Dienstag, 22. Januar 2008

Neues aus dem Pizzahut

Inzwischen kenne ich meine Westen – bzw. meine Chewarcamistasche weitaus besser als Lahore. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich sie selbstgemacht habe (und meine Schüler machen mich jeden Morgen darauf aufmerksam, wie ungewöhnlich eine weibliche Hosentasche ist „Teacher, Pocket, Pocket“). Wahrscheinlich ist es auch kein Ding der Unmöglichkeit, sich in dieser Stadt zurechtzufinden – nicht für einen der vielen Rikshafahrer, die uns immer übers Ohr ziehen mit dem Geld weil wir Ausländer sind. Aber für mich als (fremde) Frau scheint es hier doch keinen Zugang zu geben! Ich habe bisher weder einen klaren Stadtplan gesehen noch könnte ich sagen, in welcher Himmelsrichtung Roshni liegt. Da blutet meine Artabanseele schon ein bisschen! In die „lokal Vans“ steigt man ein und wieder aus und verlässt sich auf Nummern und Nachfragen und Frau sollte alleine besser gar nicht damit fahren. Und ich muss mich dann fragen, ob die Männer denn wirklich alle solche Schelme hier sind, dass sich keine Dame frei bewegen kann, oder ob die Familien das bloß nicht so wollen (und dann höre ich Sätze wie „wozu studieren, ich werde doch Heiraten und Kinder bekommen!“ willst Du das so? Darum geht es hier nicht!).

Dass wir Deutschen es immer schwerer haben, am öffentlichen Leben teil zu nehmen, lässt sich natürlich auf die Situation im Land zurückführen, die immer was neues bereit hat, wenn gerade wieder ein Plan entstanden ist, wie wir etwas von Pakistan sehen könnten. Aber da man sagen kann, die Lage ist ernst (so steht es schließlich auch in den Medien), ist es wirklich vernünftiger, daheim zu bleiben (was sagt Tocotronic nochmal zur Vernunft?!).
Angesichts des ganzen Attentatblödsinns kann ich es keinem der Menschen hier verdenken, wenn er ein riesen Misstrauen hat gegenüber allem was außerhalb seiner zehn Wände abläuft. Wählen geht deshalb auch keiner, mit dem ich bisher gesprochen hab. „There is no party worth to vote for“, sagen sie. Und schämen sich für ihr eigenes Volk…

Leider bekomme ich diese Gespräche hauptsächlich dadurch mit, dass ich eben doch ab und an mit anderen Leuten spreche - z.b. meine Freundin Anum in der Stadt besuche. Das war letztes Wochenende und was ich eigentlich schreiben wollte. Vom Pizzahut, dem einzigen Restaurant, in dem sie sich sicher fühlt mit mir, von Ihrer Radiosendungsschwester und der Kullum Kalli Show, in welcher ich 2 Stunden der tolle Deutsche Gast war und in welcher meine Lieblingsfrage immer wieder kam: „How do you feel in Pakistan?“. Vom Gol Gappey essen und Passfotos machen, von ihrem Mädchen College und wie am Abend alles wieder im Pizzahut endete, wo wir schließlich in Sicherheit waren.

Aber das ist ja nun vorbei, eine weitere Schulwoche ist vergangen und die erste Klasse ist nach wie vor nicht unter Kontrolle ihrer neuen Lehrerin (Anum ist in die Stadt gezogen und kann nicht mehr unterrichten)t. Meine ganze Laune hängt davon ab, wie effektiv, wie ruhig der Unterricht war und meine freie Zeit verbringe ich mit Heftarbeit für die erste. Oder mit Gitarre und unseren Betreuten, für die Helen ja nicht allein die Verantwortung übernehmen soll. Außerdem bin ich jetzt die Ziegenmama und wannimmer etwas mit den kleinen „Lellys“ ist, holt mich der Nachtwächter (ein großer fast unheimlicher Patane mit einem Revolver) und sagt mir mit unserer Zeichensprache, was ich tun soll. Gestern wollte er, dass ich Feuer mach für das Neugeborene. Sag ich, er kann doch selber Feuer machen. Sagt er nein nein, dazu braucht es zwei Leute. Alles klar! Und als ich es zu seiner echten Mama bring um es trinken zu lassen, sag ich es braucht zwei Leuts, damit einer die Ziege festhalten kann. Sagt er nein, ich soll weggehen, dann kann der Fahrer sich drum kümmern. Ich bleibe, um zu sehen, wie es trinkt und mache wahrscheinlich wieder einen Kulturfehler mit diesen Leuten in einem Raum zu sein. Wie beim Fußball ohne Dubata. Aber ich möchte ja auch mitmachen bei dem Leben hier – das hab ich erst gestern wieder gemerkt, als wir zu Besuch bei der Familie eines anderen Fahrers auf dem Dorf waren. Da warn die Kinder barfuß und haben uns ihre Tiere gezeigt und wie üblich die ganze Familie. Da wurden die Rotis überm Feuer gebacken und auf dem Boden gegessen. Und bei jedem kleinsten Feuerdraußengeruch spielen sich in mir lauter 4 oder 5d Filme meiner Artabanfahrten ab - weißt Du, was ich mein?

Ich werde nun Anfang März nach Indien gehen (wenn ich bis dahin, insh Allah, das Visum bekomme) um dort noch etwa drei Wochen reisen zu können – Eigenverantwortung und so. Das ist mit Sicherheit schade für meine Arbeit hier, aber es muss glaub so sein (diese Würfel sind schon seit einer Weile gefallen). Vielleicht kann ich von dort aus auch reflektieren, was ich hier gemacht habe und warum und wie und was es mit mir gemacht hat. Oder eben in Deutschland - hier gelingt es mir nicht ganz, mir auf die Finger zu schauen. Im Prinzip würde ich auch gerne festhalten, was ich alles gearbeitet habe mit den Schülern, Unterrichtsübergabe und Praktikumsbericht, aber diese Worte klingen hier merkwürdig fremd. Zu Deutsch vielleicht.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

unglaublich Maria....., während ich hier in den Niederlanden sitze und an meinem schreibtisch studiere und alles tag ein - tag aus irgendwie gleich ist, glaub ich es mir ein bisschen vorstellen zu können wie es dir gerade in einer ganz anderen welt geht. Es weckt in mir erinnerungen an meine besonderen erlebnisse in Indien. Diese soooo andere welt, mit so anderen anschauungen, vorstellungen und zielen und doch alles nur menschen welche ihr leben auf ihre weise leben wollen oder müssen?!?!?!
geniße es an solchen orten sein zu können auch wenn es manchmal ungemein schwer erscheint.
lg Ben