Montag, 12. November 2007

Mosaiksteinchen

11.11.
Puh, heut hab ich die Hefte vergessen und musste mein ganzes Wochenmaterial verbraten um die Kinder bei Laune zu halten. I am a little teapott!! In der 3. Fachstunde kann ich den Unterricht nachbereiten, weil ich da chuti hab („Ferien“). Das ist dann, wie wenn man aus einem Traum aufwacht und versucht, die Bilder wieder hochzuholen: Was haben wir gerade gamacht, worum gings, was ging gut, was ging daneben…

2. mal Lahore. Diesmal mit Bruder und Mann. Die Frauen, mit denen ich im vorderen Teil des Busses sitze, hätten nicht verstanden, dass ich mit zwei Freunden unterwegs bin. Oder sie hätten denken müssen, dass deutsche Frauen immer einen ganzen Harem haben. Ich werde angeguckt, manchmal wird gelächelt. Ich fühl mich auch reingeguckt und mich allein. Lös mich auf und im Hitergrund ständig die Bolywood Filmmusik. Im Vordergrund schaukeln bunte Fähnchen und Plastikblumen. Im Rücken keine Fensterscheiben. Ich greif hinein, um mich zu vergewissern und ernte nur neugierige, offensichtlich verwunderte Blicke von den Frauen (wieso tut sie su?!).
Im nächsten Bus sitze ich auf dem Dach mit Philipp und Matze und vielen vielen Männern, denen ich die Hand nicht geben soll. Man sagt, ich sei die erste Frau, die auf dem Dach mitfährt. Keiner hindert mich daran, dafür sind sie zu höflich. Narrenfreiheit! Ich sehe von hier aus das ganze Leben in den Straßen. Dahinter heulen die Schakale. Es ist so gut, dass ich hier bin. Mal denk ich wieder, warum herkommen – es ist, wie man sich die dritte Welt vorstellt. Lehmhütten und zerrissene Kleider – Nur scheinen die Menschen nicht traurig oder verzweifelt zu sein. Manche vielleicht, denen ich noch nicht begegnet bin. Vielleicht gibt es sogar unfreundliche, die nicht sagen würden thank you for visiting us – darauf warte ich nun seit etwa sechs Wochen.

10.11.
Ich werde gefragt, wie die Leute hier Ausländern begegnen. Gute Frage, ich habe bisher nur einen Chinesen und einen Mensch aus Amerika getroffen. Wir sind Raritäten. Und als solche werden wir auch behandelt! Mit dem bisschen Englisch, das sie können, machen sie uns Komplimente und fragen, wie uns ihr Land gefällt, ob wir uns wohlfühlen. Kurz, ich begegne hier einem Volk, welches sogar die Gastfreundschaft der Esten, Tschechen und Rumänen weit übertrifft. Nur Organisieren kann man nichts. Ein Treffen, ein Ausflug in die Stadt, ein Spaziergang oder gemütliches Chaitrinken wird am besten gleich durchgezogen, ohne voher darüber zu reden.

09.11.
Die Nachbarn, bei denen wir so reich zu Ead gegessen haben, haben einen Sohn, Assad. Heut Nacht warn Matze (den er eingeladen hatte) und ich (die ich mich eingeladen hatte) mit ihm in Lahore essen. Es fing damit an, dass wir nicht wussten, wie wir durch das mannshohe Tor zu seinem Haus kommen sollten. Anklopfen, rufen (was rufen), drüberklettern? Nach einer Weile sind wir drinn – wie üblich ein Getränk und ein Gespräch über Hitler. „I really like Hitler!!“ „Mom, wait!“. Es gibt hier educated und uneducated people (wieder das mit der Hirarchie). Assad gehört zu ersteren. „Is it the case, that many pakistani people like Hitler?“ Und beiß mir während ich das frage auf die Lippe, weil er sich jetzt für seine Mutter rechtfertigen muss. „Well, there’s a lot of hate because of Palästina. But people here don’t know much about it and in any case, our religion forbidds killing! So whats the importance of talking ‘bout Hitler – they all ask you about it whithout knowing anything – it’s the same as when I’m asked about terrorism, whenever they hear that I’m a Pakistani. It’s just stupid!” Der Abend mit Assad war spannend. Es ging viel um Geschichte und Kultur, um Verhütung und Schicksal, aber es war auch eine Menge Spaß dabei (und die richtige Portion Humor ist manchmal sehr hilfreich!), den ich besser nicht aufschreib, denn wenn man nicht hier ist, kann man das alles auch sehr falsch verstehen. Später in der Bar mit H&M Jugendlichen und ich im Chewarcamis. Mit Shisha und sitzen wie man (Frau diesmal auch) will. „It’s fine! I mean, pakistani women would never sit like this (Füße aufm Sofa und so) but you are yourself, you are relaxed, just do as you whish!” Gut, mach ich. Und ich spiel weiter Fußball, auch wenn der Gärtner uns filmt. Ich mag nicht immer nur misstrauisch sein den Menschen gegenüber. Was solls?

Hier wird alles in der Schule gelernte wahr. Oder ich nehm mir zumindest einen Haufen raus davon (muss ja auch nicht alles glauben, was wahr ist). Die colonial encounters (shortstories): A pair of Jeans und good advice is rarer than rupies. Das gibts hier alles. L’Etranger, K&L, Effi Briest (für die es auch ne kleine Revolution war, mit den Männern auszureiten) – es ist doch näher am Leben als ich dachre, wenn ich über den Büchern saß. Sogar die schnulzigen Bollywood und Lollywood (Lahore) Filme werden mit Begeisterung geguckt...

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