Dienstag, 3. April 2012

Dilli

Auf der einen Seite warten Lasterweise Steine, auf der anderen Hühnerfutter. Drei Schritte hinter der Grenze spreche ich ploetzlich wieder Hindi - obwohl sich nichts veraendert hat. Ich muss nur "Assalamu'alaikum" durch "Namaste" und "shukriya" mit "dhuniavat" ersetzen, schon bekomme ich das bekannte "you speak Hindi very well" als Antwort. Diese beiden Länder... Ich habe Lativ vorher tschüss gesagt und den ganzen Officers mit ihren neugierigen aber immernoch scheuen Blicken. Meine bisher größte Sorge, der doppelte Eintritt nach Indien war kein Problem. Stempel hier, Stempel da, fertig. Jetzt bin ich drüben und werde wieder ganz offensiv angequatscht. Madam you like? 50 Rupees - only for you! Ich vermisse Pakistan auf einmal. Aber ich sehe auch wieder Frauen auf der Strasse - autofahren und Roller. Ein Mädchen fährt Fahrrad und ich bin ein bisschen stolz auf sie. Man muss dazusagen, dass die sportlichste Frau, die ich in Pakistan getroffen habe (eine echte Sportlehrerin), sich nicht getraut hat, draußen Fahrrad zu fahren, weil keine Frau das macht und sie meint, die Maenner wuerden sie anhalten. Nach all diesen Erlebnissen ist es eine echte Freude fuer mich, all die huebschen kecken Maedels da draußen zu sehen. Ein ganzes Drittel der Delhi'schen Metro ist fuer Frauen reserviert. Ach ja, Ubahnfahren in Delhi! Hier ist die versprochene Geschichte:

Ersteinmal werden wie auf dem Flughafen alle Leute abgetastet und die Handtaschen durchleuchtet. Dann gelangt man mit einem coolen Kartensystem auf den Bahnsteig, wo die Leute schon in kleinen Schlangen anstehen, fuer die naechste Bahn. Völlig ordentlich, könnte man meinen. Doch kaum dass der Zug hält, löst sich die ganze Ordnung auf und man muss seine Ellebogen einsetzen, um einen Weg in die Bahn zu finden. Dort sind dann im Handumdrehen alle Plätze besetzt. Wenn jemand aufsteht, sitzt im selben Moment schon jemand anderes da, der anscheinend auf genau diesen Platz gewartet hat. Doch weil ich Frau bin und oft die einzige Bleiche im Zug, werden mir staendig die sonst so begehrten Plaetze angeboten. Ich stehe aber gerne. Dann muss ich nur aufpassen, dass mir die Maenner nicht zu sehr auf die Pelle ruecken, was in Indien öfter mal passiert. Deshalb geh ich lieber ins Frauen Abteil. Dort sind die Sitze ausdrücklich fuer Alte, Frauen und Behinderte reserviert. Eine nette Gruppe. Schilder und Lautsprecheransagen weisen darauf hin, nicht auf dem Boden zu sitzen, nicht zu spucken und verdaechtige Gegenstaende wie Brieftaschen, Thermoskannen und Spielsachen nicht anzufassen, weil es Bomben sein koennten. Beim Aussteigen stehen dann rechts und links zwei Officer, die Acht geben, dass die einsteigenden Maenner den Frauen genug Platz zum Aussteigen lassen, bevor das Gedränge und Platzgesuche wieder von vorne losgeht.

Ich bin also wieder in Delhi, rechtzeitig einen Tag vor meinem Abflug. Da ist wieder der Balkon, da ist die suesse Luft und da sind wieder die lauten Fahrradverkaufer. Ein Franzose hat mich von der Grenze bis hierher mitgenommen und mein Sprachenhirn hat sich gewunden vor Qual, als ich vergeblich versucht habe, französisch zu sprechen. Gerade war ich in Urdu so weit, dass ich auch Randunterhaltungen mitbekommen konnte, aber wielange hält das an? Kann man immer nur zwei Sprachen auf einmal, oder drei? Ich will auf jedenfall weiterlernen! Nach einem etwas sang- und klanglosen Geburtstag in Pakistan bin ich ploetzlich 25 geworden. Da macht sich ein Maedchen Gedanken, wuerde Helly sagen. In meinen Emails habe ich dafür ganz brauchbare Wünsche gefunden, darunter: "tütenweise frische Neugier", "intensive Begegnungen" und "das kleine Glueck am Strassenrand". Ich freu mich auf Zuhause, auf Obst und Gemuese, unfrittiertes Essen, Sommeranfang und darauf, mit Männern wieder sprechen zu können, ohne darueber nachdenken zu müssen, ob wir nicht vielleicht bald heiraten sollten.

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