Dienstag, 6. März 2012

Islamabad

Ich habe zum erstenmal in Pakistan eine Aufgabe, der ich so richtig gewachsen bin: drei unserer Lehrerinnen und Sarwar wollen Anfang April zur Weltlehrertagung nach Dornach, Schweiz. Anfang April. Noch ohne Visa, ohne Flug und es ist ihre erste Reise ueberhaupt. Einmal waren sie schon in Islamabad, hatten aber nicht die richtigen Papiere dabei und wurden gleich wieder zurueckgeschickt. In Lahore gehen wir also zusammen die Punkte durch: Applicationform, Passport, Photocopys, Insurance, Flightreservation, Invitationletter, Employersletter, Bankstatement, Salaryslips, NTN Certificate und NADRA Certificate. Wir machen Haekchen und Kreise, telephonieren und buchen im Internet. Ich fuehle mich mit einem Mal so kompetent. wer macht sonst solche Dinge bei euch? Wir machen solche Dinge sonst nicht. Photocopys und Fax kann mein Mann, Emails checkt meine Schwester. Die Office-Leute sind ohne Internet auch nur begrenzt hilfreich. als wir schliesslich alles beisammen haben, machen wir uns zu fuenft auf den Weg nach Islamabad: drei Lehrerinnen, Miri, die jetzt meinen Job in der Schule uebernimmt, und ich. "We are five, but we are alone!" Sagt eine der Lehrerinnen und lacht. "Wie meinst Du das?", frage ich und habe schon so eine Vermutung. "No men here, only us". Miri grinst mich an: "Und ich habe mich noch nie so sicher gefuehlt wie auf dieser Reise!". Aber die Lehrerinnen sind fuchtbar aufgeregt, beten leise und ziehen mich zurueck, wenn ich zu weit weggehe. "It's not good to stand alone". For security reasons natuerlich. Vielleicht ist es wirklich gefaehrlich, wenn andere Leute einen sehen oder ansprechen, aber eigentlich... ist das immer so auf Reisen und man kann damit umgehen. Ausserdem steht ueberall Polizei rum, vor Laeden, Strassenkreuzungen und Garagentoren. Oft frage ich mich, wie die ganzen Wachmaenner das machen, immer rumstehen fuer nichts. Aber ein ganzes Land glaubt daran. Ich versuche schon, wachsam zu sein, aber ich will mich auch nicht abhaengig machen von den vielen Aengsten hier. Jeder einzelne Mensch, den ich bisher getroffen habe, war lieb und freundlich zu mir. Wieso sollte ich das vermeiden? Hier geht meine Reise (wirklich) weiter. Ich geniesse meine Freiheit und Planlosigkeit. Jeder Moment ist so einzigartig und aufregend, dass ich manchmal nur staunen und dankbar sein kann. Bei Sonnenaufgang durch Islamabad laufen ohne Kopftuch, an der Strassenecke den Minibus anhalten, den Wetterbericht verstehen, die Schilder lesen... Aber zurueck zur Visageschichte: Bei den Frauen ging alles gut, sie sind schon wieder auf dem Weg nach Lahore. Mit Sarwar am naechsten Tag war es schwieriger. Der Mann am Schalter wollte partout nicht seine Papiere annehmen. Dann bin ich aufgestanden, wie ein Endgegner, und habe gefragt: "Can I speak to a swiss person please?", "Why?", "I wanna explain why my friend is applying for a swiss visa", "you can explain to me." Theek hae. Nach einigen Halbwahrheiten ueber meine Arbeit am Goetheanum und in Roshni nimmt er schliesslich die Papiere entgegen. Als wir die Diplomatic Enclave verlassen fragt Sarwar: warum hat er jetzt ploetzlich meinen Antrag angenommen? Ich moechte sagen: weil ich eine andere Hautfarbe hatte, schweige aber darueber und sage: in diesem Land haengt eben vieles von der Laune der Leute ab - was mindestens genauso wahr ist.

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