Samstag, 10. Dezember 2022

Zurück in Lahore

Es ist glaube ich das erste mal, dass ich von Karachi nach Lahore fliege. Mit Periode und leichtem Durchfall durch alle Kontrollen. Immer genug Toilettenpapier in der Tasche, meinen langen Schal irgendwie um mich wickelnd hocke ich umständlich auf den tiefen Toiletten und überlege, wie andere Frauen das machen. Festivalstyle. Es stimmt, wir müssen mehr über solche Themen reden. Es ist schön hier. Die Domestic flights area erinnert mich an Tegel! Ein rundes Ding, in dem ich in der Stunde, die ich habe, einen Laden nach dem andern immer wieder ablaufen kann. Ich hole zweimal Kardamom Chae, der richtig lecker ist, setze mich nur zu Frauen oder auf freie Plätze, esse Lemon Pie, mache Witze mit den Verkäufern, versuche, nicht zu überdreht zu wirken. Es ist so viel Platz hier. Das meinte Zohebs Cousine wahrscheinlich mit „Mumbai will be ten times Karachi“, es sind zwar ähnlich viele Einwohner, aber ich werde um mich rum nicht die gewohnten angenehmen zwei Meter Platz haben, die hier alle ganz anständig einhalten.

Wir fliegen über die Thar-Wüste. Am Horizont zeichnen sich die Berge Afghanistans ab. Über Pakistan fliegen war schon immer wunderschön. Oben im Himalaya sieht man dabei den Nanga Parbat, den ich jetzt sehnsüchtig vermisse. Eine Stunde und sehr gutes Essen später landen wir in Lahore. Domestic flights ist hier viel kleiner. Logisch irgendwie. Ich habe drei Tage Zeit, gehe nach Roshni, wo ich super herzlich empfangen werde und mich gleich zuhause fühle. Manchmal ist es, als wäre keine Zeit vergangen. Drei von den LehrerInnen, mit denen ich vor 15 Jahren unterrichtet habe, sind noch da - eine ist inzwischen Schulleiterin und führt mich durch alle Klassen. Ich quatsche mit den Kids, tausche Lieblingsfarben aus und gehe in die nächste Klasse. Dann noch ein Chae. Am Abend treffen wir Freunde - auch bei Tee. Ich rede lange mit Farah, die ein Buch über Menstruation in Südasien geschrieben hat. Wir reden auch über was man machen kann als Frau in Pakistan. "Natürlich kannst du eine Rikscha nehmen!", sagt sie und ich kann mir vorstellen, dass sie ein relativ selbstständiges Leben führt. Es kommt eben auch genauso auf die innere Einstellung an.

Dass es doch nicht nur so einfach ist, erfahre ich gleich am nächsten morgen in der Altstadt von Lahore, als mir jemand die Hand geben will und wütend wird, dass ich sie nicht gebe (normalerweise nickt man höflich - wenn überhaupt, dass er mich einfach so anquatscht ist eigentlich schon komisch). Erst als mein Fahrer, ein großer Pathans, sagt: "Sie ist mit mir" rauscht er murrend ab. Es ist eben doch so: mit einem Mann dabei wird man in Ruhe gelassen, alleine nicht. Aber das ist auch anderswo auf der Welt der Fall. Leider. "Koi baat nahi", "macht nichts", sage ich zum Fahrer und wir essen weiter unser Frühstück: Naan Channa, mit Chae, das ich so liebe. Auch die Altstadt liebe ich sehr. Hier hat mein Blog damals angefangen zu leben, und das Buch: jede Ecke riecht anders, jede Straße klingt anders... Ein Wirrwar vieler Straßen in dem sich nur die zurechtfinden können, die hier leben. Ich besuche die wunderschöne Wazir Khan Moschee, in der ich damals mit Philipp zum erstenmal war, gebe meine Schuhe für 10 Rupies ab und genieße die Stille.

Irgendetwas verbindet mich mit Lahore - ich bin hier immer gerne. Nach drei Tagen habe ich aber auch schon viel gesehen. Für mehr müsste ich einen wirklichen Plan haben, arbeiten oder so. Allein für Ferien ist diese Stadt nicht. Ich bin wieder bei den Domestic Flights. Hole mir Kardamom Chae, der mir dieses flaue Gefühl im Magen macht aber so gut schmeckt. Lahore verlassen tut weh - vor allem nach so kurzer Zeit. Ich wüsste aber eben auch nicht, ob ich hier länger bleiben könnte. Egal wo ich wohnen würde, man ist immer abhängig vom Umfeld. Oder man hat kein Umfeld, das ist dann auch langweilig bis schwierig, weil im Zweifel keiner aufsteht und sagt: sie ist mit mir.

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