Freitag, 3. August 2018

Die Sterne über Gulmit

Gulmit ist das kleine Dorf eine Stunde nördlich von Hunza, das damals durch den Attabad Lake halb unter Wasser begraben wurde. Inzwischen ist der See kleiner geworden und wird für Wassersport genutzt - Gulmit geht es besser. Am schönsten aber sind die Sterne nachts. Hier zwischen den Bergen gibt es nur wenig Licht und sie funkeln so als würden sie sich um sich selbee drehen. Der Himmel ist so still wie die Erde und ich vergesse, welcher Tag es ist.

Hier liegt auch der Borith Lake, wo im März 2012 das Lied "Kleiner Vagabund" entstand. Es war damals der entfernteste Punkt von zuhause für mich. "Es ist immer etwas besonderes, wenn man weiter kommt, als man vorher war", sagt Asma, mit der ich reise, und ich stimme zu, als wir Borit hinter uns lassen. Vor uns ragt die Passu Cathedral empor - ein Berg mit sehr vielen Spitzen, den ich oft auf meine Unipapiere gekritzelt hatte, wenn ich Pakistan vermisste. Es ist schön, sie wiederzusehen. Die Berge hier strahlen so eine Ruhe aus, als wäre es ihnen ganz gleich, ob ich in einem Jahr wiederkomme, oder in hundert.

Wir fahren bis zum Khunjerab Pass, der Grenze zwischen Pakistan und China. Hier gibt es weniger Schnee und mehr Leute als ich dachte. Wir sind auf 4800 Metern und ich bin ohne Jacke. "Die Gletscher schmelzen", sagen die Leute, "wegen der Klimaerwärmung". Wir bleiben nur für einen Chae und einen kurzen Walk an die Grenze, weil ein Mitreisender die Höhe nicht verträgt. Ein Mahnmal gedenkt der Soldaten, die den KKH 1969 von beiden Seiten aus erbaut hatten. Immer wieder sieht man rechts und links der Straße etwas höher im Berg Wege, die Teile der alten Seidenstraße sind. "Es gibt viele Seidenstraße", sagt Mohammed der mit uns fährt lachend. Auch, ob sie von Kabul nach China führt, ist nicht sicher. "Ist die Straße nicht wunderschön?", sagt Asma auf der Rückfahrt. Ich sehe Felsen, Steine, Sand und wieder Felsen, soweit das Auge reicht. Braungrau überall, nur ab und zu weißer Gipfel. 'Der Schwarzwald ist schöner', denke ich in einem Anflug von Heimweh... Und dennoch hat diese Landschaft etwas ungemein wildes und ergreifendes. So als ließen die Berge nicht einmal zu, dass man einen Kommentar über sie macht. Ich bin dankbar, hier sein zu können. Auch wenn es noch tausend andere Valleys und Gipfel hier gibt, die gerne ich sehen würde - Passu lehrt mich mit dem zufrieden zu sein, was ich habe.

Am Abend bin ich wieder in Gulmit bei guten Freunden von Zoheb, die mich wie eine langjährige Freundin begrüßt haben. Wir sitzen spätabends auf der Terrasse von 'Fallen Man's Heaven' und ich erzähle unsere Geschichte. Die nächsten Tage bricht eine Gruppe von ihnen auf, um eine zweiwöchige Gletschertour zu machen. Ich werde etwas eifersüchtig, so eine Tour ist ein Traum von mir. Aber was sage ich? Ich sehe die Sterne über Gulmit und bin zufrieden.


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