Dienstag, 16. Juli 2019

Electricidad

Ich werde um sieben von meiner zweijährigen Nichte mit "Mama Kaka" geweckt. Sie steht in der Mitte des Raumes und schaut mich aus großen Augen erwartungsvoll an. Für einen Moment denke ich: das wird sich schon irgendwie klären und versuche weiterzuschlafen. Dann fällt mir ein, dass ihr Papa arbeitet und ich gestern gesagt habe sie kann ja zu mir kommen, wenn sie wach ist... Nachdem ich halbschlafend alles gesäubert habe und in Ruhe meinen Kaffee trinken will, fällt mein Neffe (6) über mich her, der wilde Katze spielt. In seiner Wildheit wirft er den Kaffee über mich und geht weinend in sein Zimmer, weil er sich erschrocken hat. "Du überlegt sicher gerade, ob du wirklich Kinder willst", sagte meine Schwester in solchen Momenten zu mir.

Ich habe mich an La Paz gewöhnt. Ich habe immer zwei Bolivianos für den Minibus in der Tasche und koche rechtzeitig die nötige Menge an Wasser zum Trinken ab. Wenn ich dusche, fasse ich den Wasserhahn mit einem Handtuch an. "Das Wasser wird elektrisch aufgewährmt, also ist da ein bisschen Elektrizität, das macht aber nichts", sagt meine Schwester. Macht nichts? Ich hab auch vor kleinen Strohmschlägen Angst - das ist wie bei diesem Kinderspiel wo man die Zähne eines Krokodils runterdrücken muss und plötzlich schnappt es zu. Aber ich sollte nicht jammern: vor vier Jahren habe ich hier noch kalt geduscht oder lauwarm, aber lauwarm im Winter ist auch kalt. Heute früh haben wir meine Schwester zum Flughafen gebracht. Meine Neffe und meine Nichte wollten Rolltreppe fahren und ein Ü-Ei kaufen. Als wir dann ohne Mama im Taxi saßen auf dem Weg nach Hause protestierte die Kleine kurz, ließ sich aber von Sonne ("Suunne") und Vögeln ("Woogel") draußen ablenken und schlief urplötzlich in meinem Arm ein. Ich halte sie im ruckelnden Auto fest, dass ihr Kopf nicht anstöst und hoffe, dass mein Neffe nicht kotzt ("Ich fühl mich immer so als müsste ich gleich spucken"), während ich dem Taxifahrer in meinem Halbspanisch versuche zu erklären wo wir hinfahren...

Zuhause empfängt uns ein Berg von Avocados, Mandarinen, Orangen, Physalis und Chirimoyas. "Jetzt ist die beste Zeit für Früchte", sagt mein Schwager strahlend. Chirimoyas schmecken ein bisschen wie diese Yoghurt-Fruchtgummis, die Avocados sind super sanft und weich und die Physalis schmecken ganz leicht nach Seife. Ob das ein Eigengeschmack ist oder ob das daran liegt, dass meine Nichte neuerdings ihre Riesenseifenblasen überall verteilt weiß ich nicht. Aber ja, ich denke es ist schön, Kinder zu haben!

Keine Kommentare: