Freitag, 10. Februar 2012

Zuggeschichten

Knapp knapp knapp. Irgendwie hab ich damit gerechnet, dass der Zug nicht puenktlich losfahren wird, weil es Indien ist, aber das ist natuerlich Unsinn. Ich bin also um 6:04 in einem verschlafenen East of Kailash und noch im Dunkeln mit der ersten Metro los - vorbei an kleinen Feuern, wo Nachts die Hausaufpasser kauern, und bin um 6:40 h tak an Gleis 14 - dem einzigen Gleis, wo meine Uhrzeit geschrieben stand. Den Rest konnte ich nicht lesen in der Eile und in Hindi. Ich springe also rasch in den Zug und schiebe mich vorbei an den vielen Leuten bis zu meinen Platz, wo auch schon die Familie wartet, mit der ich die naechsten 6 stunden verbringen soll. Dass es diesen Platz wirklich gibt und dass die meisten Leute Turbaene tragen (wie die Sikhs im Punjab) sagt mir, dass die Fahrtrichtung stimmt.

Lange lange lange faehrt der Zug erstmal raus aus Delhi. Vorbei an grossen Strassen und dreckigen Fluessen, an Muellwiesen in denen die Leute ihre erste Notdurft verrichten und schliesslich an Landschaften, in denen Lehmhuette an Lehmhuette und Blech an Blech kreativ zusammengeschachtelt sind, sodass sich daraus kleine Wohnungen ergeben. Viele. Das andere Delhi, das ich wahrscheinlich nie kennenlernen kann (ausser in Shantaram). Vielleicht ist es auch besser so. Meine ganze Welt steht auf wackligen Beinen, wenn ich das sehe und mir vorstelle, wieviele Leute sich so durchs Leben schlagen. Wenn sich jemand ganz ohne Beine auf einem kleinen Rollbrett nur durch den Zug schiebt und lange zu mir hochsieht. Wenn mein Gesicht steinern bleibt, waehrend mein Herz eigentlich weinen will oder zumindest ihm die Haelfte meines Geldes geben. Dann fuehlt es sich so an, als sollte ich besser alles wegschmeissen und mein Leben nochmal ganz von vorne denken. Stattdessen warte ich, dass der Alte weiterrollt und suche in mir einen Raum, in dem ich diese Bilder ordnen kann - und finde ihn nicht.

Meine Familie schuettelt laechelnd den Kopf: Gib ihm kein Geld! Dann fruehstuecken wir. Erst sage ich, ich habe schon was gegessen (und nichts dabei), aber sie sagen natuerlich koi baat nahin und reichen mir strahlend den extra fuer mich gerichteten Teller. Es gibt Rootis mit Subji (das ist gut gewuerztes Gemuese), dazu suesses Raiter. Dann bekomm ich vom Chaewalla noch einen Kaffee und spaeter einen Chae. Bezahlen darf ich auch hier nicht. Diese Menschen, faehrt es mir in den Kopf, die hier so selbstverstaendlich ihr Essen mit mir teilen, das sind dieselben, vor denen ich eben noch so misstrauisch meinen Geldbeutel verstecken wollte - just in case. Und jetzt kommen sie mir zuvor und bezahlen sogar fuer mich. Das ist doch superparadox. Und ein paar Stunden spaeter, als sie aussteigen und die Kinder 100-mal bye (bye bye Maaria) gesagt haben, setzen sich 3 Jungs zu mir um mit mir ihr Mittagessen zu teilen. Man darf wirklich nicht zu schlecht denken von den Leuten. Ich glaube, dass es im seltensten Fall welche sind, die Dir was Schlechtes wollen oder etwas wegnehmen. In den allermeisten Faellen geben sie nur und wuerden Dir bis zum Ende vom Tag noch weiterhelfen. und dann winken sie ab, wenn Du bezahlen willst oder Dich auch nur bedankst. Nein Maria, Du bist doch unser Gast!

1 Kommentar:

emeralda hat gesagt…

oh maria, wie sehr liebe ich dich. dieser innere ort um die bilder zu orten? vielleicht, finden wir ihn.