Samstag, 26. Januar 2008

Bloggeschichten

Ich glaube, ich kann hier nicht mehr richtig schreiben! Von Pizzahüten und frechen Kindern vielleicht. Nicht aber von Pakistan, von Kultur, Religion, Gesellschaft (was für Schlagworte!), von meinen Gedanken, meinen Erfahrungen, meinen Gesprächen. Es ist doch zu arg für einen Blog (habe ich gestern Nacht auf dem Dach denken müssen) und wer mich kennt hat bemerkt, dass die letzten Einträge sehr gefiltert waren, um nach außen zu gelangen - dass ich nicht mehr wirklich ausmirrausschreibe. Bis auf Caspar wird kaum telephoniert und wenn, dann, weiß ich nicht was sagen, wie ich ein Bild vermitteln kann. Aber ich habe die meisten Bilder ja in mir (und manche auch in einer kleinen Digicam :)) und freue mich damit umso mehr auf die Begegnung mit Dir in Deutschland oder woauchimmer. Ich werde trotzdem weiterschreiben, Fotos laden, sagen wie und wo ich bin, aber das ist eben lange nicht alles...

Dienstag, 22. Januar 2008

Neues aus dem Pizzahut

Inzwischen kenne ich meine Westen – bzw. meine Chewarcamistasche weitaus besser als Lahore. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich sie selbstgemacht habe (und meine Schüler machen mich jeden Morgen darauf aufmerksam, wie ungewöhnlich eine weibliche Hosentasche ist „Teacher, Pocket, Pocket“). Wahrscheinlich ist es auch kein Ding der Unmöglichkeit, sich in dieser Stadt zurechtzufinden – nicht für einen der vielen Rikshafahrer, die uns immer übers Ohr ziehen mit dem Geld weil wir Ausländer sind. Aber für mich als (fremde) Frau scheint es hier doch keinen Zugang zu geben! Ich habe bisher weder einen klaren Stadtplan gesehen noch könnte ich sagen, in welcher Himmelsrichtung Roshni liegt. Da blutet meine Artabanseele schon ein bisschen! In die „lokal Vans“ steigt man ein und wieder aus und verlässt sich auf Nummern und Nachfragen und Frau sollte alleine besser gar nicht damit fahren. Und ich muss mich dann fragen, ob die Männer denn wirklich alle solche Schelme hier sind, dass sich keine Dame frei bewegen kann, oder ob die Familien das bloß nicht so wollen (und dann höre ich Sätze wie „wozu studieren, ich werde doch Heiraten und Kinder bekommen!“ willst Du das so? Darum geht es hier nicht!).

Dass wir Deutschen es immer schwerer haben, am öffentlichen Leben teil zu nehmen, lässt sich natürlich auf die Situation im Land zurückführen, die immer was neues bereit hat, wenn gerade wieder ein Plan entstanden ist, wie wir etwas von Pakistan sehen könnten. Aber da man sagen kann, die Lage ist ernst (so steht es schließlich auch in den Medien), ist es wirklich vernünftiger, daheim zu bleiben (was sagt Tocotronic nochmal zur Vernunft?!).
Angesichts des ganzen Attentatblödsinns kann ich es keinem der Menschen hier verdenken, wenn er ein riesen Misstrauen hat gegenüber allem was außerhalb seiner zehn Wände abläuft. Wählen geht deshalb auch keiner, mit dem ich bisher gesprochen hab. „There is no party worth to vote for“, sagen sie. Und schämen sich für ihr eigenes Volk…

Leider bekomme ich diese Gespräche hauptsächlich dadurch mit, dass ich eben doch ab und an mit anderen Leuten spreche - z.b. meine Freundin Anum in der Stadt besuche. Das war letztes Wochenende und was ich eigentlich schreiben wollte. Vom Pizzahut, dem einzigen Restaurant, in dem sie sich sicher fühlt mit mir, von Ihrer Radiosendungsschwester und der Kullum Kalli Show, in welcher ich 2 Stunden der tolle Deutsche Gast war und in welcher meine Lieblingsfrage immer wieder kam: „How do you feel in Pakistan?“. Vom Gol Gappey essen und Passfotos machen, von ihrem Mädchen College und wie am Abend alles wieder im Pizzahut endete, wo wir schließlich in Sicherheit waren.

Aber das ist ja nun vorbei, eine weitere Schulwoche ist vergangen und die erste Klasse ist nach wie vor nicht unter Kontrolle ihrer neuen Lehrerin (Anum ist in die Stadt gezogen und kann nicht mehr unterrichten)t. Meine ganze Laune hängt davon ab, wie effektiv, wie ruhig der Unterricht war und meine freie Zeit verbringe ich mit Heftarbeit für die erste. Oder mit Gitarre und unseren Betreuten, für die Helen ja nicht allein die Verantwortung übernehmen soll. Außerdem bin ich jetzt die Ziegenmama und wannimmer etwas mit den kleinen „Lellys“ ist, holt mich der Nachtwächter (ein großer fast unheimlicher Patane mit einem Revolver) und sagt mir mit unserer Zeichensprache, was ich tun soll. Gestern wollte er, dass ich Feuer mach für das Neugeborene. Sag ich, er kann doch selber Feuer machen. Sagt er nein nein, dazu braucht es zwei Leute. Alles klar! Und als ich es zu seiner echten Mama bring um es trinken zu lassen, sag ich es braucht zwei Leuts, damit einer die Ziege festhalten kann. Sagt er nein, ich soll weggehen, dann kann der Fahrer sich drum kümmern. Ich bleibe, um zu sehen, wie es trinkt und mache wahrscheinlich wieder einen Kulturfehler mit diesen Leuten in einem Raum zu sein. Wie beim Fußball ohne Dubata. Aber ich möchte ja auch mitmachen bei dem Leben hier – das hab ich erst gestern wieder gemerkt, als wir zu Besuch bei der Familie eines anderen Fahrers auf dem Dorf waren. Da warn die Kinder barfuß und haben uns ihre Tiere gezeigt und wie üblich die ganze Familie. Da wurden die Rotis überm Feuer gebacken und auf dem Boden gegessen. Und bei jedem kleinsten Feuerdraußengeruch spielen sich in mir lauter 4 oder 5d Filme meiner Artabanfahrten ab - weißt Du, was ich mein?

Ich werde nun Anfang März nach Indien gehen (wenn ich bis dahin, insh Allah, das Visum bekomme) um dort noch etwa drei Wochen reisen zu können – Eigenverantwortung und so. Das ist mit Sicherheit schade für meine Arbeit hier, aber es muss glaub so sein (diese Würfel sind schon seit einer Weile gefallen). Vielleicht kann ich von dort aus auch reflektieren, was ich hier gemacht habe und warum und wie und was es mit mir gemacht hat. Oder eben in Deutschland - hier gelingt es mir nicht ganz, mir auf die Finger zu schauen. Im Prinzip würde ich auch gerne festhalten, was ich alles gearbeitet habe mit den Schülern, Unterrichtsübergabe und Praktikumsbericht, aber diese Worte klingen hier merkwürdig fremd. Zu Deutsch vielleicht.

Donnerstag, 10. Januar 2008

Und ständig betet der Lautsprecher

Das Allabendliche Brotpacken ist inzwischen richtig meditativ für mich. Ich bin dann noch mehr in Gedanken als sonst, trödel in meiner Vergangenheit umher und versuch mir ein Bild von meinem Leben zu machen (vielleicht find ich so ja raus, was es mit mir noch vorhat – oder ich mit ihm). Dann bin ich wieder hier, Tacker rechts, tacker links (und morgen führen wir nach Tatakedona, wenn nicht schon wieder...) und will die Gesellschaft begreifen mit all ihren Gründen für was sie tun und lassen. Warum die Frauen nichts machen können, ohne die Erlaubnis ihres Vaters, Mannes, Bruders oder sogar des Sohnes. Ob die Leute wirklich so stolz auf ihr Land sind wie es scheint, oder ob es nur so scheinen muss für uns Ausländer. Und dann immer wieder die Frage nach den Anschlägen. „Keine Sorge, hier geht nicht jeden Tag eine Bombe hoch“ hatte ich geschrieben (alte Bloggeschichten). Inzwischen kann ich mir dessen gar nicht mehr sicher sein. Vor wenigen Stunden hat es auch die ruhige Kulturmetropole Lahore erwischt – und mit ihr 20 Menschen, nicht ich, „andere“ eben. Keine Benazir, keine Namen. Vielleicht waren es auch mehr. Diesmal wird sich darüber unterhalten – schließlich war es in unserer Stadt. Ich würde immer noch sagen, macht euch keine Sorgen. Jedenfalls nicht um mich. Aber doch um die, die das Leben nehmen, nicht wissen was tun damit und schließlich es sich (und anderen) weg-nehmen müssen.

Ich habe gehört, dass die Gebete auf Arabisch sind. Dann bin ich zumindest nicht die Einzige, die nicht versteht, was da gesagt wird! Die Baustelle vor meinem Fenster ist eine Moschee geworden. Wir warten jetzt auf die Mikrophone (weil unsere Bitte, diese nicht anzubringen, vermutlich in den Wind oder in ein Lachen umgeschlagen wurde), während ich auf einen guten Nachrichtendienst warte, der mir sagen kann, wo wann was passiert ist und weshalb…

Inzwischen unterrichte ich auch die erste Klasse in Englisch. So ist der Vormittag für mich recht rund geworden: Ein Satz ins Heft mit der 3. Klasse (11 h), mit der 2. ein Wort (12 h) und mit den Erstklässlern den nächste Buchstaben im ABC (12:45 h). Dann bis Schulschluss (13:30 h) wie auch im Hautunterricht Schönschreiben mit den "weaker students", Khana kane, Leben mit den Betreuten, Homelessons, Fußball (jetzt sogar schon Volleyball), Khana kane - im rotibacken mache ich mich auch schon ganz gut - und der Abend wird schließlich den Broten gewidmet...

Samstag, 5. Januar 2008

Wissenslücken

Die Schule hat wieder begonnen und wird einfach immer besser. Nicht, dass die Kinder ruhiger würden, aber ich werde es. Dabei werfe ich ab und an einige Wörter Urdu in die Klasse und die Sicherheit, dass ich nicht so sehr ankämpfen muss gegen alle Zurückhaltung, die Man uns Frauen hier lehrt. Trotzdem ein bisschen traurig, wenn Verantwortung und Initiative kleingeschrieben werden und "thike", was soviel heißt wie "ok, passt!" das meistbenutzte Wort hier ist. Auf der anderen Seite scheinen die Frauen sich gar nicht so sehr über ihre Rolle zu ärgern, wie man als Außenstehende denken mag. Sie lachen bei dem Gedanken, dass die Burka aus Europa gesehen Zeichen ihrer Unterdrückung ist. Außerhalb ihres privaten Lebens tragen sie gerne die schwarze Tracht, die mich am Flughafen in Dubai noch so traurig gemacht hat, weil ja "nur" die Augen rausgucken können (in einem meiner ersten Posts zu lesen). Für sie ist das nur ein besserer Schutz vor den Blicken der Männer und Zeichen dafür, dass sie eine religiöse und somit achtbare, zu respektierende Person sind. "It's not a question of like or dislike, you just feel more secure, more comfortabel in it!" sagt die 5.Klass Leherinnen zu mir, als sie nach dem Unterricht ihr buntes Chewarcamis unter der Burka verschwinden lässt.

Die Gespräche sind immer wieder offener, als ich erwartet hätte. Manchmal überrumpelt es mich, wie sich Vorurteile und klischees bestätigen, manchmal bin ich fröhlich, eine eigene Wahrheit rausfinden, erfragen, erraten zu können. Da dieser Blog auch einen Teil des öffentlichen Lebens darstellt, ist es euch leider nicht vergönnt meine ganze Meinung hier zu finden. Und mir nicht, so locker flockig alles runterzuschreiben wie zu Beginn. Die Zeit fliegt wieder über alles weq. Haben wir denn schon 2008? Werde ich 21, wenn ich wieder in Deutschland bin? Habe ich später eine Lücke im Lebenslauf...