Sonntag, 14. Oktober 2007

Botschafter

Gestern wurde der Mond gesehen, heute wird Eid gefeiert. Der Fastenmonat Ramadan wird mit einem großen Fest beendet, und es darf wieder bei Tageslicht gegessen werden. Wenn die Männer morgens vom Beten zurueckkommen, umarmt man (und Frau!) sich dreimal und wuenscht sich Eid mubarik und wir Praktikanten fragen uns, ob die Leute dann ein Jahr lang auf die naechste Umarmung warten muessen.. Nach dem Fruehstück (es gibt zur Feier des Tages Nudeln in Milch und keine Bratas – aber zum Essen komme ich ein andermal) gehen wir Kaninchens Verwandten-und-Bekannten besuchen (nein, Kaninchen ist doch aus Winni the Poo).

Bei Anum
Ich finde mich wieder in Anams Haus, wo ich mich vor ein paar Tagen so dreist selbst eingeladen hatte. Es ist schoen, sie wiederzusehen und wir sind auch gleich mitten im Reden. Aber diesmal weiß ich wirklich nicht, was ich sie fragen darf. Sie erzaehlt, dass ihre Eltern und die Eltern irgendeines Mannes, an dem sie kein Interesse hat, miteinander so Agreements machen und ich weiß nicht, ob sie verheiratet wird, ohne es zu wollen und ich glaub, sie weiß es gerade auch nicht. Eigentlich hat sie gesagt, sie ist zu jung, aber zaehlt das fuer die Eltern? Nach und nach kommen immer mehr Cousins und Onkelse und Geschwister herein. Manche geben uns die Hand, manche schauen an uns Frauen vorbei. Eid mubarik.
Bei Kaptain Sirajul-din,
Das Essen fuer uns neun Ueberraschungsbesucher ist schnell gerichtet. Nach ein wenig Esserei und Plauderei komme ich aus einer art Stand-by modus heraus (der vor allem Wetterbedingt ist): Der alte Mann, bei dem wir uns hier eingeladen haben erzaehlt von seiner Zeit bei der Marine und von der Teilung Indiens und Pakistans. Die Leute, sagt er, wollten ein Gebiet fuer die Muslimische Bevoelkerung Indiens und eines fuer die Hindus. Nach und nach. Als aber ploetzlich von oben die Teilung kam, musste die Familie (er wohnte damals ca. 2 Stunden von Lahore entfernt) innerhalb von wenigen Minuten ihr Haus verlassen und in Langen Konvois gen Westen fahren. Ich kann ihm nicht immer ganz folgen, mein Englisch und meine Konzentration reichen nicht aus. Er spricht davon, dass Pakistan heute in keinem guten Zustand ist. Vor allem der Politik wegen. Ploetzlich fragt er, was ich dazu denke. Ich muss ueberlegen. „I’m not shure, for I haven’t seen very much of this country jet!“ und ich weiß wirklich zu wenig um mir anzumaßen irgendetwas zum Zustand Pakistans zu sagen. Er freut sich und meint, ich gäbe einen klugen Diplomaten ab.
Als wir gehen, legt mir der Kaptain die Hand auf den Kopf und gibt uns seinen Segen mit. „Nothing will change as long as we don’t stand up... Thank you for being here for You didn’t come for profit but to bring something in our country You can teach us. God would be pleased with you!” Gott? Mein Gott also auch?! Mich erinnert dieser Besuch an einen schoenen Satz, den ich ganz zu Anfang von Shahida gehoert hatte: Jeder von uns ist Botschafter seines eigenen Landes. Eid Mubarik

Bei den Nachbarn
Nun moechte ich eigentlich nur das Photo einfuegen und erwaehnen, dass wir auch hier nicht voher angemeldet waren. Aber zu Eid ist der Tisch anscheinend ueberall gedeckt. Ueberall, wo ein bisschen oder wie hier ein bisschen zu viel Geld vorhanden ist. Eid Mubarik auch euch!

Der Abend endet komisch. Nach dem Essen stehen die Leute hier plötzlich auf und gehen. Wir Deutschen sitzen noch versonnen am Tisch, essen hin und wieder eine Praline oder eins von diesen komischen sueßen Teilen und reden und gucken und staunen. Als wir von besagten Nachbarn heimkommen, machen uns die Tiere zu schaffen: Die Ziege, die gestern geboren wurde stirbt vielleicht morgen wieder – so wie die, die zwei tage voher kam. Eins der Hundewelpen ist bis zu den Innereien durchwurmt und wir koennen ihm nicht helfen, die Mäuse muessen wir eh erschlagen, die Katzenbabys zeigen sich nicht, die Gänse sind abgehauen, die Cipchigis sind unerwuenscht (auch wenn ich sie huebsch finde), die Fledermäuse kriegen wir nicht, Frösche im Haus werden seltener, Muecken stören. Gleich setze ich mich wieder mit zwei drei Liedern, die nach der Roentgenaufnahme am Flughafen noch auf meinem (nein Deinem) Mp3 player geblieben sind aufs Dach, wo ich ziemlich ganz fuer mich bin und guck in die Sterne und ueberhoer die Lautsprecher und lass mich stechen. Ein Stückchen Regelmäßigkeit am Tag, das ich mir hier gebastelt habe.

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