Dieser Text ist so im Laufe der letzten Woche zustande gekommen und es mag sich einiges Stirnrunzeln meinerseits über das Leben hier darin angestaut haben. Das ist aber nicht zu schwer zu nehmen: Es sind bald Eid-Schlachtfestferien, die Tage werden neu, ich komm ein bisschen durchs Land, da ich mit Mtze und Helen über Sylvesternach Karachi fahre und ich freue mich wirklich aufs – nein, ich freue mich über das Leben. Ich hoffe es geht Dir manchmal genauso, zwischen Schreibtisch und Esstisch, zwischen Weihnachtsmännern und melancholischer Straßenmusik, zwischen Esskastanien und neuen Geschenkideen, oder in viel besseren Ideen (verschenk doch mal einen Tag)…
Hab viel mit Schule und Unterricht zu tun, bin eigentlich rund um die Uhr irgendwo in Roshni eingespannt, welches aber ein weniger brennendes Thema ist, weil es läuft... Brennt mir denn überhaupt was – ich habe lange nicht geschrieben? Meine Zweifeleien sind nochimmer nicht besser geworden. Und überleg mir öfter, ob das was ich tu Sinn macht, anstatt einfach etwas sinn-volles zu tun. Mein Visum für Pakistan wurde bis 21. April verlängert und der Botschafter wollt meine Fragen nicht anhören. Dann eben kein multiple Entry. Manchmal kommt man sich hier als Frau schon dumm vor (Und wenn man Mukhtar May liest und die überspitzte Version davon vor sich hat, kann man auch zornig werden). Auf der anderen Seite werden wir aber auch mit viel Respekt und Rücksicht behandelt...
Interessanter noch als Frausein ist aber das Ausländer sein hier. Als ich am Wochenende mit Philipp aufs Land raus gefahren bin, zu den Lehmhütten und Kamelen von Faisalabad, da war ich wieder der Fremde Mensch aus dem Westen – für die Leute dort vielleicht einer aus den Werbetafeln, aus dem Fernsehen, zum erstenmal „in echt“. Am eindrucksvollsten sind dann immer die Kinderblicke, weil sie nichts verbergen. Ich glaube manche waren wirklich erschrocken.
Im Bus nach Lahore zurück sagte meine Sitznachbarin (denn natürlich sitzt hier wieder Frau neben Frau) „You’re the first interesting person I met in this bus since three years!“ Hm, schade – sind die anderen Menschen in dem Bus denn nicht interessant? Doch doch, meint sie rasch, aber die seien ja alle nur von hier. Es folgt ein Gespräch über Gott und die Welt und schließlich doch wieder über Gott, bis sie versucht, mich zu bekehren. Denn der Islam gäbe auf alles eine Antwort und ich bräuchte eigentlich gar nicht mehr zu suchen. Ich such aber doch so gerne (haha, s.o.)! Ob sie sich denn vorstellen könnte, Christ zu werden? No way! Und weshalb soll ich Moslem werden? „’Cause we’re right!“ Welcher Mensch kann denn sagen, dass er Recht hat? Aber ich denke mir, dass sie nur eine Vertreterin dieser Religion ist und dass hier nicht jeder „Ihr werdet schon noch sehen“ denkt, wenn er es mit Christen oder anderen zu tun hat. Bin ich denn Christ? Wie oft ich hier vor diese Frage geworfen werde. Und nie gebe ich eine zufrieden stellende Antwort. Zunächst einmal bin ich Maria. Eine weitere Definition meiner selbst ist mir noch nicht gelungen. Bisher hab ich’s soweit auch nicht kommen lassen wollen.
Wir steigen aus dem Bus und verlieren uns aus den Augen. Das Versprechen, sie daheim zu besuchen, kann ich vermutlich nicht einlösen. Ich gebe es trotzdem – es gehört irgendwie doch zur guten Sitte (und wie würde sich denn ein Deutsches „Ich kann noch nicht sagen, wie mein Plan für die nächsten Wochen aussieht“ anhören?). Assalam unser Driver wartet schon auf mich, ich bin wieder in „sicheren Händen“ – schade eigentlich, dass die Selbstständigkeit immer nur so kurz währt hier. Bis zur Straße vor und nicht weiter. Und nicht alleine und nicht Nachts. Das ist zu gefährlich. Hier lauern Diebe und anderes Gesindel, sagt man sich. Wie naiv muss ich sein, die Dinge erst zu glauben, wenn ich sie erfahren habe? Trotzdem kann ich nicht anders. Wieso soll man denn als Frau nicht alleine einkaufen gehen können? Aber ich kam her, um die Kultur kennenzulernen und nun lern ich sie eben kennen und es ist auch nicht meine Art, mich quer zu stellen und zu sagen „Ich will aber!“. Naja, so häppchenweise bring ich das schon. Und sehe, dass ich doch den public bus benutzen kann ohne Mann. Mein Urdu reicht auch schon so weit, dass ich den neugierigen Frauen (die diesmal durch eine massive Eisentür von den Männern getrennt sind) erklären kann, was ich tu und wo ich lebe. Doch wo die Sprache ausreicht, stellt sich wieder die andere Denke in den Weg. Wieso ich denn kein Geld für die Arbeit verlange, ob ich in Deutschland keinen Job gefunden hätte, warum meine Familie nicht mitgekommen ist, wieder ob ich verheiratet bin, wie viele Kinder ich denn habe, ob ich Moslem bin, weil ich ja Shewarcamis trage? Ich merke, dass es mich anstrengt, den Leuten immer offen und mit einem Lächeln zu begegnen (In der Kurzversion bin ich dann Christ und verheiratet und als Deutschlehrerin hier). Aber ich muss mich an die Botschafterrolle erinnern und schließlich können die Frauen im Bus ja auch nicht wissen, dass ich gestern ebendieselben Fragen mit ebendemselben Lächeln beantwortet habe und mein Interesse an dieser Art von Unterhaltung stetig sinkt.
Und sie können nicht wissen , wie das Leben in Deutschland ist. Und wollen trotzdem alle mal nach jermani - woher kommt das? Für mich ist es natürlich ein prima Lebensraum und ich möchte auf Dauer vermutlich auch gar nicht woandershin. Aber dass hier einer sein jahrelang Erspartes (denn wie viel Geld das für diese Menschen sein muss, steht in keinem Vergleich zu uns) in den Flug verpufft um dann ein zwei Wochen oder Monate in Berlin oder Frankfurt zu leben, Europa zu sehen, vielleicht noch von schlecht frisierten Menschen als Ausländer doof behandelt zu werden – das will mir nicht in den Kopf. Es wird sich keine Traube von hilfsbereiten Menschen um ihn schaaren, wenn er allein an einer Straßenkreuzung einen U-Bahn Plan zu lesen versucht, es wird ihn keiner in sein Haus bitten oder mit einem heißen Tee auf die Straße herauskommen. Ich will damit nicht sagen, dass die Menschen hier oder da besser seien – es ist eben nur eine so andere Mentalität und ich denke mir ein Pakistani hätte mehr davon, mal nach Indien rüberzugucken und mit Hindus zu sprechen, auf gute Nachbarschaft trinken (das wär was!). Oder eben runter ans Meer (denn ein Indienvisum ist leider nicht allzu einfach für Pakistanis) oder hoch in die Berge; Ich glaube dieses Land birgt Wunder und viele der Menschen, die ich getroffen habe, kennen nur ihre eigene Stadt. Und dann ihren Traum einmal nach Deutschland zu gehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen