Dienstag, 30. Oktober 2007

Unterricht

Keine Worte im Blog sind ebenso eine Aussage, wie die vielen vorangegangenen: Ich habe genug zu tun. Jede Stunde und Minute gibt es Dinge, die ich „eigentlich noch machen“ will. Ist ja auch nichts Schlechtes. Das Unterrichten hat begonnen. Und damit die ganze Frage, ob warum und wie ich überhaupt eine Lehrerin sein soll. Vor ein paar Tagen habe ich darüber etwas im Blog geschrieben, wie ihr seht aber wieder verloren. Wie ist es also in der Schule, was mache ich dort? Es gibt ca. 60 Kinder, die auf die Klassen 1 bis 6 verteilt sind, wobei sie eher weniger „verteilt“ sind: die 2. Klasse z.B hat allein schon 20. Diese und die 3. Habe ich in Englisch zu unterrichten. Es ist mein Glück, dass sie alle lesen und schreiben lernen sollen. Damit haben sie etwas arbeitsames zu tun zwischen den vielen Nachsprechgedichten, Liedern und Versen, die ich mit ihnen mach. Ja und eigentlich sollten sie dabei auch zur Ruhe kommen. Tun sie aber nicht. In der dritten Klasse ist das etwas einfacher, die Zweitklässler hauen sich aber - kaum dass ich mich umdreh - wegen der Stifte und Blätter bis einer weint. Oder zwei oder mehr. Manchmal kommt die Klassenlehrerin rein, dann sind alle mucksmäuschenstill. Aber ich kann ja auch bald Urdu!! Kaleho jao, ber jao!


was zum Essen

Schließlich ist die Schule ja auch nicht alles. Wenn ich zurückkomm nach Roshni, ist wieder Leben mit den Betreuten angesagt, essen, spülen, spielen, singen. Und homelessons für Junus und Sikandar. Dann wieder essen. Die Tage gehen – wie gesagt – eher schnell rum (geht es denn darum, dass sie immer nur rumgehen?). Ich mag das Essen inzwischen wirklich – vielleicht auch deshalb, weil ich nie richtig satt werde und mich schon aufs nächste freu. Dabei gibt es sozusagen immer dasselbe. Sozusagen, weil es eben doch verschieden schmeckt. Rootis (so ne art vollkörnige Pfannkuchen) sind schon mal das Grundnahrungsmittel. Dazu gibt es immer ein – weil zu lange gekocht – undefinierbares Gemüse (ich habe gerade das dumme Gefühl, das alles schon einmal geschrieben zu haben), und dazu noch eins. Lady Fingers, Auberginen, Zucchini – schmeckt eh immer ähnlich, auch wegen der schärfe. Nein halt! Wir habendoch noch selbstgemachte Apfelmarmelade. Und Ziegenmilchjoghurt. Das ist wirklich was gutes!! Zum Nachtisch also für die hungrige Maria Rooti+Marmelade+Joghutr+Rooti+Marmelade... Ich wusste gar nicht, wie abwechslungsreich unser Essen in Deutschland ist.

Und das ist auch, wodrüber hier geredet wird: can you give me a rooti, pliiz? Bani (wasser) etc. Alltagssachen. Ist ja auch klar, mit den Betreuten. Aber worauf ich grad hinaus will ist die Teilnahmslosigkeit an der Politik unter den anderen. Von dem Anschlag auf Benazir Budtho oder wie sie heißt haben wir erst über den Newsletter von web.de ein paar Tage später erfahren. Als die Wahlen waren, wussten die Leute gar nicht genau, ob das Parlament oder das Volk gerade wählt. Es hat ja auch niemanden besonders interessiert. Man kann eh nichts ändern. So kümmert sich eben jeder um sein Grundstück und sein Leben (was auch Arbeit genug ist - überleben und so) und wartet ab, was damit passiert. Wahrscheinlich ist es dann auch gottgewollt. Insch Allah. Das ist auch so ne Sache. Ich purzel in diese Religion einfach rein, ohne viel zu wissen. Trage das Kopftuch, wenn das Gebet zu hören ist, oder in der Stadt, wenn die Männer zu sehr gucken – sonst nicht. Und es ist ganz anders, als ich daheim dachte, wenn ich Diskussionen über Kopftuchtragen gehört habe. Ich fühle mich nicht unterdrückt, wenn sich die Männer nicht mit uns an einen Tisch setzen, oder mir nicht die Hand geben. Manches finde ich vielleicht komisch, unverständlich, albern. Aber urteilen über etwas, das ich nicht kenne, wollte ich heute eigentlich noch nicht.

Jedenfalls bin ich bisher nicht gekidnappt worden oder einem Attentat zum Opfer gefallen. Entschuldigt, wenn ich diese Worte hier so lax daherschreibe, aber es macht mir schon viel Gedanken, welches Bild ihr von Pakistan habt und woher das kommt. Was die Medien da machen ist schon der Hammer, Afghanistan isn’t the most dangerous country of the world – Pakistan is! Mir sind bisher nur liebe Menschen begegnet. Ob die gefährlich sind weiß ich in meiner ganzen Naivität nicht zu sagen. Wahrmherzig und Gastfreundlich noch und nöcher sind sie. Offen und zuvorkommend. You're from jermani, a christian? Welcome to our country, We're glad that you visit us - if You need anything pliiz tell us!! Vielleicht sitzen in den Bergen die Dratzieher von allem Unheil, das es gibt. Vielleicht sitzen sie auch ganz woanders. Hier geht nicht jeden Tag eine Bombe hoch. Anderswo auch nicht, aber es kann überall sein. Attentate gabs auch schon in Europa - hab ich gehört. Wisst ihr, was ich meine? Wasauchimmer passiert, ich bin schon schon um der Dinge willen, die ich bisher mitbekommen habe vom Leben hier unendlich froh. Froher noch, weil ich gerade merke, dass man sich durchaus sein eigenes Bild machen kann. Soviel Freundlichkeit und Ruhe und Fröhlichkeit auf einem Haufen habe ich noch selten gefunden. Und keine Angst, ich werd nicht in den unsicheren Nordwesten fahren oder alleine reisen oder mit dem Hausmeister Fußball spielen - reicht ja schon, wenn der Gärtner mit mir auf dem Feld ist (zur Hierarchie unter den Leuten in der nächsten Folge).

Ich habe nun mit manchen von euch durch den Blog wieder Kontakt. Das freut mich! Aber bitte schreibt auch, wenn euch was doof kommt von meinen Worten. Es sind Dinge, die nicht leicht zu beschreiben und Gedanken, die nicht schnell zu greifen sind. Ich kenne nicht viel von der Welt außer mich ein stückweit und das, was ich erlebe, sehe, rieche, schmecke, höre... ...ach ja, der Lahoreausflug (mit Philipp in der Altstadt)! Auch das im nächsten Geschreibe. Nur soviel: es ist wirklich eine ganz unglaubliche Märchenstadt (fast hätte ich mich verkaufen lassen).

2 Kommentare:

mxi hat gesagt…

Es ist immer wieder schön, von deinen neuen Abenteuern zu hören! Vor einem Jahr war ich noch in einer ähnlichen Situation, heute lass ich mir von einem Prof erzählen, wie man Kulturen wirklich erforscht. Ein komischer Gegensatz... Naja, ich wünsch dir auf jeden Fall alles gute und handel einen angemessen hohen Preis aus, falls du dich doch noch verkaufen solltest ;-)
Liebe Grüße vom Herbst in Deutschland,
mxi

PhilWeBlog hat gesagt…

salam maria.

wollt dich nur darüber informieren, dass sich ein potentieller käufer gemeldet hat. er bietet 22 kamele (darunter 2 weiße), allerdings haben einige von ihnen etwas schlechte zähne und eines nur 3 beine. wir kommen mit den verhandlungen aber vorwärts und ich hoffe, dass ich dich ihm bald präsentieren kann. hab ein bischen gelogen und gesagt, du seist hellblond und begeisterte köchin (spezialitäten: OILY CHICKEN, BRAIN MASSALA sowie PARATHA). er freut sich darauf, dich kennenzulernen. bezüglich des alters kann ich auch entwarnung geben: er meint, der nicht unerhebliche altersunterschied zwischen euch beiden sei für ihn kein problem.

ich hoffe, du freust dich. bis bald mal wieder, viele grüße auch an die anderen aus faisalabad

philipp