfalls noch keinen tanzen gesehen (heute sind wir ja auch zu früh nachhause), es ist ähnlich wie am 27 Dez oder bei dem Attentat am Anarkali Bazar. Die (in diesem Fall positive) Nachricht kommt an und das Leben geht weiter. Keine Euphorie. Aber froh sind sie doch, dass die Wahlen so verlaufen sind und dass es nicht noch mehr „Trouble“ geben muss.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen