Freitag, 10. August 2018

Harmonium im Koffer

Am 8.8. komme ich wieder in Berlin an. Ich trinke Wasser aus dem Hahn, hole das Harmonium vom Kofferband und hoffe, dass der Sommer noch ganz ganz lange geht.

Berlin ist heißer als Karachi - 36 Grad. Ich ziehe den Koffer hinter mir her und hoffe dass die Sonne nicht zu stark brennt. Der Koffer mit dem Harmonium, Zohebs Winterjacke und meinem Hochzeitskleid. Schlimmer als in den Bergen kann die Sonne ja hier nicht sein, denke ich mir und gehe weiter. Ich bin sogar an der falschen Bushaltestelle ausgestiegen und so dauert der Weg anstatt 10 Minuten 25. Zuhause angekommen werfe ich mich zitternd aufs Bett und trinke ganz ganz viel Wasser. Wegen eines Hitzeschlags das Referendariat nicht antreten zu können wäre dumm. Vor allem nachdem ich in Pakistan war.

Ich denke and die Berge, die Leute und das Lachen und vermisse alles. In Karachi feierten wir am 6. 8. noch unsere Hochzeit nach ("Meet and Greet") Zohebs Schwester machte mein make-up und kümmerte sich um alles. Wir gingen in einen Frisörsalon, der - aus steuergründen - völlig versteckt war und saßen mit ihr, ihrer Mama und fünf Mädchen, die uns die Haare und Nägel schön machten für eine Stunde da. Alle giggelten. Die Mädels zauberten Maries Frisur vom Dezember wieder hervor und als Shezeen mich später schminkte, fühlte ich mich, als hätte ich noch eine Schwester gewonnen.

Am nächsten Tag musste ich schon wieder packen und am Morgen darauf früh um 5 ging mein Flug. Mein Flug mit dem Koffer mit dem Harmonium, dem Hochzeitskleid und der Winterjacke. Ich versuchte noch "fragile" daraufzukleben aber Istanbul verweigerte. Als ich in Tegel ankam, fühlte ich mich wieder wie zuhause. Ich trat aus dem Flugzeug und hatte so viel vor innerlich, Freunde die ich sehen wollte, der neue Job, Sachen auspacken, all das. Vor allem aber freute ich mich auf Zoheb, der bald nachkommen wird und auf unser neues Leben in Berlin.

Abschied von Gilgit

Zohebs Studentinnen drückten mich, eine weinte und wir lachten: emotional hae, na? Ein kurzer und sehr herzlicher Abschied von Gilgit, dann waren wir in unserem privaten Auto mit Driver und AC. Wir mussten schon früh gehen, damit wir noch vor Abendanbruch den Babusar Pass überqueren konnten, der danach geschlossen wird. Die Fahrt nach Islamabad dauert zehn bis zwölf Stunden, ich trug also meine bequemste Kleidung, kaufte Chips und füllte 5 Liter Wasser ab.

"Babusar ist wunderschön, du wirst schon merken", sagte Zoheb. Wie immer hatte er Recht. Der Pass liegt zwischen Gilgit und Islamabad und erspart einen Umweg auf dem nach Süden hin doch sehr hoppeligen KKH. Wir biegen ab. Im Rückspiegel sehe ich das stetige Lächeln unseres Drivers, dessen Name soviel heißt wie "der richtige Khan". Ich denke an den neuen Premierminister Khan und überlege, ob er den vielen Hoffnungen gerecht werden kann, die jetzt auf ihm liegen. Die Straßen sollen besser werden, die Regionen friedlicher und Gilgit-Baltistan soll endlich Wahlrecht bekommen. Erst vorgestern sind in der Nähe von Chilas 12 Schulen abgebrannt und der mühsam aufgebaute und fast 5 Jahre aufrechterhaltene Frieden wackelte. Es ist eben doch gut, wenn nichts passiert und die ruhigen Tage sind mehr wert, als wir denken.

Von Chilas bis Babusar kriegen wir einen Guard. Er ist sehr nett, schläft manchmal ein und trinkt später mit uns Tee. Auf dem Pass sehen wir am Horizont hell den Nanga Parbat aufblitzen, in der anderen Richtung Indien. Unter uns liegt eine wunderschön sich schlängelnde Straße und um uns herum stehen Ziegen, die ich für David fotographiere. Der Guard lässt uns nach dem Tee weiterziehen und fährt mit dem nächsten zu begleitenden Auto wieder zurück. Langsam wird es auch dunkel. An den Hängen leuchten kleine Lichter wie Sterne auf und in den Wolken zucken Blitze. Noch fünf Stunden bis Islamabad. Zum Abendessen gibt es Daal Channa mit ganz viel Ghee. Wir halten dazu in Abottabad - einer Stadt die auch nicht nur positive Assoziationen mit sich bringt. "Aber eigentlich ist es eine ganz normale große Stadt, in der einfach das normale Leben stattfindet", sagt unser Fahrer fast verzweifelt, als wir darauf zu sprechen kommen. Ich weiß. Man weiß es, wenn man hier ist und das Leben fühlt.

Als wir um 2 endlich da sind, empfängt uns die Familie von Zohebs Freunden so herzlich, fröhlich und warm wie bisher, als wir alle paar Jahre mal vorbeigekommen sind. Wir sitzen im Esszimmer, erzählen, singen und quatschen, bis wir schließlich ganz müde ins Bett müssen, um morgen früh nach Karachi zu fliegen.

Freitag, 3. August 2018

Die Sterne über Gulmit

Gulmit ist das kleine Dorf eine Stunde nördlich von Hunza, das damals durch den Attabad Lake halb unter Wasser begraben wurde. Inzwischen ist der See kleiner geworden und wird für Wassersport genutzt - Gulmit geht es besser. Am schönsten aber sind die Sterne nachts. Hier zwischen den Bergen gibt es nur wenig Licht und sie funkeln so als würden sie sich um sich selbee drehen. Der Himmel ist so still wie die Erde und ich vergesse, welcher Tag es ist.

Hier liegt auch der Borith Lake, wo im März 2012 das Lied "Kleiner Vagabund" entstand. Es war damals der entfernteste Punkt von zuhause für mich. "Es ist immer etwas besonderes, wenn man weiter kommt, als man vorher war", sagt Asma, mit der ich reise, und ich stimme zu, als wir Borit hinter uns lassen. Vor uns ragt die Passu Cathedral empor - ein Berg mit sehr vielen Spitzen, den ich oft auf meine Unipapiere gekritzelt hatte, wenn ich Pakistan vermisste. Es ist schön, sie wiederzusehen. Die Berge hier strahlen so eine Ruhe aus, als wäre es ihnen ganz gleich, ob ich in einem Jahr wiederkomme, oder in hundert.

Wir fahren bis zum Khunjerab Pass, der Grenze zwischen Pakistan und China. Hier gibt es weniger Schnee und mehr Leute als ich dachte. Wir sind auf 4800 Metern und ich bin ohne Jacke. "Die Gletscher schmelzen", sagen die Leute, "wegen der Klimaerwärmung". Wir bleiben nur für einen Chae und einen kurzen Walk an die Grenze, weil ein Mitreisender die Höhe nicht verträgt. Ein Mahnmal gedenkt der Soldaten, die den KKH 1969 von beiden Seiten aus erbaut hatten. Immer wieder sieht man rechts und links der Straße etwas höher im Berg Wege, die Teile der alten Seidenstraße sind. "Es gibt viele Seidenstraße", sagt Mohammed der mit uns fährt lachend. Auch, ob sie von Kabul nach China führt, ist nicht sicher. "Ist die Straße nicht wunderschön?", sagt Asma auf der Rückfahrt. Ich sehe Felsen, Steine, Sand und wieder Felsen, soweit das Auge reicht. Braungrau überall, nur ab und zu weißer Gipfel. 'Der Schwarzwald ist schöner', denke ich in einem Anflug von Heimweh... Und dennoch hat diese Landschaft etwas ungemein wildes und ergreifendes. So als ließen die Berge nicht einmal zu, dass man einen Kommentar über sie macht. Ich bin dankbar, hier sein zu können. Auch wenn es noch tausend andere Valleys und Gipfel hier gibt, die gerne ich sehen würde - Passu lehrt mich mit dem zufrieden zu sein, was ich habe.

Am Abend bin ich wieder in Gulmit bei guten Freunden von Zoheb, die mich wie eine langjährige Freundin begrüßt haben. Wir sitzen spätabends auf der Terrasse von 'Fallen Man's Heaven' und ich erzähle unsere Geschichte. Die nächsten Tage bricht eine Gruppe von ihnen auf, um eine zweiwöchige Gletschertour zu machen. Ich werde etwas eifersüchtig, so eine Tour ist ein Traum von mir. Aber was sage ich? Ich sehe die Sterne über Gulmit und bin zufrieden.