Samstag, 20. Oktober 2007

Augen auf

Nach drei Wochen Hiersein, komme ich nun langsam an. Ich habe den ersten Fuß aus dem Flieger gesetzt und versuche gleich zu schauen, wie die Luft schmeckt, alles zu sehen, was ich von hier aus sehen kann. Und ja, man kann wirklich auf sehr verschiedene Weise so etwas erleben. Ich hatte gestern das Gefühl, wenn ich mich richtig oeffne, birgt das ganze Leben hier, die Entscheidung fuer eine laengere Weile zu bleiben (laenger, als ich es in meinem bisherigen hin und her gehoppe tat), viel mehr Tiefen, in die ich gehen koennte. Oder auch nicht. Und gerade habe ich ein bisschen Sorge, an der Oberflaeche zu bleiben (obwohl allein die Zeit, die ich hier sein werde, das verhindert).

Manchmal habe ich geschrieben, dass es mir hier nichts als prima geht, und auch das gehoert zur Oberflaeche. Denn natuerlich muss ich mir auch ernsthaft ueberlegen, was es ausmacht, dass ich hier bin, warum ich hierbin, warum ich bleibe. Ob ich das will und ob es gut ist so. Obwohl es bis auf eins herzlich wenig Anlass zum Zweifeln gibt! Ich will ja auch eigentlich mal alles deutsche Denken ueber Bord werfen. In einer Welt leben, die mir eben nicht gehoert und nicht mich aergern muessen, wenn ich den Ellbogen beim Autofahren nicht aus dem Fenster, wenn ich nicht neben dem Fahrer sitzen, nicht selber fahren darf. Manchmal komme ich mir vor, wie so ein Kolonialherr. Ich meine die Denkstrukturen der Leute hier zu durchblicken und bastel in mir schon gleich einen Verbesserungsplan. Ich bin der Religion gegenueber verschlossen und finde manches davon Quatsch, ohne den Hintergrund dieser Kultur zu kennen. Ich glaube dass die ganze Bildung den Menschen hier verschlossen bleibt, bloß weil ich im Gespräch mit Anum merke, dass sie am Himmel keine Sternbilder sieht oder kennt oder weiß was das ist. Vielleicht weiß sie es ja auch!

Dann die Blicke der Männer. Die anderen Mädels ziehn in der Stadt das Tuch uebern Kopf und gucken boese. Ich will doch die Menschen anlaecheln und wie daheim mich an den Reaktionen freuen. Ich will nicht muerrisch gucken muessen. Und wenn ich dann doch so gucke und immer noch in die Augen, muss ich mich fragen, ob ich ueberhaupt das Recht habe, den Blick so lange zu halten wie die Maenner. Ist ja nicht meine Kultur! Aber woher kommt dann deren Recht? Wieder etwas zum Thema Menschenwuerde, aber das ist jetzt nicht anderzeit.

Jetzt sind Eselskarren an der Zeit und unreife Papayas. Ein Haufen Missverstaendnisse und viel an-Lachen. Neues sich-verstehen, auch mit etwas anderem Englisch. Von jedem Baji („Schwester“) genannt werden. 2 Euro zahlen wenn man sieben Leute zum Essen einladen will und ein einziger dreckiger Fluss. Am Himmel keine Wolken – dafuer taeglich staubig-gluehende Sonnenuntergaenge. Heute habe ich sie auch mal aufgehen sehen. Morgen faengt mein Unterricht an.

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