Freitag, 30. November 2007

Zeit zum Schreiben

Wahrscheinlich war ich wieder ein bisschen übereifrig sentimental. Basheer kommt noch oft zu uns (und ich mach trotzdem zu wenig mit ihm). Andere Leute haben wirkliche Sorgen. Die gehen dann bei all denen umher, die hier von der Hand in den Mund leben, Windschutzscheiben waschen, Chips zu 10 rupien verkaufen, ein Kind auf dem Arm und selber erst 16, sich verstümmelt haben (wie man mir sagt) um betteln zu können, an den Ampeln auf dein Geld warten...

Aber Maria, wenns dir nich gut geht hier, dann geh! Sagt Matthias heute morgen in der Schule. Watt?? Gehen? Daran habe ich kaum gedacht zur Zeit. Ans Unglücklichsein schon. Oder unzufrieden zumindest – denn Unglück muss, wie gesagt, einen anderen Rahmen haben. Ich bin müde. Bewege mich kaum den ganzen Tag – weil das keiner hier tut. Ich lehne mich zurück, werde passiv und es ist, als läge ein Schleier über dem Land und dem Volk. Wie der Nebel am Morgen. So ziehe ich mich auch innerlich zurück, beobachte die Dinge, kommentiere und beurteile sie - in meinem Kopf - wie das mit den Gästen, stelle Fehler fest und fühle mich so klug dabei. Aber agiere nicht. Und mache damit selbst den Fehler. Andere wissen es vielleicht nicht besser, machen nicht alles richtig übergehen und übersehen so manches – aber sie machen es! Das ist es. Das ist vielleicht auch schon das ganze Wahre, was ich immer suche – einfach nur tun. Nicht glauben Missverständnisse zu verstehen und Fehler aufzudecken mit dem eigenen Denken. Und immer nur darin im Kreis gedreht.
Das nagt etwas an mir. Aber es ist ja auch Herbst und Zeit zum Traurigsein. Nur dass mir mein Traurigsein etwas aus dem Boden gestampft vorkommt. Die Sonne scheint hier auf mich und die Kinder rufen meinen Namen (und ich weiß doch schon viele von ihren). Die anderen Lehrerinnen kommen noch später als ich zum Unterricht. Und während ich mit mir unzufrieden bin, weil ich nur das Nötigste vorbereite sind andere mit sich im reinen wenn sie in ihrem Unterricht ihr Motorrad reparieren oder ihre zehn Kinder wickeln (das kommt in der anderen Dorfschule vor). Ich verstehe immer mehr Urdu. Mein Platz in Roshni hat sich nun gefunden und ich bin nicht mehr abgelenkt davon, alles kennenlernen oder verstehen zu wollen/müssen. Leben sollte ich hier und Fröhlichkeit verbreiten, nichts anderes!

Und wieder zu schnell ins Sentimentalsein gestürtzt. Man muss nicht alle Gedanken von sich so ernstnehmen, wenn sie nicht guttuen. Und doch hält man sich daran so gerne fest. Ich versuch sie von mir zu schieben, ganz im Hier und Jetzt zu sein, wie man so hübsch sagt. Anum wohnt jetzt mit mir im Zimmer. Gossa betet doch zu laut in der Nacht. Und Anums Familie zieht in die Stadt. Wenn sie weiter unterrichten will, muss sie hier wohnen. Sie ist mit besseren Gründen traurig: Ihre Familie redet zur Zeit nicht mit ihr, weil sie sich entschieden hat, hier zu sein (wasndasfürnquatsch?!). Und im Dezember hört sie mit Unterrichten auf, wegen ihrem Examen. Was passiert dann mit der 1. Klasse? Aufgabe für Matze und mich? Silke geht bald mit Klara nach Deutschland. Wir werden Weihnachtsferien haben. Ich sollte mehr mit dem neuen Mensch aus Deutschland reden – er ist so froh hier wieder Deutsche zu treffen, weil das doch am ehesten Heimat für ihn war (7 Jahre hat er dort gelebt nachdem er im Afghanistankrieg seine Eltern verloren hatte). Und tue es nicht. Wer weiß, wielange er bleibt. Aber zurück zu dem was ist und was ich tue! ich merke, wie wichtig mir Veränderung ist – im Unterricht, im Roshnileben, in meinem Denken. Vielleicht muss ich nur lernen, anzunehmen, was gerade dran ist und mich darüber zu freuen (könnte ich das auch, wenn es gleichbliebe?). Es ist nicht die Zeit für verflochtene Gedanken. Jetzt ist Zeit zum Schreiben!

Und zum Lycheesafttrinken

2 Kommentare:

David Masuch hat gesagt…

liebe maria,
ich finde deine berichte sehr lebendig. Was fehlt dir oder woher kommt das was du so durchgehend etwas als fehlend empfindest?

Ist wohl typisch deutsch / europäisch sich all die Probleme etwas von oben anzuschauen und irgendwie zu meinen man wüsste wo die Ursachen liegen. Nur weil wir Europäer historisch überall abgesahnt haben und es geografisch auch uns wohlgesonnen positioniert haben in der Welt...

Ich wünsche Dir viel Kraft und freue mich auf weiteres.
David

Unknown hat gesagt…

Liebes Elchle,

jetzt wird's interessant!

phibes.