Montag, 7. Dezember 2015

This is Kenia.

Ich war auf dem Markt und habe vier Tomaten, eine Baumtomate, eine Orange, drei Maracuja zwei Avocados und 10 Okraschoten gekauft. Seit ich hier bin, esse ich fast jeden Tag eine Avocado. Wenn man sie kauft, muss man sagen, an welchem Tag sie reif sein sollen. Dann werden sie einem je nach Festigkeit ausgesucht. Eine für Montag, eine für Dienstag. Das bekannte Avocadoproblem ist gelöst.

Ich lerne viel. Wenn man im Stau steht, werden die Türen abgeschlossen. "It's our survival technique", sagt der Cab-driver. "Because its Nairobi?!", sage ich, sehr sicher, dass ich schon etwas dazugelernt habe. "This is Kenya, anything can happen!", sagt er. So viele haben gesagt: "pass auf dich auf", bevor ich gegangen bin. Mehr als in Pakistan. Aber meine Freundinnen wohnen hier schon so lange - was muss ich also tun? Immer ein bisschen aufpassen, dass ich nicht zu frei bin - aber auch nicht zu vorsichtig. Ballance ist nichts statisches, ist das hilfreichste, was mir dazu einfällt. Ich nehme den Bus. Ich bin irgendwo. Ich tanze viel. "Es sieht nicht so aus, als ob du erst seit acht Tagen hier wärst", sagen die Leute. Ich freu mich. Ja, ich will Kenia gar nicht verlassen. "Schau doch, was es kostet, den Flug zu verlängern. Ich zahl dir was dazu", sagt meine Freundin. So verrückt bin ich nicht. Ich habe einen guten Plan: Uni, Berlin, Uni. Wir tanzen weiter. Ich muss mich abgrenzen. Wie dankbar ich bin, dass ich in diesem Land sein kann, dass ich Freunde habe und dass ich reisen darf.

Ich habe viele tolle Musiker gesehen und bin mit verschiedenen Fahrzeugen gefahren. "You bring her home safely", sagt meine Freundin zum Boda-Boda guy, drückt ihm 200 Schilling in die Hand und lässt mich gehen. "Ya" sagt er, "ou" denke ich, setzte den zu großen Helm auf und versuche ihn unterm Kinn zuzumachen, während wir losfahren.

Freitag, 27. November 2015

Schon gezahlt?

Ich versuche, so unauffällig wie möglich zu sein. Mit meiner Gitarre, der Kapitänsmütze für Gigi und meinem Handgepäck, das gleichzeitig auch mein Reisegepäck ist.

„Schon gezahlt?“ Fragt eine autoritär anmutende Dame beim Check-in mit einem Kopfnicken gegen meine Gitarre. Sie befestigt ein rotes Band an meinem Rucksack. Ich schaue in eine andere Richtung und gehe weiter.

Die Hauptsache ist, dass die Gitarre nicht im Bauch des Flugzeugs landet, wo sie kaputtgeht. Es ist wie bei Meinfernbus: man muss Glück haben oder im richtigen Moment zur Seite schauen. Bei Eurolines zahlt man 10,- – und dann wird sie trotzdem irgendwohin gepackt, wo man nicht weiß, was passiert. Für Bolivien habe ich damals die Gitarre zuhause gelassen und schon nach einer Woche wieder eine neue gekauft.

Es ist immerhin nicht das erste Mal, dass ich mit Gitarre fliege. Es gibt keine Regel, aber es geht meistens so: Erst kommt der Check-in, wo man am besten ohne Fragenstellen (und gestellt bekommen) durchgeht. Falls doch Fragen kommen, kann man sagen: das geht normalerweise immer so. Dann kommt die Passkontrolle – kein Problem. Dann die Handgepäckskontrolle. Hier ist nur wichtig, dass die Gitarre auch eine Gitarre ist. Mit einem merkwürdigen Papierchen wird Sprengstoff an meinem Körper gesucht. Die letzte Hürde ist dann direkt beim Gate. Hier könnte die Besatzung noch sagen: Gitarre hier hin, Gitarre dort hin oder: Gitarre ganz weg. Aber das passiert nicht, wenn man sie an die Seite klemmt und so tut, als wäre sie ein Kleidungsstück. Das einzige Problem ist, dass man keine zwei Handgepäckstücke mitnehmen darf und ein rotes Band hat meine Gitarre schon gar nicht. Ich habe auch schon gehört: "You have to clear that with the person at the Ticket-counter". Ich nickte grinsend und ging weiter. Es wird einfach solange jemand anders zuständig gemacht, bis keiner mehr zuständig ist. Sobald man die Flugzeugtür betritt, muss man nur noch freundlich lächeln (die anderen haben mich ja schon durchgelassen) und die Gitarre schnell in den Fächern über den Sitzen verstauen (wenn da nicht schon die anderen riesigen Koffer der Sitznachbarn wären). Schuhe aus, auf den Sitz klettern, Rucksack rein, Gitarren drüber, fertig.

Während der Sicherheitsansagen höre ich den Rich Folks Hoax vom wunderbaren Rodriguez und rolle langsam raus aus Berlin. 15 Minuten sind es mit dem Bus von der Stockholmerstraße, ein paar Stunden nach Istanbul und dann ein Nachtflug nach Kenia. Im Morgengrauen bin ich da.

Schon gezahlt? Was denn?

Donnerstag, 26. November 2015

Zwischen Chiasamen und Chirimoya

(Nachtrag von Bolivien, 23. August 2015)

Was ist das alles? Was ist das, was ich esse, das, was ich sage? Früher war alles Neue spannend, enthielt Farben und Wunder. Jetzt ist es anders. Ich bin zaghafter geworden, mehr mit Vorurteilen und so. Hier gibt es unglaublich viele tolle Früchte, die ich gerne esse und ich liebe es, Unterhaltungen in Spanisch zu verstehen. Aber es ist nicht mehr wie damals mit Urdu, dass ich so neugierig bin, was das alles ist und heißt. Ich bin voll von meinem Leben in Berlin, habe mein Studium, meinen Praktikumsbericht, soo viele Länder, die ich gesehen habe, es ist, als wäre meine Festplatte voll.

Dabei gibt es hier so viel verschiedenes, so viel Neues, so viel entdecken - allein die Früchte. Ich habe gedacht, dass ich die meisten Früchte dieser Welt schon kenne. Es stellt sich heraus, dass ich die meisten Früchte der Welt noch nicht kenne. Ich probiere also alles, was meine Schwester zuhause hat und was wir auf dem Markt kaufen. Rafael liebt z.B. Chrimoya und ganz große Schoten, in denen Kerne sind, die wie von Zuckerwatte umhüllt werden. Es gibt Chiasamen in großen Mengen und gar nicht so teuer. Komisch ist nur, dass meine Schülerinnen und Schüler am Colegio Aleman kein Interesse daran haben, als ich beim Abschiedsfrühstück Chirimoya mitbringe. "Iiiih, das ist doch vom Markt". Wir essen also wieder Weißbrot mit Nutella. Vielleicht wegen der vollen Festplatten.

Freitag, 21. August 2015

Es kommt nicht auf die Höhe an

Es kommt nicht auf die Höhe an - das habe ich jetzt gelernt. La Paz ist ja schon auf 3800 Metern, aber wenn man oben in El Alto ankommt, hat man nicht das Gefühl, irgendetwas erreicht zu haben. Dann bin ich morgens auf einen Berg gestiegen in einer anderen Region, Coroico, und als ich nach 2 Stunden Klettern schließlich auf einem 2480 Meter Berg war, fühlte ich mich wie der König der Welt. Das waren nur ein paar hundert Meter nach oben, aber dadurch, dass ich selbst hochgestiegen bin, fühlte es sich richtig hoch an.

Also, hab ich mir gedacht, also kommt es ja gar nicht darauf an, wie hoch man ist, oder wieviel man kann, sondern wieviel man sich angestrengt hat - auch in Mathe :). So war ich also bei meinen Schülerinnen und Schülern und habe versucht zu sagen, dass es wunderbar ist, wenn sich jeder bis zum Abi um zwei drei Notenpunkte verbessert und dass es nicht darauf ankommt, überall eine Eins zu haben - sondern auf die eigenen Ziele. Selbst Studieren wäre nicht das allerwichtigste - es gibt sooo viele verschiedene Wege und Möglichkeiten. Kann man das hier sagen? Wo doch überall Bildung der Schlüssel zur Welt ist - aber welche Bildung?

Nach Knowmads, nach der Waldorfschule und nach allen Tagungen, die ich besucht habe, glaube ich immer mehr, ich müsste eine eigene Schule gründen, bevor ich Lehrerin werde. In dieser Schule würde man Tee trinken und über die eigenen Ziele und Erfahrungen sprechen. Man würde träumen und wünschen und am nächsten Tag schauen, wie man diese schöne Welt, die jeder innerlich hat, in die Realität umsetzen kann, wo die eigenen Fähigkeiten liegen und was der konkrete nächste Schritt ist. Weil jede Mühe sich lohnt.

Montag, 10. August 2015

La Paz

"That's it, baby", sagte eine überaus entspannte Dame von American Airways, als sie mein Ticket in Miami einscannte. Ich fühlte mich ungewöhnlich klein, freute mich aber, dass die lange Wartezeit am Umschlagbahnhof Nord-Südamerika vorbei war. Nach einem 18 stündigen Tag schlief ich ein, Kopf an Flugzeugfenster.

Im Landeflug auf La Paz zeichneten sich plötzlich riesige schwarze Berge gegen einen rotgestreiften Himmel ab. Ich wollte ein Photo machen, hatte aber kein Smartphone. Unter mir die Lichter. 'Egal wie kalt es dort unten ist, ich liebe diese Stadt jetzt schon', schoss es mir durch den Kopf.

La Paz ist ein Häusermeer - umsäumt von Bergen. Mein Schulweg beginnt morgens mit einstündiger Seilbahnfahrt durch die Stadt. Man sieht von oben auf die Häuser, die Gärten, Wellblechdächer dicht gebaut an Glas und Stacheldraht, Swimmingpools direkt neben steilen Abhängen in denen die Hunde nach Abfällen wühlen. Viele Hunde - auch nachts. Ansonsten ist die Stadt eher ruhig. Ich fühle mich sicherer als in Berlin. Wann immer die Leute 'buenas dias' oder 'buenas tardes' sagen, grüße ich herzlich zurück. Die Sprache will ich lernen, bis ich zurück bin! Alles geht etwas langsamer, ich atme öfter, mein Körper gewöhnt sich an die 4000 Meter Höhe. Mit der Sonne um die Wette bringt mich der Teleferico ins Tal. Wie bei allen Änderungen in Bolivien gab es auch hier große Proteste, als das neue Beförderungssystem eingeführt werden sollte. Ich weiß nicht, warum hier so wenig Touristen sind - so entspannt und freundlich wie die Leute sind - und so engagiert! 'Wenn ihnen etwas nicht passt, gibt es eine Straßenblokade, bis sie kriegen, was sie wollen', erklärt mir meine Schwester, die schon länger hier wohnt. Ist es, weil Peru und Chile das Meer bekommen (geholt) haben? Weil Argentinien und Brasilien größer sind? Weil es hier politisch eher ruhig ist? Ich weiß es nicht. Gerne würde ich länger bleiben und alles kennenlernen - es gibt ach gute Unis...

Aber erstmal ankommen und die leicht süßliche Luft atmen, die mich an Indien erinnert. Die Fahnen wehen sehen und den Hunden beim Bellen zuhören, den Sonnen Auf- und Untergang von La Paz bestaunen und rechtzeitig (um 7:50h) zur Schule kommen. Mit dem Teleferico von Doppelmayr und den vielen verschiedenen Menschen von La Paz, wo ich mich ungewöhnlich groß fühle.

Man sagt nach dem Zusammensitzen einfach 'danke'.

Mittwoch, 14. Januar 2015

Berlin Reinickendorf

Graumorgens, eine lange Straße, vorbei an Fabrikgebäuden. Es riecht süßlich bis dreckig. Ich hole ein Paket ab bei UPS. Eine Kaffeerösterei, Bartscherer, Denns. Mehr Bio für Berlin. Ein Auto saust an mir vorbei und biegt scharf links ab in die nächste Lieferstation. Alles scheint sehr routiniert. Tore gehen auf, Container rumpeln. Es erinnert mich an den Hamburger Hafen. Ich gehe weiter. Regen. Süßlich-beißender Geruch, ich halte mein Tuch vor die Nase. Als ich das Paket in den Händen halte, wähle ich einen anderen Weg zurück - wegen der Luft. Immer geradeaus gehts zum S-Bahnhof Alt-Reinikendorf. Nach einem gefühlten Kilomter endlich das Schild: 230m bis zur S-Bahn. Von hinten kein Zugang. Einsamkeit. Ein Mann sieht mich lange komisch an. Das ist nicht mein Berlin, denke ich. Ich komme mir vor wie in einer anderen Welt. Ich will zurück. Noch 2 Stationen bis in den Wedding. Zurück zu meinen Supermärkten. Ein paar Produkte will ich jetzt nicht mehr kaufen, nach dem Anblick dieser Riesenfabriken und ihrer stinkenden Luft! Wie lange noch, bis unser Planet verbrennt? Ich zerreisse mein durchgeweichtes UPS-Paket und finde darinnen die Visitenkarten, die ich vor zwei Wochen bestellt hab. Ich frage mich, wielange mein Vorsatz mit den Lebensmitteln noch hält und ob ich überhaupt das Richtige tue auf dieser Welt. Auf der Rückseite der Karten steht klein geschrieben: Out beyond Ideas of wrongdoing and rightdoing there's a field... I'll meet you there. (Rumi)