Pakistan, Indien, Bolivien, Kenia. Lahore, La Paz, Berlin. Hier sind Texte und Bilder von Reisen in wundervolle Länder, hohe Berge, alte Städte, viele Tassen Tee und große Gastfreundschaft. Viel Spaß beim Lesen!
Donnerstag, 12. April 2012
Meine letzten 10 Rupees
Dienstag, 3. April 2012
Dilli
Ersteinmal werden wie auf dem Flughafen alle Leute abgetastet und die Handtaschen durchleuchtet. Dann gelangt man mit einem coolen Kartensystem auf den Bahnsteig, wo die Leute schon in kleinen Schlangen anstehen, fuer die naechste Bahn. Völlig ordentlich, könnte man meinen. Doch kaum dass der Zug hält, löst sich die ganze Ordnung auf und man muss seine Ellebogen einsetzen, um einen Weg in die Bahn zu finden. Dort sind dann im Handumdrehen alle Plätze besetzt. Wenn jemand aufsteht, sitzt im selben Moment schon jemand anderes da, der anscheinend auf genau diesen Platz gewartet hat. Doch weil ich Frau bin und oft die einzige Bleiche im Zug, werden mir staendig die sonst so begehrten Plaetze angeboten. Ich stehe aber gerne. Dann muss ich nur aufpassen, dass mir die Maenner nicht zu sehr auf die Pelle ruecken, was in Indien öfter mal passiert. Deshalb geh ich lieber ins Frauen Abteil. Dort sind die Sitze ausdrücklich fuer Alte, Frauen und Behinderte reserviert. Eine nette Gruppe. Schilder und Lautsprecheransagen weisen darauf hin, nicht auf dem Boden zu sitzen, nicht zu spucken und verdaechtige Gegenstaende wie Brieftaschen, Thermoskannen und Spielsachen nicht anzufassen, weil es Bomben sein koennten. Beim Aussteigen stehen dann rechts und links zwei Officer, die Acht geben, dass die einsteigenden Maenner den Frauen genug Platz zum Aussteigen lassen, bevor das Gedränge und Platzgesuche wieder von vorne losgeht.
Ich bin also wieder in Delhi, rechtzeitig einen Tag vor meinem Abflug. Da ist wieder der Balkon, da ist die suesse Luft und da sind wieder die lauten Fahrradverkaufer. Ein Franzose hat mich von der Grenze bis hierher mitgenommen und mein Sprachenhirn hat sich gewunden vor Qual, als ich vergeblich versucht habe, französisch zu sprechen. Gerade war ich in Urdu so weit, dass ich auch Randunterhaltungen mitbekommen konnte, aber wielange hält das an? Kann man immer nur zwei Sprachen auf einmal, oder drei? Ich will auf jedenfall weiterlernen! Nach einem etwas sang- und klanglosen Geburtstag in Pakistan bin ich ploetzlich 25 geworden. Da macht sich ein Maedchen Gedanken, wuerde Helly sagen. In meinen Emails habe ich dafür ganz brauchbare Wünsche gefunden, darunter: "tütenweise frische Neugier", "intensive Begegnungen" und "das kleine Glueck am Strassenrand". Ich freu mich auf Zuhause, auf Obst und Gemuese, unfrittiertes Essen, Sommeranfang und darauf, mit Männern wieder sprechen zu können, ohne darueber nachdenken zu müssen, ob wir nicht vielleicht bald heiraten sollten.
Sonntag, 1. April 2012
Shopping-wopping
Donnerstag, 29. März 2012
Rueckfahrt
Es gibt naemlich (ausser der versprochenen U-Bahnfahrt in Delhi) noch eine Sache, die ich aufgeschoben hatte, weil das Thema so schwierig ist. Die Lehrerinnen und Sarwar haben ihr Visum nicht bekommen. Es ist deswegen schwierig, weil keiner hier ein Visum bekommt. Auch nicht mit Invitation und Insurance und care of all costs. Beinahe jeder hat so eine Geschichte zu erzaehlen. Ich moechte mich irgendwie fuer Deutschland entschuldigen. Selbst wenn ich mir vorstelle, dass jemand ein Visum bekaeme, habe ich kein gutes Gefuehl im Bauch, weil ich weiss, dass er dort nicht so sehr als Gast empfangen sein wird, wie ich es hier bin. Ich habe dieser Tage so viele Tees getrunken, dass ich schon eine kleine Unvertraeglichkeit habe im Magen. Ich wurde so oft zum Essen eingeladen und zu Rikschafahrten, zu Familien und zu Hochzeiten, dass ich gar nicht mehr weiss wohin mit meiner Freude. Fuer mich ist auch Deutschland wunderbar, und ich weiss, dass alle Menschen, die ich dort kenne nicht so komisch und unfreundlich sind. Und doch... Und doch habe ich dieses Bild im Kopf, dass jemand aus Pakistan ankommt und keiner ihm weiterhelfen, geschweigedenn zu irgendetwas einladen wird (ohne ihn zu kennen). Das ist also, wie ich meine Faeden spinne, ich denke zurueck, ich vergleiche, versuche Sachen zu verstehen und freue mich dabei schon sehr auf Zuhause - Wenn ich nur ersteinmal aus diesen verrueckten Bergen herausgekommen bin...
Montag, 26. März 2012
Als das Wasser kam
Weit hinter Gilgit, hinter dem Killing und den Kirschblueten, hinter dem friedlichen Karimabad, von dort ca. zwei Stunden weiter richtung China, fuehrt der Karakoam Highway ins Wasser. Dort liegt der 21 km lange Attabad-See. Still und bergblau, als waere nichts gewesen. Aber dieser See ist eine Katastrophe. Er hat sich infolge eines grossen Erdrutsches aufgestaut und versperrt das Tal seit nunmehr zwei Jahren. Der ganze Ueberlandverkehr zwischen China und Pakistan muss das Wasser ueberwinden, d.h. von den Trucks auf Schiffe und von Schiffen wieder auf Trucks verladen werden. Fuer Hunza ist deshalb eine Teilreisewarnung ausgesprochen, weil der Damm jederzeit brechen und der See sich ins Tal ergiessen kann. Reisewarnung heisst, dass meine Versicherung nicht mehr gilt. Bin ich bei einer Teilreisewarnung halb-versichert? Doch als ich den See sehe, denke ich nicht mehr daran. “Mashallah!” (Wunder Gottes!), entfaehrt es mir und ich beiss mir zugleich auf die Zunge. “Mashallah is not quite the right word, Maria, in diesem See liegen Doerfer begraben – die Menschen hier haben alles verloren!”, murmelt Zo. Ich weiss. Das ist keine Touristenbootsfahrt fuer kleine Maedchen, das ist das harte taegliche Brot der Menschen, die auf der anderen Seite des Sees leben und auf Gueter von China (dessen Grenze Winterbedingt gesperrt ist) und Gilgit angewiesen sind. Der KKH, der von hier an unter Wasser verlauft, hat alles so einfach gemacht. Natuerlich sind Pakistanis den Chinesen, den Erbauern, dankbar. Und natuerlich versuchen letztere alles, um die Strasse wieder in Gang zu bringen. Denn das ist zugleich der Zugang zum Indichen Ozean. Aber die Sprengungen hatten bisher nur geringen Erfolg, das Wasser ist 3 Meter gesunken, einige zerstoerte Haeuser sind wieder zum Vorschein gekommen – unbewohnbar. Ich staune also etwas leiser, als wir uns und die Waren ins Schiff verfrachten. Nach knapp zwei Stunden windiger Felsfahrt steigen wir in Gulmit aus. Hier ist es noch stiller als in lower-Hunza. Die Jumma Khana (Versammlungsort der Ismaelis) kennt keine Lautsprecher. Allein, neben mir hoere ich das wohlbakannte schuechterne “How ar ju” eines kleinen Maedchens. Ich antworte wie ueblich mit Englisch und Urdu, um zu sehen, auf welcher Sprache wir uns unterhalten. Urdu. Als wir das Dorf durchqueren und hinunter zum See kommen, versinken meine Schritte langsam im Schlamm. “Hier stand unser Haus”, Sagt Hina, mein Maedchen, und deutet auf einen leeren Platz in der grauen Landschaft. “Als das Wasser kam, mussten wir alles nehmen und gehen. Jetzt haben wir ein neues Haus, weiter oben.”. Wir drehen uns um. Ich gehe zurueck in mein leeres Hotel, sie weiter zu ihrer Tante.
Kurze Zeit spaeter hoere ich von draussen ein Stimmchen: “Maria!”, Maria? Ich unterbreche mein Kerzenscheingeschreibe. “Eik Minute!”, schnell schluepfe ich in meine Schuhe und folge Hina, die am Tor auf mich wartet, den Hang hinauf. Folgen ist, was ich auf Reisen gelernt habe. Gefuehlen, Intuitionen, kleinen Maedchen. Aber was ist das? Sie nimmt mich mit zur Jammad Khanaa. “Nein, nein, das geht nicht”, sage ich, und lasse ihre Hand los. Zo hatte mir eingeschaerft, dass dieser Ort wirklich nur fuer Ismaelis ist, wegen der vielen religioesen Konflikte im Land. “Warum nicht?” “Ich... Ich bin nicht allowed, verstehst Du?” “Doch doch, komm mit!”, “Das ist nur fuer euch, fuer Ismaelis.” Eine Cousine nickt wie zur Bestaetigung und will die kleine Hina mitnehmen. Aber sie will mich nicht gehen lassen. “Bitte komm!” “Nein nein, ich kann nicht. Mach Dir keine Sorgen. Na los, geh schon, geh!” Traurig dreht sie sich um, winkt mir noch einmal good bye und folgt dann den anderen Frauen zum Gebet. “Gott ist eins”, sagt mir ein alter Mann, als ich ihn auf dem Heimweg nach den Regeln der Jammad Khanaa frage. “Wenn wir vorher zum Immam gehen, darfst Du sicher hinein.” Aber ich will das Dorf auch nicht durcheinanderbringen. Fuer die Erwachsenen sind die Gesetze wichtiger als fuer Kinder, sie wissen besser als Hina, warum wir nicht zusammen beten koennen. Der Alte erzaehlt derweil von seinem Leben in Holland und wir haben wunderbare fuenf Minuten ueber die ganze Welt zu sprechen. Dann schultert er wieder seine Schaufel und macht sich auf den Weg nachhause – auch er hat ein neues Haus weiter oben. 30 Minuten von hier, jeden Tag. Aber dann faellt sein faltiges Gesicht in ein verschmitztes Lachen: “Das ist gesund, das haelt mich fit!” und erklaert mir mit dieser Einstellung ein altes Raetsel, wie in aller Welt diese Menschen mit ihren Schicksalen doch so aufgeweckt-froehliche Gesichter haben koennen.
Donnerstag, 22. März 2012
Fruehlingsanfang
Hatte Zo nicht gesagt, er wolle hier den Fruehling kommen sehen? Am Abend des 20. Maerz kommen wir in Hunza an. Die Fahrt war nicht leicht und vielleicht hatte Zo Recht: Hunza is not for everyone – you have to achieve it. Selbst das letzte Stueck, von Gilgit nach Karimabad, war von zwei Steinlawinen unterbrochen, sodass wir streckenweise laufen mussten um dann einen neuen Bus zu nehmen. Aber die Leute hier werden spuerbar freundlicher und lockerer. Bis 2001 war das Hunzatal ein von Touristen gepraegter Ort. Ettliche Guesthouseschilder, Laeden mit Bergsteigerausruestung, ein franzoesisches Cafe und englischsprechende Einheimische weisen darauf hin. Wieauchimmer, jetzt bin ich der einzige Gast im Old Hunza Inn. Wir treffen noch zwei Japaner auf dem Weg, das wars. Die Laeden sind geschlossen, die Zimmer leer. Dabei ist dieser Ort mit das Schoenste, was ich bisher gesehen habe in meinem Leben.
Wenn ich aufwache, sehe ich den tuerkisgrauen Hunzariver (der spaeter in den Indus muendet), das Dorf, buntgekleidete Frauen, Kinder, die wie wild ueberall herumrennen und ueber allem die grossen Berge. Am bekanntesten ist hier der Rakaposhi mit seinen 7788 Metern, der wie zum greifen nah scheint. Die drei gewaltigen Gebirgszuege Himalaya, Karakoam und Hindukush treffen aufeinander. Ich fuehle mich wie im Herzen von allem und der KKH hat sich seinen Weg dorthin als eine Ader gebahnt. Bis auf den Fluss, die Kinder und fuenfmal am Tag den Gebetsruf ist alles still. Hunza ist fuer seinen Frieden bekannt. Jetzt kann der Fruehling beginnen. Die ersten Mandelbaeume bluehen schon bei den vielen Steinmaeuerchen, Blaumeisen und andere Voegel, die ich nicht kenne, piepsen darin und die Sonne laesst alles um mich herum in hellem Weiss erstrahlen.
KKH
Samstag, 17. März 2012
Frauentücher
I opened chapter nine of my Life and there was: Amsterdam. It started back in Berlin when I joined a Workshop called "Mission U". I learned something like: when you really deal with a problem, the answer reveals naturally. We don't have to make it up. I got to know Manuel (Knowmads Tribe one) and Charlotte from Amsterdam. They invited me without knowing me. They could be wrong, I thought, I could be weird. Especially this week I felt a bit small between all these extraordinary people who seemed to live their lives like one big event: take the honey and fly on. But... They invited me.
I arrived in Amsterdam on July 9th. I instantly asked Manuel about his School. They're having a workshop this week, he said. Oh, so... can I join? Well... It's an application Workshop for the next Tribe, starting on August 20th! Oh, so... can I apply? One month later I moved to Amsterdam to join Tribe 6. I asked the city the other morning: Do you want me to come? "Yes, Maria, please come!" said a tiny little voice that could have also belonged to Charlotte next to me. The Girl who offered me her room whenever needed. It just felt so right. In chapter 7, when I thought of joining YIP in Sweden, I decided it to bee too far away from everything. In chapter 8 when I considered to do Kaospilots in Denmark I couldn't make a three-year commitment like that. Now that I've been at University for a while and can truly let go, Knowmads crossed my way. I actually invited it to happen, when I decided to take one year off, to see wether I'm still on track and, if not, to adjust. It won't be just a year off - it will be a year on. This is chapter nine. It is, when the book starts being so exciting that you can't stop reading anymore.
Sonntag, 11. März 2012
Männerchae (beim Dhaaba)
Freitag, 9. März 2012
Traumverkäufer
Dienstag, 6. März 2012
Islamabad
Samstag, 3. März 2012
Abschied
Freitag, 2. März 2012
Naan-Chenna
Montag, 27. Februar 2012
Hunza ruft
Auf halbem Weg von der Schule zurueck treffe ich mich mit Veronika, auch Gaestin in Roshni, zum Chaetrinken. Die Maenner ruecken schnell beisiete, bieten uns einen Platz an und machen neuen Tee und Rootis warm. Das geht so: Rooti rollen, hin und herwerfen, zack aufs Kissen und ab in den Ofen. Als ich das zum erstenmal gesehen habe, musste ich sehr lachen - einfach weil es eine so gute Idee ist: Der runde Fladen haengt kopfueber an der Flaeche zum Lehmofen und wird durch das Feuer von unten und durch die Wand von oben gewaermt, sodass es ueberall knusprige Blaeschen gibt. Ich bestell einen frischen Rooti (der 2 Rupees kostet und mir nachher nicht berechnet wird) und tunke ihn in den Tee. Neugierige Blicke und Tuscheln auf der Maennerseite folgen mir ebenso, wie ich dem Rootibacken eben gefolgt bin. Wir sind alle ein bisschen faszieniert voneinander. Unsere Haut, das viele Reden, vielleicht auch die ernsten Gesichter, die wir Deutschen machen - allein dass wir dort sitzen scheint komisch zu sein. Aber weil wir bestaendig jeden Tag wiedergekommen sind, hat sich eine Art "Normalitaet" eingeschlichen. Eigentlich werden Kekse in den Tee getunkt, nicht Rootis. Als wir das letztemal da waren, haben wir auch eine Packung bekommen, und wie um uns zu zeigen, wie das geht, hat sich der Ladenbesitzer neben uns gesetzt, ein "bismillah" (in Gottes Namen) gemurmelt und den Keks eingetunkt. Als ich auch in Gottes Namen meinen Keks eingetunkt habe, waren alle zufrieden. Dann habe ich zum Rooti etwas richtiges zu Essen bestellt, Linsen (mit 2 kleinen Voeglechen, was ich vorher nicht wusste) und alles zusammen sollte nur 20 cent kosten. Meistens will uns der Besitzer einladen, aber dann drueck ich ihm schnell mein Geld in die Hand, was er unauffaellig zur Kasse wirft. Das ist unsere kleine Normalitaet.
Und obwohl ich sehr gluecklich bin, wieder in Roshni zu sein und auch zu arbeiten, und obwohl Lahore noch unendlich viele Geheimnisse fuer mich birgt, fuehle ich, dass ich bald wieder aufbrechen muss. Reisezeit vergeht einfach zu schnell! Nur wohin? Indien waere am einfachsten, Nordpakistan naeher an meinem Herzen dran. Seit ich vor vier Jahren zum erstenmal vom Karakoam Highway und vom Hunzatal gehoert habe, fuehle ich mich dort hingezogen. Wahrscheinlich liegt ein Zauber auf dem Himalyadorf: Gestern Nacht in der Rikscha hat ein Freund gesagt: "Hunza always draws a big smile on my face". Vielleicht kann ich mit ihm reisen, insha'Allah, denn er will den Fruehling dort oben kommen sehen. Wenn nicht, dann wird mir etwas anderes Gutes passieren. Vielleicht sehe ich auch Latif an der Wagah Border bald wieder. Der Aufbruch ist jedenfalls nah.