Mittwoch, 22. Februar 2012

Schulweg

Jetzt ist es passiert. Seit der Projektzeitungsausgabe meines alten Blogs hab ich mir gedacht, dass ich eines Tages Ali Hamza und Ali Akbar das Titelbild zeigen werde. Mit ihnen drauf und 'Pakistan' ueber ihren Koepfen (پاکستان‎). Weil die Jungs mit dem deutschen Heft nicht so viel anfangen koennen, hab ich mir eine komplizierte Erklaerung gespart und ihnen je eine Postkarte davon gegeben. Als ich gefragt habe, wer auf dem Bild ist, hat ein Chor von 20 Kindern hinter mir gebruellt: Ali Haaaamza! Gut, und der andere da? Ali Aaaakbar! Schabbasch, sehr gut. Und jetzt packt die Karten weg, ihr zwei, sonst gehen sie noch kaputt, thik hae (ok)? Thik hae, thänk you teacher Maaria!

Ich bin also wieder Lehrerin. Jeden Morgen unterrichte ich ein bisschen Musik in der 6. und 7. und Englisch in der 1. Klasse. Dass ich die Kinder (und Lehrerinnen) jetzt besser verstehe, macht vieles leichter. Und lustiger. Die Lehrerinnen sind eigentlich immer am Spaesse machen, fragen mich ueber Deutschland aus und teilen ihr Essen mit mir. Dann wollen sie, dass ich ihnen was zeige fuer den Handarbeitsunterricht oder ein Englischpoem. Wenn ich sage, ich bin dafuer auch nicht ausgebildet, zaehlt das nicht, denn ich komme schliesslich from abroad. Dadurch bin ich Spezialist fuer alles - keine Rolle, die ich schoen finde, aber so sieht es aus. Das geht mit so vielem einher, was mit diesem Land passiert (und nicht passiert) ist, dass ich mich ein bisschen machtlos dagegen fuehle. Ich wuenschte, es waere anders gewesen, aber wer kann die Geschichte aendern?

Auch mein Schulweg ist wieder voller kleiner Wunder: Ein Mann setzt seine Tochter neben mir ab, deutet auf sie, deutet zur Schule und verschwindet. Ok, ich nehm sie mit. Dann sammeln sich immer mehr Schueler hinter mir und ich komme mir vor wie eine Entenmama. Autos hupen im Vorbeigehen und Maenner rufen ein vom Schotter gebrochenes "Helo-o-o-o-o" hinter mir her. Im Dorf hat sich schon rumgesprochen, dass ich zur Schule laufe. Laufen ist ungewoehnlich, vor allem fuer Lehrerinnen. Die wenigen Frauen, die ich sehe, verstecken sich lachend hinter ihren Tuechern. Dick bepackte Eselskarren bahnen sich schaukelnd einen Weg in die Stadt - angetrieben von kleinen Jungs mit Stoecken und heiserem Rufen. Ein LKW mit Erde zieht an mir vorbei wie ein kleines Fest - geschmueckt mit klappernde Eisenkettchen, bunt bemalt und aus den anmontierten Lautsprechern dudelt Bollywoodmusik. Das ist hier immer so - auch wenn es sich nur um Erde handelt. Als ich endlich durch das Schultor komme, dem Pfoertner Assalamu Aleikum gesagt habe und irgendetwas unterschrieben hab, rennen mir meine Kinder von damals entgegen: Sadaf, Neelam, Sajid der immer geweint hat (jetzt lacht er), die Geschwister Adnan und Alina, Gulzada - damals Anfuehrerin der 1. Klasse, jetzt immer noch ganz taff, die kleine Mehwisch und natuerlich Ali Hamza und Ali Akbar. Sie alle ziehen mich in ihr Klassenzimmer und rufen aufgeregt durcheinander: Teacher, Gift, Teacher Maaria, Asalamu Aleikum, how are you? Dann bekomme ich Blumen, Kaertchen oder Stickereien mit "Good Morning Teacher Mariya" und vielen kleinen Herzchen darauf.

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